Weltpostkongress 1874

I. Weltpostkongress
VeranstaltungsortBern, Rathaus zum Äusseren Stand, Schweiz
Zeitraum15. September bis 9. Oktober 1874
Dauer25 Tage
DoyenEugène Borel
Mitgliedsländer22
Teilnehmerländer22
Delegierte33+9 Attachés
Vorschläge14

Die Konstituierende Sitzung des Weltpostvereins, damals noch als „allgemeiner Postverein“ bezeichnet, fand zwischen dem 15. September und 9. Oktober 1874 in Bern statt und ist damit der erste Weltpostkongress. Unter dem Vorsitz von Bundesrat Eugène Borel, dem damaligen Vorsteher des Eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartements, trafen sich die Abgeordneten von 22 Staaten.

Im festlich geschmückten Saal im Rathaus zum Äusseren Stand berieten die Bevollmächtigten der 22 Länder (eigentlich waren es nur 21 Länder, da Österreich-Ungarn damals ein Land war) über den ausgearbeiteten Vertragsentwurf über die Einrichtung eines allgemeinen Postvereins des deutschen Generalpostdirektors Heinrich von Stephan. Am 9. Oktober 1874 wurde der Weltpostvertrag[1] ratifiziert und trat am 1. Juli 1875 in Kraft. Damit zählt er zu den ältesten Internationalen Organisationen, nur die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt von 1815 und die Internationale Fernmeldeunion von 1865 sind älter.

Teilnehmerländer und Delegierte

Am Kongress nahmen offiziell 42 Delegierte aus 21 Ländern teil:[2]

Die 42 Teilnehmer des Kongresses; das Land ist am oberen Rande, der Nachname am unteren Rande des jeweiligen Ovals angegeben (im Zentrum: Eugène Borel). Dekorativ im Uhrzeigersinn sind die damaligen Posttransportmittel (Schiff, Brieftaube, Ballon, Kutsche und Zug) verwendet.
Gründungskongress im Deutschen Reichsanzeiger
  1. Ägypten (Dynastie des Muhammad Ali): Muzzi Bey und Chioffi
  2. Belgien: Vinchent, J. Gife und M. Fassiaux
  3. Dänemark: Dr. Fenger
  4. Deutsches Reich: Heinrich von Stephan, Karl Johann Wilhelm Günther als Delegierte und Robert Julius Hagemann als Beigeordneter
  5. Königreich Griechenland: A. Mansolas und A. H. Bétant
  6. Königreich Italien (1861–1946): Com.dr Tantesio
  7. Luxemburg: V. De Roebe
  8. Niederlande: Baron B. Sweerts de Landas Wyborgh; Hofstede
  9. Norwegen: C. Oppen
  10. Österreich-Ungarn: Wilhelm Freiherr von Kolbensteiner, Franz Pilhal, P. Heim und M. Gervay
  11. Portugal: De Castel-Branco und Eduardo Lessa
  12. Königreich Rumänien: George F. Lavovari
  13. Russisches Kaiserreich: Baron de Velho und Georges Poggenpohl
  14. Schweden: Adolf Wilhelm Roos
  15. Schweiz: Wilhelm Matthias Naeff, Eugène Borel, Joachim Heer (Landammann des Kanton Glarus). Als beigeordnete Beamte nahmen Oberpostsektretär Abraham Alexander Steinhäuslin und L. M. Fuchs, Oberpostkontrolleuer in Bern, an den Verhandlungen teil. Als Sekretäre des Kongresses waren Edmund Höhn (1838–1899), damals Chef der Hauptabteilung der Oberpostdirektion, und Camille Delessert (1835–1919), Kreispostkontrolleur von 1877 bis 1919 Kreispostdirektor in Lausanne, tätig.[3]
  16. Königreich Serbien: Mladen Z. Radojkovitsch
  17. Spanien: Angel Mansi und Emilio C. de Navasques
  18. Osmanisches Reich (Türkei): Yanco Macridi
  19. Vereinigtes Königreich: W. J. Page und Mac Lean
  20. Vereinigte Staaten von Amerika: Joseph H. Blackfan und Rambusch
  21. Frankreich: Besnier (Frankreich war beim Gründungskongress vertreten, konnte aber erst nach Zustimmung der Nationalversammlung zum 1. Januar 1876 beitreten).

Beschlüsse

Neben dem Hauptbeschluss, einen allgemeinen Postverein zu gründen, wurden die internationale Zusammenarbeit der Postbehörden sowie die Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Postverkehrs geregelt. Als Hauptsitz des Weltpostvereins wurde Bern, mit dem ebenfalls neu geschaffenen Internationalen Büro, gewählt.

Im postalischen Bereich wurden für Briefe, Postkarten, Drucksachen und Zeitungen Regelungen getroffen. Die Verwendung von Postwertzeichen des Aufgabelandes war vorgeschrieben, unfrankierte Sendungen wurden mit doppelter Gebühr belegt. Die Transitgebühr wurde verringert.[4] So war der Kongress ein Werk der Verständigung, das in die Zukunft weisen sollte. Der Gedanke des öffentlichen Nutzens eines verbilligten Verkehrs ohne ängstliche Souveränitätsansprüche der Einzelstaaten hatte sich durchgesetzt.[5]

Literatur

  • Archiv für deutsche Postgeschichte (Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte):
    • Marc Moser: 100 Jahre Weltpostverein; Teil 1 in Heft 1/1974 und Teil 2 in Heft 1/1975
  • Heinrich von Stephan: Denkschrift, betreffend den allgemeinen Post-Congreß. Amtsblatt Nr. 15, vom 3. August 1871, S. 154–156
  • Handwörterbuch des Postwesens:
    • 1. Auflage; 1926: S. 683–684
    • 2. Auflage; 1953: S. 780 (gleicher Aufsatz wie in der 1. Auflage mit Ergänzungen)
    • 1. Nachtrag zur 2. Auflage; 1956: Erwin Müller-Fischer: Zeittafel zur Geschichte des Postwesens
  • Geschichte der Deutschen Post
    • Band 3: Geschichte der Deutschen Reichspost 1871 bis 1945 von Karl Sautter; Bundesdruckerei; Frankfurt; 1951

Einzelnachweise

  1. s:Vertrag, betreffend die Gründung eines allgemeinen Postvereins
  2. Treaty Concerning the Formation of a General Postal Union: Signed at Berne, October 9, 1874. U.S. Government Printing Office, 1875, S. 37 (google.de).
  3. Marc Moser: 100 Jahre Weltpostverein; in: Archiv für deutsche Postgeschichte (Hrsg.: DGPT); Heft 1/1974; S. 24
  4. Marc Moser: 2. Teil; S. 24
  5. Marc Moser: 2. Teil; S. 29

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Congres Postal International 1874.jpg
Congres Postal International 1874 (Das Original befindet sich im Museum für Kommunikation Frankfurt)
Weltpostverein-1874.jpg

Der internationale Postkongreß ist heute in Bern eröffnet worden. Die Hauptgrundzüge für denselben, insoweit dieselben nicht Bestimmungen betreffen, welche bereits durchgängig in den internationalen Postverträgen Eingang gefunden haben können in Folgendem zusammengefaßt werden:

1) Jede Verwaltung behält die gemachten Einnahmen für sich, bezieht somit von den versendeten frankirten Korrespondenzen die Francotaxe und von den empfangenen unfrankirten und ungenügend frankirten Briefen die Portotaxen. 2) Transitporto wird nichtvergütet, es sei denn, daß die Staaten, über welche die Sendungen transitieren, für diese nachgewiesene wirkliche und erhebliche Kosten zu bestreiten haben, in welchem Falle die Auslagen zu vergüten wären. 3) Für die Seebeförderung sollen, wenn dieselbe mehr als 300 Knoten beträgt, billige Taxen vergütet werden. 4) Alle Sendungen sollen rekommandirt werden können; alle rekommandirten Sendungen müssen frankirt sein; für jeden verlorenen rekommandirten Gegenstand sind 50 Francs zu vergüten. 5) Die Frankirung muß mit Marken erfolgen; auf ungenügend frankirten Gegenständen wird der Markenwerth von der Normal-Portotaxe in Abzug gebracht. 6) Befreiungen vom Porto oder Ermäßigungen desselben finden nicht statt. 7) Für die Sendungen werden stets die schnellsten den Postverwaltungen zu Gebote stehenden Routen gewählt. 8) Streitigkeiten zwischen den vertragenden Verwaltungen werden durch Schiedsgerichte geschlichtet, welche aus Verwaltungen des Weltpostvereins bestellt werden. 9) Zur weiteren Ausbildung des Weltpostvereins und zur Einführung von Verbesserungen sollen periodische Konferenzen abgehalten werden.

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