Will Vesper

Will Vesper, 1932
Porzellan, Novellen. Leipzig, 1922, Originalausgabe. Bucheinband von Käte Vesper-Waentig

Will Vesper (* 11. Oktober 1882 in Barmen; † 11. März 1962 auf Gut Triangel bei Gifhorn, eigentlich Karl Wilhelm Vesper) war ein deutscher Schriftsteller, Literaturkritiker und Nationalsozialist.

Leben

Der Sohn einer protestantischen Bauernfamilie studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München Geschichte und Germanistik. Ab 1906 war er beim Verlag C. H. Beck als literarischer Beirat und Übersetzer tätig. Im selben Jahr heiratete er Käte Waentig (* 1879 in Zittau), die ältere Schwester des späteren Höri-Künstlers Walter Waentig. Sie illustrierte einige seiner Werke, zum Beispiel Die Ernte aus acht Jahrhunderten deutscher Lyrik (1906–1908). 1913/1914 war er in Florenz. Am Ersten Weltkrieg nahm Vesper von 1915 bis 1918 zuerst als Infanterist und gegen Kriegsende als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ im Generalstab teil. 1919 zog er mit seiner ersten Frau nach Meißen.

Nach einer zweijährigen Tätigkeit als Leiter des Kulturteils der Deutschen Allgemeinen Zeitung von 1918 bis 1920 betätigte Vesper sich von 1923 bis 1943 als Herausgeber der Zeitschrift Die schöne Literatur (ab 1931[1] unter dem Titel Die Neue Literatur), die zur führenden NS-Literaturzeitschrift wurde. Seine eigenen Rezensionen schrieb er unter dem Pseudonym "Jörn Oven". Im Gau Sachsen wurde Vesper zudem Landesleiter der Reichsschrifttumskammer.[2] Daneben veröffentlichte er eigene Romane, Erzählungen und Gedichte. Seine Werke befassten sich überwiegend mit der deutschen Vergangenheit und vor allem der germanischen Urzeit. In ihnen vertrat er eine dezidiert nationalistische Auffassung, die ihn, zusammen mit einer Glorifizierung und Verherrlichung der Liebe zu Scholle, Mutterschaft und Krieg, als Repräsentanten der NS-Ideologie prädestinierten. Sein bekanntestes Werk, Das harte Geschlecht, über die Christianisierung Islands erschien 1931 und wurde im Mai 1933 im Völkischen Beobachter als „blutsatt durchtränkter Nordlandroman“ gefeiert.[3]

Bereits Anfang der 1930er Jahre konnte Vesper vom Bertelsmann-Verlag als Autor gewonnen werden.

1931 trat Vesper, der laut Thomas Mann schon „immer einer der ärgsten nationalistischen Narren“[4] gewesen war, in die NSDAP ein. Nach dem Ausschluss missliebiger Schriftsteller aus der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste, wie Thomas Mann, Leonhard Frank und Alfred Döblin, rückte Vesper am 5. Mai 1933 neben Hans Friedrich Blunck, Hans Carossa, Hans Grimm und anderen in die Dichterakademie ein, wo er aktiv an den Vorbereitungen zu den Bücherverbrennungen teilnahm.[5] Bei der Verbrennung als „undeutsch“ verhöhnter Literatur am 10. Mai 1933 in Dresden hielt Vesper die Festrede. Er gehörte auch zu den 88 Schriftstellern, die im Oktober 1933 das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Adolf Hitler unterzeichneten.[3]

Ebenfalls ab Oktober 1933 schrieb er regelmäßig Artikel für die nationale, die Stellung des starken Staates betonende Wochenzeitschrift Deutsche Zukunft.[6] In seiner Literaturzeitschrift Die Neue Literatur übte Vesper eine Art private Nachzensur aus, indem er Schriftsteller und Verlage, die nicht seinen persönlichen Vorstellungen entsprachen, regelrechten Diffamierungskampagnen aussetzte. Im Februar 1937 erschien beispielsweise ein vom nationalsozialistischen Rassismus geprägtes Pamphlet, in dem Vesper gegen „jüdische“ Verleger wetterte: „Wenn ein deutsches Mädchen ein Verhältnis mit einem Juden hat, so werden beide wegen Rassenschande mit Recht verurteilt. Wenn ein deutscher Schriftsteller und ein deutscher Buchhändler ein Verhältnis mit jüdischen Verlegern eingeht – ist das nicht eine weit schlimmere und gefährlichere Rassenschande?“[3]

Da Vesper auch vor Angriffen auf die staatliche Schrifttumslenkung nicht zurückschreckte, verlor er zunehmend an Rückhalt, sodass er sich 1936 von seinen Ämtern auf das Gut seiner zweiten Frau Rose Vesper (verwitwete Rimpau) in Triangel bei Gifhorn zurückzog. Hier betätigte er sich als Landwirt, gab aber bis zum Jahre 1943 weiterhin seine Literaturzeitschrift heraus. Vesper stellte sich wie kaum ein anderer Schriftsteller in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda und polemisierte, neben reiner Parteidichtung und zahlreichen „Führergedichten“,[3] besonders aggressiv gegen nicht genehme Schriftstellerkollegen, vor allem gegen Exilanten. Ein Beispiel dafür: Vesper hetzte im Februar 1937 gegen

„den Verlag Dr. Rolf Passer (früher Epstein), der die schlimmsten Deutschenhasser wie Urzidil und den üblen Geschichtsfälscher Tschuppik verlegt und Werke voll Fäulnis und Niedertracht nach Deutschland schmuggelt, wie das eben erschienene angeblich aus dem Amerikanischen übersetzte Buch ‚Die Asiaten‘ von Frederic Prokosch, dem man sicher kein Unrecht tut, wenn man ihn für einen Juden hält. Jedenfalls sein ‚Roman einer Reise‘ ist jüdisch, nihilistisch und voll zersetzenden Geschwätzes. Ein geistiger Warenhausschwindel für dumme Intellektuelle, der aber eine teuflische Müdigkeit und Lasterhaftigkeit ausstrahlt. […]
Es genügt aber nun keineswegs, daß man eine einzelne solche Ratte erwischt und hinauswirft. Es gilt einen Weg zu finden, das deutsche Volk vor der schleichenden Hinterhältigkeit aller jüdischen Verlage der Welt unbedingt zu schützen. Bücher aus Judenverlagen müssen in deutschen Buchhandlungen als jüdisch gekennzeichnet werden. Kann man die Verleger draußen nicht fassen, dann müssen die deutschen Buchhändler selbst einen Weg finden, Bücher aus Judenverlagen deutlich als solche kenntlich zu machen. Die Liste der offenen und getarnten Judenverlage kann jeweils mitgeteilt werden. Die Bücher dieser Verlage müssen dann ein deutliches Kennzeichen tragen, etwa den Stern Judas. Wir verlangen nichts als Offenheit. Wer kann dagegen sein oder sich darüber beklagen, wenn er nicht im Dunkeln Schändliches oder Schädliches zu verbergen hat?“

Bereits 1935 hatte Vesper in einem Alleingang versucht, auf die „national“ gesinnten Autoren des österreichischen Zsolnay Verlags einzuwirken, da dieser ein „Judenverlag“ sei.

Nach dem Krieg war Vesper als Herausgeber im Bertelsmann-Verlag tätig. Er engagierte sich weiterhin in rechtslastigen Kreisen durch Lesungen auf Dichtertagen bei Hans Grimm („Volk ohne Raum“) in Lippoldsberg sowie auf dem Gut seiner Frau in Triangel bei Gifhorn. Im Park des Gutes ließ er Katzen als „die Juden unter den Tieren“ erschießen.[7] Am 11. März 1962 starb er auf dem Gutshof.

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden mehrere Werke von Vesper auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[8] Dies gilt auch für die österreichische Liste der gesperrten Autoren und Bücher.[9]

Bekannt wurde auch sein Sohn Bernward Vesper, dessen Roman Die Reise (1977) unter anderem das zwiespältige Verhältnis zum Vater aufarbeitet.

Werke

Romane, Erzählungen, Märchen

  • Der Segen, 1905
  • Hartmann von Aue: Lieder, Der arme Heinrich (Nachdichtung), 1906
  • Tristan und Isolde (Nacherzählung), 1911
  • Parzival (Nacherzählung), 1911
  • Martin Luthers Jugendjahre, 1918
  • Der Balte, 1919
  • Annemarie, 1920
  • Traumgewalten, 1920
  • Das Buch vom lieben Weihnachtsmann, 1920
  • Gute Geister, 1921
  • Die Nibelungensage (Nacherzählung), 1921
  • Daniel Defoe. Leben und Abenteuer des Robinson Crusoe (Bearbeitung), 1922
  • Die Gudrunsage (Nacherzählung), 1922
  • Fröhliche Märchen (Neuerzählung), 1922
  • Porzellan, 1922
  • Die Wanderung des Herrn Ulrich von Hutten, 1922
  • Die ewige Wiederkehr, 1922
  • Der arme Konrad, 1924
  • Der Pfeifer von Niclashausen, 1924 (Erzählung über den fränkischen Prediger Hans Böhm)
  • Der Bundschuh zu Lehen, 1925
  • Jonathan Swift: Lemuel Gullivers vier Reisen (Nacherzählung), 1927
  • Der Heilige und der Papst, 1928
  • Die Historie von Reinecke dem Fuchs (Nacherzählung), 1928
  • Das Mutterbüchlein, 1928
  • Tiermärchen aus aller Welt (Nacherzählung), 1928
  • Das harte Geschlecht, 1931
  • Sam in Schnabelweide, 1931
  • Drei Erzählungen, 1933
  • Ein Tag aus dem Leben Goethes, 1933
  • Der entfesselte Säugling, 1935
  • Geschichten von Liebe, Traum und Tod, 1937
  • Kämpfer Gottes, 1938
  • Im Flug nach Spanien, 1943
  • Der unzufriedene Igel, 1943
  • Seltsame Flöte, 1958
  • Zauber der Heide, 1960
  • Letzte Ernte, 1962

Dramen, Schwänke

  • Spiele der Liebe, 1913
  • Die Liebesmesse, 1913
  • Wer? Wen?, 1927
  • Eine deutsche Feier, 1936

Lyrik

  • Die Liebesmesse und andere Gedichte, 1913
  • Vom großen Krieg 1914, 1915
  • Der blühende Baum, 1916
  • Briefe zweier Liebenden, 1916
  • Schön ist der Sommer, 1918
  • Das Buch vom lieben Weihnachtsmann, 1920
  • Mutter und Kind, 1920
  • Des Wiesenmännchens Brautfahrt, 1920
  • Inschriften und Gedichte, 1928
  • Dem Führer, 1933
  • Kranz des Lebens. Gesamtausgabe meiner Gedichte, 1934
  • Rufe in die Zeit. Sprüche und Gedichte, 1937
  • Das Neue Reich, 1939
  • Bild des Führers, 1942
  • Dennoch!, 1944
  • Kleiner Kranz des Lebens. Auswahl, 1960

Essays, Bearbeitungen

  • Friedrich Hölderlin: Hyperion (Nachwort), 1921
  • Lob der Armut, 1921
  • Die Jugendbibel (Bearbeitung), 1927
  • Das Recht der Lebenden, 1927
  • In den Bergen, auf dem Wasser (Einführung), 1928
  • Die Weltenuhr, 1932
  • Rezension von Heinrich Hauser: Im Kraftfeld von Rüsselsheim, in: Die Neue Literatur, 41, 1940, S. 1681[10]

Literatur

  • Gisela Berglund: Der Kampf um den Leser im Dritten Reich. Die Literaturpolitik der „Neuen Literatur“ (Will Vesper) und der „Nationalsozialistischen Monatshefte“ (= Deutsches Exil 1933–45; 11). Heintz, Worms 1980, ISBN 3-921333-11-3.
  • Romeo Felsenreich: Die Journalisten des Völkischen Beobachters – Woher kamen sie? Wohin gingen sie?, Universität Wien, Magisterarbeit, Fachbereich Publizistik und Kommunikationswissenschaften, September 2012, insbesondere S. 112–113.
  • Alexander Reck (Hrsg.): Briefwechsel Paul Ernst – Will Vesper 1919–1933. Einführung – Edition – Kommentar. Königshausen und Neumann, Würzburg 2003, ISBN 3-8260-2427-3.
  • Uwe Day: Hohepriester des Hitlerkults und literarischer Inquisitor. Über Will Vesper. In: Griffel, Hannover, 9, 2000, S. 61–73.
  • Böckelmann/Fischler: Bertelsmann. Hinter der Fassade des Medienimperiums. Eichborn, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-8218-5551-7, S. 66, 84f., 92, 110.
  • Ulrich Dittmann: Vesper, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-5, S. 774 (Digitalisat).
  • Reinhard Bein: Hitlers Braunschweiger Personal. DöringDruck, Braunschweig 2017, ISBN 978-3-925268-56-4, S. 284–291.
  • Wilhelm Pleyer: Hans Grimm, E. G. Kolbenheyer, Will Vesper. Gedenkrede (am 15. Juli 1962 aus Anlass des Lippoldsberger Dichtertages). Bogen-Verlag, München u. a. 1962.
  • Bernward Vesper: Die Reise. Romanessay. März bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main, 1977.

Mitgliedschaften (Auswahl)

Weblinks

Commons: Will Vesper – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Will Vesper, 1882–1962. „Datenbank Schrift und Bild 1900–1960“
  • Zum Geburtstag von Will Vesper. (Nicht mehr online verfügbar.) WDR 5-Sendung „ZeitZeichen“, 11. Oktober 2007, ehemals im Original; abgerufen am 30. August 2017.@1@2Vorlage:Toter Link/www.wdr5.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)
  • Literatur von und über Will Vesper im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Werke von und über Will Vesper in der Deutschen Digitalen Bibliothek

Einzelnachweise

  1. Jahresangabe siehe Gisela Berglund: Der Kampf um den Leser im Dritten Reich. Die Literaturpolitik der „Neuen Literatur“ (Will Vesper) und der „Nationalsozialistischen Monatshefte“ (= Deutsches Exil 1933–45; 11). Heintz, Worms 1980, ISBN 3-921333-11-3, S. 1.
  2. Victor Klemperer: LTI – Notizbuch eines Philologen, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-15-020520-4.
  3. a b c d Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 630.
  4. Thomas Mann: Brief an Hermann Hesse vom 16. Februar 1936. In: Hermann Hesse / Thomas Mann: Briefwechsel. Frankfurt am Main 1968, S. 64 f, hier S. 65.
  5. vgl. Hildegard Brenner: Ende einer bürgerlichen Kunst-Institution. Die politische Formierung der Preußischen Akademie der Künste ab 1933. Hrsg.: Institut für Zeitgeschichte, Stuttgart (dva) 1972, S. 22, 81 f., 93, 97 f., 100 f., 104, 109, 114 f.
  6. Thomas Dietzel, Hans-Otto Hügel: Deutsche literarische Zeitschriften 1880–1945. Ein Repertorium. Walter de Gruyter, 2012, S. 315.
  7. Zitat bei Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 630.
  8. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur. Zentralverlag, Berlin, 1946, Transkript Buchstabe V, Seiten 426–433, in der „Datenbank Schrift und Bild 1900–1960“, abgerufen am 30. August 2017.
    Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur: Erster Nachtrag. Zentralverlag, Berlin, 1947, Transkript Buchstabe V, Seiten 155–160, in der „Datenbank Schrift und Bild 1900–1960“, abgerufen am 30. August 2017.
  9. Österreichisches Bundesministerium für Unterricht (Hrsg.): Liste der gesperrten Autoren und Bücher. Maßgeblich für Buchhandel und Büchereien. Ueberreuter, Wien, 1946, S. 60.
  10. Beide Nationalsozialisten einte eine unkritische Technikbegeisterung. Vesper war Herausgeber der Zeitschrift.

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