Vulkanisches Gas

Emissionswolke über dem Krater des Halemaʻumaʻu (Hawaii)

Als vulkanische Gase werden Gase bezeichnet, die im Zuge vulkanischer Aktivität an der Erdoberfläche austreten. Der Austritt kann entweder in eng umgrenzten Bereichen (z. B. am Vulkankrater, Fumarolen, Solfataren) oder über eine große Fläche diffus aus den Flanken eines Vulkans erfolgen.

Entstehung

Beim Aufstieg von Gesteinsschmelze im Schlot eines Vulkans werden, bedingt durch den abnehmenden Druck, die bislang in der Gesteinsschmelze gelösten Gase frei und entladen sich mit mehr oder weniger (auch bei 'friedlichen' Eruptionen wird eine Menge Gas freigesetzt) explosionsartigen Ausbrüchen. Auch in einer Magmenkammer unterhalb des Vulkans können durch den Prozess der fraktionierten Kristallisation die flüchtigen Bestandteile bis über die jeweilige Sättigungsgrenze in der Restschmelze angereichert werden, so dass sie dort eine eigene Phase in Form von Gasblasen bilden. Bedingt durch den Dichteunterschied zwischen den Gasen und der umgebenden Schmelze steigen die Gasblasen auf und können so auch ohne gleichzeitige Lavaförderung am Vulkan austreten.

Zusammensetzung

Austritt vulkanischer Gase am Krater des Vulcano (Italien)

An Vulkanen austretende Gase sind normalerweise ein Gemisch verschiedener Stoffe. Hauptbestandteil fast aller vulkanischen Gase sind Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Schwefeldioxid (SO2), Schwefelwasserstoff (H2S), Salzsäure (HCl) und Fluorwasserstoff (HF). In wechselnden Prozentanteilen können ferner Ammoniak, einige Edelgase, Kohlenmonoxid, Methan und Wasserstoff vorkommen. Die Gasmenge und -zusammensetzung hängt stark von der Natur der Gesteinsschmelze ab, aus der sie hervorgehen. Gase, welche aus basaltischen Schmelzen freigesetzt werden, sind CO2-dominiert, während rhyolithische Magmen insgesamt größere Mengen an hauptsächlich Wasserdampf-dominierten Gasen hervorbringen.

Bedeutung

Früher glaubte man, dass es vulkanische Gasausbrüche gibt, die sich ohne Förderung von Lava ereignen. Diese wurden u. a. für die Bildung von Maaren verantwortlich gemacht, wie sie etwa in der deutschen Vulkaneifel oder der französischen Auvergne vorkommen. Inzwischen sind sich die Vulkanologen sicher, dass Maare entstehen, wenn Grundwasser in Kontakt mit Magma kommt und dann explosionsartig verdampft (Phreatomagmatische Explosion).

Wirkungen und Dimensionen

Vulkane üben über lange und im Einzelfall auch über kurze Zeiträume mit ihren Gasemissionen einen großen Einfluss auf das Leben auf der Erde aus.

  • Über geologische Zeiträume hinweg betrachtet stellen vulkanische CO2-Emissionen einen potentiellen Klima-Rückkopplungsmechanismus dar, der die Erde wahrscheinlich vor einer dauerhaften globalen Vereisung bewahrt hat.
  • Im Bereich von Jahren kann die Emission von Schwefelfdioxid und anderen Gasen sowie vulkanischer Asche hingegen zu einer stark verminderten Sonneneinstrahlung und damit Abkühlung am Erdboden führen (→ vulkanischer Winter). So wurde 1991 in den Jahren nach der Eruption des philippinischen Vulkans Pinatubo eine Abnahme der atmosphärischen Temperaturen um etwa 0,5 Grad gemessen.
  • Ein besonderes eindrucksvolles Beispiel für die verheerende Wirkung von Vulkanausbrüchen auf das Klima stellt das sogenannte Jahr ohne Sommer dar (1816), in dem es in Nordamerika und Europa zu teilweise katastrophalen Missernten und Hungersnöten kam. Auch in Eisbohrkernen lassen sich Ascheschichten großer Vulkanausbrüche nachweisen, die mit verminderten Temperaturen verbunden waren.[1]

Ein Beispiel für die Dimension der Gasemissionen in Vulkanfahnen ist der Vulkan Popocatépetl, der etwa 60 km von der 20-Mio.-Einwohneragglomeration Mexiko-Stadt entfernt ist. In Zeiten erhöhter Aktivität etwa im Zeitraum zwischen März 1996 und Januar 1998 hatte der Popocatépetl wiederholt Ausbrüche, bei denen zeitweise über 10.000 Tonnen Schwefeldioxid pro Tag in die Atmosphäre gelangten. Das entsprach etwa einem Viertel der gesamten anthropogenen – vom Menschen verursachten – Schwefelemissionen Europas und etwa der Hälfte der Emissionen Mittel- und Südamerikas zusammen.[2]

Vulkane stoßen große Mengen Halogene wie etwa Brom oder Chlor aus, die im Verdacht stehen, einen erheblichen Einfluss auf den Ozonhaushalt zu haben.[3]

Mengenbestimmung der austretenden Gase

Die Emissionsrate eines Gases aus einem Vulkan bestimmen die Wissenschaftler dadurch, dass sie zunächst die Gesamtmenge der Substanz in einem Querschnitt der Fahne senkrecht zur Ausbreitungsrichtung mit der DOAS-Methode messen und diese dann mit der Windgeschwindigkeit multiplizieren. Die Emissionsrate gibt z. B. an, wie viel SO2 pro Sekunde, Tag oder Jahr ausgestoßen wird.[4]

Die Windgeschwindigkeit wurde früher ermittelt durch Windmessungen am Boden oder am Kraterrand. Diese erwiesen sich aber als aufwendig, ungenau und manchmal sogar gefährlich. Die erhaltenen Daten waren auch nur bedingt repräsentativ für die tatsächlich in der Vulkanfahne herrschende Windrichtung und Geschwindigkeit. Heute wird das DOAS-Verfahren für die sogenannte Korrelationsmethode verwendet, wobei das DOAS-Gerät in schnellem Wechsel auf zwei windabgewandte Blickrichtungen gerichtet wird. Das Verfahren nutzt die Tatsache aus, dass die Vulkanfahne nicht homogen durchmischt ist und die Gase eher ungleichmäßig verteilt sind. Somit ergibt sich für jede der Blickrichtungen eine strukturierte Zeitreihe. Jedes Mal, wenn eine Wolke mit erhöhter Schwefeldioxidkonzentration vorbeizieht, meldet erst der eine, kurze Zeit später der andere Messpunkt ein Maximum. Der Zeitversatz entspricht der Zeit, die die Vulkanfahne benötigt, um von der einen Blickrichtung zur anderen zu gelangen. Aufgrund der Kenntnis des Winkels zwischen den Blickrichtungen und dem Abstand zur Vulkanfahne kennt man damit auch den Abstand der zwei Blickrichtungen voneinander in der Fahne. Die Windgeschwindigkeit errechnet sich demnach aus dem Quotienten von Abstand und Zeitversatz.[4]

Entwicklung der Forschung

In neuerer Zeit wurden die Instrumente zu Beobachtung von Vulkanemissionen deutlich verbessert. 2001 nahmen Forscher der Arbeitsgruppe Atmosphäre und Fernerkundung des Instituts für Umweltphysik der Universität Heidelberg zusammen mit Wissenschaftlern der Chalmers University of Technology, Göteborg, Schweden ersten Mal DOAS-Messungen in Vulkanfahnen vor. Zwar waren spektroskopische Messungen von Schwefeldioxid in Vulkanfahnen mit anderen Verfahren schon seit den 1970er Jahren durchgeführt werden, jedoch erlaubte die neue Methode die Konstruktion viel kleinerer und dadurch handlicherer Instrumente. Auch konnten die Forscher zum ersten Mal neben Schwefeldioxid auch eine Vielzahl weiterer Spurengase, wie zum Beispiel Halogen- und Stickoxide, detektieren.[5]

Das unterschiedliche Lösungsverhalten der verschiedenen Gase im Magma hat zu der Überlegung geführt, ob Veränderungen der Gasemissionen Hinweise über das Verhalten des Magma geben könnten, z. B. Aufsteigevorgänge anzeigen und damit auch Ausbrüche ankündigen könnten. Hierzu fanden und finden Forschungen mittels systematischer Messungen statt, z. B. am Popocatépetl (Mexiko), Masaya (Nicaragua), Ätna (Italien), Gorely, Mutnovsky (beide Kamtschatka) und Nyiragongo (Kongo). Am Popocatepetl, Masaya und Ätna wurden Dauermessstationen eingerichtet.[6]

Stark verbessert wurden auch die Möglichkeiten, vulkanische Emissionen mit Hilfe von Satelliten zu messen. Seit dem Start des Global Ozone Monitoring Experiments (GOME) im Jahr 1995 haben sich durch die verbesserte spektrale Abtastung die Nachweisgrenzen deutlich verringert. Weitere Instrumente mit ähnlichen Eigenschaften (SCIAMACHY, OMI, GOME-2) sind später hinzugekommen. Durch diese stark verbesserten Nachweisgrenzen und die umfassende räumliche Abdeckung eröffnen moderne Satelliteninstrumente einen erheblich erweiterten Zugang zur globalen Überwachung der Vulkanaktivität und Quantifizierung ihrer Emissionen. So kann etwa der atmosphärische Transport von Vulkanemissionen oft über mehrere Tage hinweg anhand von Satellitenbeobachtungen verfolgt werden (in Einzelfällen über Zeiträume bis über einen Monat). Dadurch ließen sich Einflüsse von Vulkanen von regionaler bis globaler Skala untersuchen. Außerdem konnten Vulkane in entlegenen Regionen durch Satellitenbeobachtung überhaupt zum ersten Mal vermessen werden.[1]

Ergebnisse eines internationalen Wissenschaftsteams unter Leitung der Universität Southampton (UK) und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel weisen darauf hin, dass vor 56 Millionen Jahren die globalen Durchschnittstemperaturen um mindestens 5 Grad angestiegen sind. Ursache sollen starke Freisetzungen von Kohlenstoffdioxid (CO2) aus dem Mittelatlantischen Rücken sein. Der Nachweis gelang 2017 durch die chemische Untersuchung von fossilen Foraminiferen, deren Zusammensetzung vom pH-Wert des Ozeans abhängt. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre verdoppelte sich damals über einen Zeitraum von 25.000 Jahren von 800 Parts per million (ppm) auf über 2000ppm. Der heutige Wert liegt bei ca. 400ppm.[7]

Siehe auch

Literatur

  • M.F. Khokhar, C. Frankenberg, M. Van Roozendael, S. Beirle, S. Kuhl, A. Richter, U. Platt, T. Wagner: Satellite observations of atmospheric SO2 from volcanic eruptions during the time-period of 1996-2002. Advances in Space Research 36 (5), Atmospheric Remote Sensing: Earth's Surface, Troposphere, Stratosphere and Mesosphere – I, S. 879–887, doi:10.1016/j.asr.2005.04.114 (2005)
  • S. Guo, G.J.S. Bluth, W.I. Rose, I.M. Watson, A.J. Prata: N. Theys, M. Van Roozendael, B. Dils, F. Hendrick, N. Hao, M. De Mazière: First satellite detection of volcanic bromine monoxide emission after the Kasatochi eruption. Geophysical Research Letters 36, L03809, doi:10.1029/2008GL036552 (2009)
  • N. Bobrowski, G. Hönninger, B. Galle, U. Platt: Detection of bromine monoxide in a volcanic plume. Nature 423, 273–276, doi:10.1038/nature01625 (2003)
  • Christoph Kern, Ulrich Platt: Telegramm aus der Tiefe, Ruperto Carola, Ausgabe 1/2010
  • Leif Vogel: Volcanic plumes: Evaluation of spectroscopic measurements, early detection, and bromine chemistry (Deutsche Übersetzung des Titels: Vulkanfahnen: Auswertung spektroskopischer Messungen, Früherkennung und Bromchemie). Dissertation 2011, Dauer-URL auf dem Heidelberger Dokumentenserver: [1]
  • A.J. Krueger: Sighting of El Chichon sulfur dioxide clouds with the Nimbus 7 Total Ozone Mapping Spectrometer. Science 220, 1277–1379 (1983).
  • H.U. Schmincke: Vulkanismus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2000, ISBN 3-534-14102-4.
  • N. Theys, M. Van Roozendael, B. Dils, F. Hendrick, N. Hao, M. De Mazière: First satellite detection of volcanic bromine monoxide emission after the Kasatochi eruption. Geophysical Research Letters 36, L03809, doi:10.1029/2008GL036552 (2009).
  • Nicole Bobrowski: Gasemissionen, gelesen wie Hieroglyphen. In: forschung – Das Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2/2012, S. 4–9 (online: PDF; 3,34 MB)
  • Thomas Wagner, Christoph Hörmann, Marloes Penning de Vries, Holger Sihler: Globale Überwachung von Vulkanemissionen mit Satelliteninstrumenten. Forschungsbericht 2011 – Max-Planck-Institut für Chemie
  • S. Guo, G.J.S. Bluth, W.I. Rose, I.M. Watson, A.J. Prata: Re-evaluation of SO2 release of the 15 June 1991 Pinatubo eruption using ultraviolet and infrared satellite sensors. Geochemistry, Geophysics, Geosystems 5, Q04001, doi:10.1029/2003GC000654 (2004)
  • B.W. Levin, A.V. Rybin, N.F. Vasilenko, A.S. Prytkov, M.V. Chibisova, M.G. Kogan, G.M. Steblov, D.I. Frolov: Monitoring of the eruption of the Sarychev Peak Volcano in Matua Island in 2009 (central Kurile islands). Doklady Earth Sciences 435 (1), 1507–1510 (2010)
  • C. Seftor, N. Hsu, J. Herman, P. Bhartia, O. Torres, W. Rose, D. Schneider, N. Krotkov: Detection of volcanic ash clouds from Nimbus 7/total ozone mapping spectrometer. Journal of Geophysical Research 102 (D14), 16749–16759 (1997)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Thomas Wagner, Christoph Hörmann, Marloes Penning de Vries, Holger Sihler: Globale Überwachung von Vulkanemissionen mit Satelliteninstrumenten In: Forschungsbericht 2011 – Max-Planck-Institut für Chemie.
  2. Christoph Kern, Ulrich Platt: Feuerberg über der Millionenstadt. Die Sache mit dem vulkanischen und menschengemachten Schwefeldioxid. In: Scinexx (Stand 1. Oktober 2010); abgerufen am 30. Dezember 2012.
  3. Aussage von Prof. Dr. Christiane Voigt (Institut für Physik der Atmosphäre): Forschungsflüge: DLR untersucht Einfluss von Kondensstreifen und Vulkanemissionen auf das Klima In: Presseinformation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vom 7. Oktober 2011.
  4. a b Christoph Kern, Ulrich Platt: In sicherer Entfernung… Vulkangasmessung weit weg vom gefährlichen Krater. In: Scinexx, Stand 1. Oktober 2010.
  5. Christoph Kern, Ulrich Platt: Warten auf den Ernstfall. Was wäre wenn der Popocatépetl ausbricht? In: Scinexx, Stand 1. Oktober 2010; abgerufen am 30. Dezember 2012.
  6. Nicole Bobrowski: Gasemissionen, gelesen wie Hieroglyphen. S. 9.
  7. Gutjahr, M., A. Ridgwell, P. F. Sexton, E. Anagnostou, P. N. Pearson, H. Pälike, R. D. Norris, E. Thomas and G. L. Foste: Vulkanisches CO2 als Ursache globaler Erwärmung vor 56 Millionen Jahren? GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Wischhofstr. 1–3 24148 Kiel, 30. August 2017, abgerufen am 4. Januar 2022.

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Kratern mit Fumarolen auf Vulcano.jpg
Vulkankrater mit Fumarolen auf der Insel Vulcano, Italien. Im Hintergrund die Insel Lipari