Wichmann I.

Eintrag Wichmanns als Uuihnman in einem Gruppeneintrag der ottonischen Königsfamilie und ihrer wichtigsten Helfer von 929 im Reichenauer Verbrüderungsbuch, Zürich, Zentralbibliothek, Rh. hist. 27, pag. 63.[1]

Wichmann I. der Ältere (* um 900; † 23. April 944?) war Graf im Bardengau.

Wichmann entstammte der mit Abstand einflussreichsten und vornehmsten Verwandtengruppe des nördlichen Sachsens.[2] Er war der ältere Bruder Hermann Billungs, des Stammvaters des Adelsgeschlechtes der Billunger. Wichmann hatte einen weiteren Bruder, Amelung, Bischof von Verden. Die Eheschließung mit einer Schwester der Königin Mathilde aus dem Geschlecht Widukinds dürfte Wichmanns Ansehen noch zusätzlich erhöht haben. Ob es sich dabei um Bia, Fridarun oder Peretheid handelt, ist umstritten.[3] Nach wohl herrschender Auffassung handelte es sich um Bia.[4]

Als Schwager des Königs könnte Wichmann darüber hinaus auch zu Heinrichs I. engeren Vertrauten gehört haben. Nach Heinrichs I. Tod bestimmte dessen Sohn König Otto I. nicht Wichmann, sondern dessen jüngeren Bruder Hermann Billung zum „princeps militae“ in Ostsachsen. Möglicherweise wollte er damit eine weitere Steigerung von Wichmanns Ansehen vermeiden, das einer Ausweitung des königlichen Herrschaftsanspruchs im Wege gestanden hätte. Vielleicht hatte Wichmann aber auch dem Lieblingssohn Mathildes, Heinrich, näher gestanden als Otto. Jedenfalls verließ Wichmann nach dieser Zurücksetzung – Krankheit vorschützend – gekränkt das Heer und schloss sich dem Aufstand des ebenfalls übergangen Halbbruders Ottos I. Thankmar an. Als sich die Niederlage Thankmars und seiner Verbündeten abzuzeichnen begann, söhnte er sich mit dem König aus. Die um das Jahr entstandenen Quedlinburger Annalen berichten darüber zum Jahr 939, während die um 1200 entstandenen Magdeburger Annalen das Ereignis dem Jahr 941 zuordnen. Beiden gemeinsam ist jedoch der Hinweis auf eine demütige Unterwerfung Wichmanns, die der Aussöhnung vorausging.

Die nach Wichmann selbst benannte Wichmannsburg, eine ehemalige Wasserburg bei Wichmannsburg in der Gemeinde Bienenbüttel, scheint seine bevorzugte Residenz gewesen zu sein.[5]

Wichmann hatte sechs Kinder.[6] Seine Söhne Wichmann II. und Ekbert der Einäugige, die am Königshof erzogen worden waren, fühlten sich nach seinem Tod 944[7] von ihrem Onkel Hermann Billung um ihr Erbe gebracht und wurden in ihrem Kampf gegen den Onkel und den König zu Rebellen der Ottonen-Zeit. Die Töchter Frideruna und Imma von gründeten das Kloster Kemnade an der Weser in der Nähe des Ortes Bodenwerder. Der vermutliche Sohn Brun I. von Verden war Bischof von Verden und gründete das Kanonissinenstift Oldenstadt bei Uelzen. Die Tochter Hathui war mit Siegfried, ältester Sohn des Markgrafen Gero, verheiratet.[8]

Anmerkungen

  1. Identifikation nach Donald C. Jackman: König Konrad, die letzten Karolinger und ihre sächsischen Verwandten. in: Hans-Werner Goetz: Konrad I. - auf dem Weg zum 'Deutschen Reich' ?. Winkler, Bochum 2006, S. 84 Anmerkung 29.
  2. Gerd Althoff: Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger und Ottonen. (= Münstersche Mittelalter-Schriften. Band 47). Fink, München 1984, ISBN 3-7705-2267-2, S. 73.
  3. Gerd Althoff: Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger und Ottonen. (= Münstersche Mittelalter-Schriften. Band 47). Fink, München 1984, ISBN 3-7705-2267-2, S. 73f.
  4. Eduard Hlawitschka: Kontroverses aus dem Umfeld von König Heinrichs I. Gemahlin Mathilde. in: Ernst-Dieter Hehl, Hubertus Seibert, Franz Staab (Hrsg.): Deus qui mutat tempora. Menschen und Institutionen im Wandel des Mittelalters. Festschrift für Alfons Becker zu seinem fünfundsechzigsten Geburtstag. Thorbeke, Sigmaringen 1987 S. 33–54, hier S. 50–54 mit eingehender Untersuchung der von Gerd Althoff vorgebrachten Argumente.
  5. Karl Kayser: Chronik des im Hannoverschen Amte Medingen belegenen Kirchspiels Wichmannsburg. Meyer, Hannover 31. Dezember 1878, S. 14.
  6. Karl Kayser: Chronik des im hannoverschen Amte Medingen belegenen Kirchspiels Wichmannsburg. Meyer, Hannover 31. Dezember 1878, S. 14.
  7. Die Angaben zum Todesjahr und -tag bleiben fraglich. Zum Eintrag in der Fuldaer Memorialüberlieferung, die das Todesjahr 944 sicherstellen soll, vgl. Karl Schmid: Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittelalter, Band 1–3. Fink, Münster 1978, hier Band 1, S. 330 (zu 944 Nr. 12), der Eintrag Wichmanns wurde aus "L." (= Gottfried Wilhelm Leibniz: Scriptores rerum Brunsvicensium. Band 1–3. Foerster, Hannover 1707–1711, hier Band 3, S. 763: "DCCCCXLIV. Wigmann Comes"; vgl. Georg Waitz in: Annales necrologi Fuldenses. In: MGH Scriptores Band 16. Hahn, Hannover 1881, S. 161–218, hier S. 197) ergänzt, dessen Edition die seither verloren gegangenen Blätter der zerteilten Fuldaer Handschrift (Rom, Bibliotheca apostolica Vaticana, Ottobonianus lat. 2531 und Fulda, Hessische Landesbibl., Ms B 1, früher Sc.3.e34, vgl. Waitz ebd. S. 165; Otto Gerhard Oexle: Die Überlieferung der fuldischen Totenannalen. In Karl Schmid: Die Klostergemeinschaft von Fulda, Band 2, 2, S. 447–504, hier S. 449–453) eines Fuldaer Necrologs überliefert. Wichmann fehlt in den Auszügen aus dem Codex Leiden, Ms. Scaliger 49 (ebd. S. 233–270) und ist daher auch im Register ebd. Band 2,1, S. 212 nicht aufgeführt (die beiden Mönche gleichen Namens kommen nicht in Betracht). Auch bei Ernst Dümmler: Aus einer Fuldischen Handschrift (sc. Codex Leiden, Ms. Scaliger 49). In: Forschungen zur Deutschen Geschichte (Wikisource: Forschungen zur Deutschen Geschichte) 16, 1876, S. 168–177, hier S. 171–177 findet sich lediglich zum 12. Januar ein Wigmannus presbyter et monachus, der aber nicht mit Graf Wichmann identisch sein kann. Zum Eintrag im Necrolog von St. Michael zu Lüneburg, der den Todestag liefern soll, vgl. MGH Libri memoriales et necrologia nova series II Die Totenbücher von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg, hg. von Gerd Althoff, Joachim Wollasch, Hannover 1883, S. 25, wo zum 23. April ein Wichmannus comes eingetragen ist. Die Zuweisung zum 23.4. ist jedoch unsicher, da im Lüneburger Necrolog auch am 12. Mai ein sonst unbekannter Graf dieses Namens eingetragen ist.
  8. Karl Kayser: Chronik des im Hannoverschen Amte Medingen belegenen Kirchspiels Wichmannsburg. Meyer, Hannover 3. Dezember 1878, S. 14.

Literatur

  • Gerd Althoff: Wichmann I., II. In: Lexikon des Mittelalters, Band 9, 1998, Sp. 60.
  • Hans K. Schulze: Hegemoniales Kaisertum. Ottonen und Salier. Siedler, 2. Auflage Berlin 1994, S. 179f.
  • Matthias Becher: Rex, Dux und Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums. Matthisen, Husum 1996, S. 237.
  • Rudolf Köpke, Ernst Dümmler: Kaiser Otto der Große (Jahrbücher der deutschen Geschichte). Duncker und Humblot, Leipzig 1876, S. 57, S. 72–74; S. 579.
  • Johannes Laudage: Otto der Große. Eine Biographie. Pustet, Regensburg 2001, S. 111f.; 228.

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Namenseintrag Ottos I. als König seiner Familie im Reichenauer Verbrüderungsbuch. Zürich, Zentralbibliothek, Rh. hist. 27, pag. 63