Walter Burkert

Walter Burkert (* 2. Februar 1931 in Neuendettelsau; † 11. März 2015 in Uster[1]) war ein deutscher Klassischer Philologe und wurde als Kenner der griechischen Religion und Mysterienkulte bekannt.

Leben und Wirken

Walter Burkert studierte Altphilologie, Geschichte und Philosophie an der Universität Erlangen und der Universität München und wurde 1955 an der Universität Erlangen zum Doktor der Philosophie promoviert. 1962 habilitierte er sich in Nürnberg mit Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon. 1965 hielt er sich als Fellow am Center for Hellenic Studies in Washington, D.C. auf.

Er war von 1966 bis 1969 Professor für Altphilologie an der Technischen Universität Berlin und von 1969 bis 1996 an der Universität Zürich. Er war Gastprofessor an der Harvard University, an der University of California, wo er von 1976 bis 1977 Sather Professor war, und an der Universität St Andrews in Schottland, wo er von 1988 bis 1989 die Gifford Lectures hielt.

Früher als andere Altphilologen zog Burkert außerliterarische ikonografische Quellen heran und bezog über den Raum der Klassischen Antike auch die Kulturen des Vorderen Orients ein.[1] Nach der Lehre James Frazers und der Cambridge Ritualists hat Burkert in seinen Studien hervorgehoben, dass eine enge Verbindung zwischen religiösen Ritualen und Mythen besteht. Im Gegensatz zu diesen räumt er aber der Gewalt einen wichtigen Platz im Schöpfungsprozess der menschlichen Kultur ein: Für Burkert ist die Gewalt einer der ursprünglichsten biologischen Mechanismen, der die menschlichen Gesellschaftsformen prägt.[2]

Ehrungen

Walter Burkert erhielt zahlreiche akademische Ehrungen, darunter 1982 die Carl-Friedrich-Gauß-Medaille der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft[3] und 1990 den Balzan-Preis für Altertumswissenschaften. Er war Ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Academia Europaea (1995),[4] Corresponding Fellow der British Academy, Korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Foreign Member der American Philosophical Society und der American Academy of Arts and Sciences, Honorary Member der Society for the Promotion of Hellenic Studies. Er war seit 1999 Träger des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste. Er erhielt Ehrendoktortitel von der University of Toronto (1988), der Universität Freiburg (Schweiz) (1989), der Augustana-Hochschule Neuendettelsau (1993), der University of Oxford (1996) und der University of Chicago (2001). 2003 erhielt er den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa und 2008 wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern geehrt.

Schriften

Walter Burkert verfasste siebzehn Bücher und Hunderte von Artikeln, einschließlich Beiträgen für Enzyklopädien. Einige publizierte er auf Englisch oder Italienisch, andere wurden ins Französische, Spanische, Neugriechische, Türkische, Norwegische, Portugiesische, Polnische und Serbische übersetzt.[1] Zu seinen wichtigsten Werken gehören:

  • Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon (= Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, Band 10). Hans Carl, Nürnberg 1962, DNB 482337109 (Habilitationsschrift Universität Erlangen-Nürnberg, Philosophische Fakultät, 21. April 1961, 496 Seiten).
  • Iranisches bei Anaximandros. In: Rheinisches Museum für Philologie. Neue Folge 106, 1963, S. 97–134.
  • Homo Necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen. Berlin 1972, ISBN 3-11-003875-7.
  • Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche. Die Religionen der Menschheit 15. Stuttgart 1977, ISBN 3-17-004345-5 (2. überarb. und erw. Aufl. 2011, ISBN 978-3-17-021312-8).
  • Structure and History in Greek Mythology and Ritual. Berkeley 1979, ISBN 0-520-04770-2.
  • Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur. Heidelberg 1984, ISBN 3-533-03528-X.
  • Antike Mysterien, Funktionen und Gehalt. München 1987, ISBN 3-406-34259-0.
  • Klassisches Altertum und antikes Christentum. Berlin 1996, ISBN 3-11-015543-5.
  • Kulte des Altertums. Biologische Grundlagen der Religion. München 1998, ISBN 3-406-43355-3.
  • Die Griechen und der Orient. München 2004, ISBN 3-406-50247-4.

Seine kleineren Arbeiten wurden in 8 Bänden neu aufgelegt. Die Ausgabe ist vollständig:

  • Kleine Schriften I – Homerica. Hrsg. von Christoph Riedweg. Göttingen 2001, ISBN 978-3-525-25235-2.
  • Kleine Schriften II – Orientalia. Hrsg. von Maria Laura Gemelli Marciano. Göttingen 2003, ISBN 978-3-525-25271-0.
  • Kleine Schriften III – Mystica, Orphica, Pythagorica. Hrsg. von Fritz Graf. Göttingen 2006, ISBN 978-3-525-25272-7.
  • Kleine Schriften IV – Mythica, Ritualia, Religiosa 1. Hrsg. von Fritz Graf. Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-25277-2.
  • Kleine Schriften V – Mythica, Ritualia, Religiosa 2. Hrsg. von Fritz Graf. Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-25278-9.
  • Kleine Schriften VI – Mythica, Ritualia, Religiosa 3. Hrsg. von Eveline Krummen. Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-25276-5.
  • Kleine Schriften VII – Tragica et Historica. Hrsg. von Wolfgang Rösler. Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-25274-1.
  • Kleine Schriften VIII – Philosophica. Hrsg. von Thomas A. Szlezák und Karl-Heinz Stanzel. Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-25273-4.

Literatur

  • Izabela Taraszczuk: Walter Burkert i "Stwarzanie świętości. Ślady biologii we wczesnych wierzeniach religijnych". In: Tomasz Jaworski, Marek Maciantowicz (Hrsg.): Lasy zielonogórskie na przestrzeni wieków. Kulturowa rola lasu w dziejach. (= Zielonogórskie Studia Łużyckie. Bd. 6). Oficyna Wydawnicza Uniwersytetu Zielonogórskiego, Zielona Góra 2009, S. 253–257, ISBN 978-83-7481-278-8 (Rezension: Kulte des Altertums. Biologische Grundlagen der Religion, in Polnisch).
  • Anton Bierl, Wolfgang Braungart (Hrsg.): Gewalt und Opfer. Im Dialog mit Walter Burkert. (= MythosEikonPoiesis. Bd. 2). de Gruyter, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-022116-9.
  • Heinz Schlaffer: Das Zweistromland mit der Seele suchend. Walter Burkert lässt die alten Griechen gen Orient blicken. In: Frankfurter Rundschau, 19. März 2003.
  • Christoph Riedweg: Walter Burkert †. In: Gnomon 87 (2015), S. 666–671.
  • Fritz Graf (Hrsg.): Ansichten griechischer Rituale. Geburtstags-Symposium für Walter Burkert, Castelen bei Basel 15. bis 18. März 1996. Teubner, Stuttgart, Leipzig, 1998, ISBN 3-519-07433-8.
  • Bernhard Zimmermann: Walter Burkert (2.2.1931–11.3.2015). In: Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften für das Jahr 2015, Heidelberg 2016, S. 340–345 (online)
  • Wolfgang Schuller: Rezension: W. Burkert, Kleine Schriften II. Göttingen 2003. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. März 2003.
  • Markus Enders: Das biologistische Religionsverständnis Walter Burkerts, in: M. Enders/H. Zaborowski (Hrsg.), Phänomenologie der Religion. Zugänge und Grundfragen. Freiburg i. Br./München 2004. S. 70–77.
  • Christoph Riedweg: Nicht nur Homer. Zum 70. Geburtstag des Zürcher Altertumswissenschafters Walter Burkert. In: Neue Zürcher Zeitung, 2. Februar 2001.
  • Christoph Riedweg: Antike und Anthropologie. Zum Tod des Altphilologen Walter Burkert. In: Neue Zürcher Zeitung, 13. März 2015.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Christoph Riedweg: Antike und Anthropologie. Zum Tod des Altphilologen Walter Burkert. In: Neue Zürcher Zeitung, 13. März 2015, internationale Ausgabe, S. 46. online.
  2. Nachwort zur zweiten Auflage Homo necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen (de Gruyter, Berlin 1997, ISBN 3-11-015099-9).
  3. Liste der Preisträger*innen. In: Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft
  4. Eintrag auf der Internetseite der Academia Europaea

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