Zenzl Mühsam

Gedenktafel am Haus, Binzstraße 17, in Berlin-Pankow (2015)

Zenzl Mühsam auch Creszentia Mühsam, geboren als Kreszentia Elfinger (* 27. Juli 1884 in Haslach bei Au in der Hallertau; † 10. März 1962 in Ost-Berlin), war beteiligt an den Kämpfen um die Münchner Räterepublik an der Seite ihres Mannes Erich Mühsam.

Leben und Wirken

Grabstein auf dem Waldfriedhof Dahlem (2008)
Grabstein auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde (2007)

Zenzl Mühsam war das fünfte Kind der Holledauer Gastwirte und Hopfenbauern Creszentia und Augustin Elfinger. Am 15. September 1915 heiratete sie Erich Mühsam; in die Ehe brachte sie ihren Sohn Siegfried, dessen Vater sie öffentlich nie preisgegeben hatte. Die Ehe mit Mühsam blieb kinderlos; sie war Muse und emanzipierte Kämpferin an seiner Seite, die sich während seiner Festungshaft für eine Amnestie der Räterevolutionäre einsetzte.

Nach der Ermordung ihres Mannes im Juli 1934 drohte der Anarchistin Zensl Mühsam die Verhaftung durch die Gestapo. Am 16. Juli, dem Tage seiner Beerdigung, flüchtete sie nach Prag. Dabei half ihr die amerikanische Journalistin Dorothy Thompson. Als sie von dort versuchte, Erichs Tagebücher oder anderes veröffentlichen zu lassen, fand sich kein Verleger. Auch ihre Freundin Meta Kraus-Fessel konnte ihr nicht helfen. In Prag litt sie an Depressionen. Nur von der, ihr persönlich bekannten, Jelena Stassowa, Vorsitzende der MOPR, kamen wiederholte Einladungen. Ihre Freunde warnten sie vor der Hilfe der Kommunisten. Da erhielt sie Versprechung, dass man sich in Moskau um das Werk Mühsams, als eines Nazi-Opfers, kümmern würde. Am 8. August 1935 reiste sie für drei Monate nach Moskau, nachdem sie in Prag ein Versprechen der Moskauer „Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter“ erhalten hatte, einen ersten Band mit Gedichten Mühsams zu veröffentlichen.[1] Am 23. April 1936 wurde sie dort – mit einem von der Geheimpolizei frei erfundenen Vorwurf – „konterrevolutionärer trotzkistischer Tätigkeit“ bezichtigt. Sie wurde erstmals verhaftet und in der Moskauer Lubjanka inhaftiert. Es folgten Änderungen der Anklagepunkte, Freilassung unter Aufenthaltsverbot für Moskau und Leningrad und eine erneute Verhaftung im November 1938 mit einer Verurteilung gemäß Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR am 11. September 1939 wegen „Zugehörigkeit zu einer konterrevolutionären Organisation und wegen konterrevolutionärer Agitation“ zu acht Jahren Arbeitslager. Diese Strafe verbüßte sie im Lager Potma in der Mordwinischen Republik. Im November 1946 entließ man sie und setzte sie völlig mittellos in einen Zug nach Nowosibirsk. 1949 wurde sie erneut inhaftiert und „auf ewig“ nach Nowosibirsk verbannt.

Erst 1954 kam sie frei und durfte in die DDR ausreisen. Bis dahin hatte sie fast 20 Jahre in sowjetischen Straflagern und Verbannung verbracht. 1962 starb Zenzl Mühsam im Alter von 77 Jahren.

Ehrungen und Auszeichnungen

1959 wurde Zenzl Mühsam anlässlich ihres 75. Geburtstages mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber ausgezeichnet.[2]

Sie erhielt ein Ehrengrab in der Grabanlage „Pergolenweg“ der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Nach dem Ende der DDR wurde ihre Urne im Herbst 1992 in das Ehrengrab Erich Mühsams auf dem Waldfriedhof Dahlem übergeführt – veranlasst durch Rationalisierungsmaßnahmen der Friedhofsverwaltung und die Auffassung des Berliner Senats, „dass nur die Teilung der Stadt eine gemeinsame Grabstätte bis dato verhindert hatte“.

Im Januar 2020 wurde in München eine Straße nach ihr benannt.[3][4] Ein Saal im Erdgeschoß der Seidlvilla am Nikolaiplatz wurde ebenfalls nach ihr benannt.

Schriften (Auswahl)

  • Zenzl Mühsam: Eine Auswahl aus ihren Briefen. Herausgegeben von Uschi Otten und Chris Hirte. Erich-Mühsam-Gesellschaft, Lübeck 1995, ISBN 3-931079-11-2
  • Der Leidensweg Erich Mühsams. Mit einem Vorwort von Werner Hirsch; Mopr-Verlag: Zürich 1935

Literatur

  • Michaela Karl: Zenzl Mühsam: Die unbeugsame Witwe. In: Bayerische Amazonen – 12 Porträts. Pustet, Regensburg 2004, ISBN 3-7917-1868-1, S. 96–115.
  • Uschi Otten: „Den Tagen, die kommen, gewachsen zu sein“. Zur Lebensgeschichte der Kreszentia Mühsam. In: Der Bär von Berlin. Jahrbuch 2001 des Vereins für die Geschichte Berlins. Westkreuz-Verlag, Berlin 2001, ISSN 0522-0033.
  • Uschi Otten: Überleben für das Werk Erich Mühsams. Zenzl Mühsam in der Falle des Exils. In: Simone Barck, Anneke de Rudder; Beate Schmeichel-Falkenberg (Hrsg.): Jahrhundertschicksale – Frauen im sowjetischen Exil. Lukas Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-931836-93-2, S. 128–141.
  • Reinhard Müller: Menschenfalle Moskau. Exil und stalinistische Verfolgung. Hamburger Edition, Hamburg 2001, ISBN 3-930908-71-9, S. 241–286, 377–428.
  • Frauen um Erich Mühsam – Zenzl Mühsam und Franziska zu Reventlow. Sechste Erich-Mühsam-Tagung in Malente, 12.–14. Mai 1995. Bearbeitet von Jürgen-Wolfgang Goette. Erich-Mühsam-Gesellschaft, Lübeck 1995, ISBN 3-931079-13-9.
  • Christoph Hamann: Die Mühsams – Geschichte einer Familie (= Jüdische Memoiren, Bd. 11). Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-938485-00-0.

Rezeption

Weblinks

Commons: Zenzl Mühsam – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Reinhard Müller: Menschenfalle Moskau. Exil und stalinistische Verfolgung. Hamburger Edition, Hamburg 2001, ISBN 3-930908-71-9. Abschnitt Von Prag nach Moskau, S. 147–168.
  2. Neues Deutschland, 13. August 1959, S. 2
  3. Landeshauptstadt München Redaktion: Straßenneubenennung Zenzl-Mühsam-Straße. Abgerufen am 10. Dezember 2020.
  4. Jakob Wetzel: München: Warum kaum Straßen nach Frauen benannt sind. Abgerufen am 10. Dezember 2020.
  5. Deutschlandfunk, 27. Januar 2015, [1]

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Hier ruht unser Erich Mühsam, Waldfriedhof Dahlem, Berlin, en:Ehrengrab. Da seine Frau Creszentia Zenzl 1962 im damals fast unzugänglichen Ost-Berlin beigesetzt worden war, wurde sie auf seinem Grabstein noch einmal aufgeführt.