Von-Neumann-Hierarchie

Die Von-Neumann-Hierarchie oder kumulative Hierarchie ist ein Begriff der Mengenlehre, der eine Konstruktion von John von Neumann aus dem Jahr 1928 benennt, und zwar einen stufenweisen Aufbau des gesamten Mengenuniversums mit Hilfe von Ordinalzahlen und der Iteration der Potenzmengenbildung.[1]

Definition

Die ersten Stufen in der Von-Neumann-Hierarchie

Die Stufen zu Ordinalzahlen bzw. Limes-Ordinalzahlen werden durch transfinite Rekursion über folgende Rekursionsbedingungen definiert:

Demnach ist

usw.

Sämtliche Mengen in den sind also aus der leeren Menge heraus konstruiert. Die Stufen sind transitive Mengen, und es gilt für alle Ordinalzahlen , dies erklärt den Namen kumulative Hierarchie.

Die Hierarchie

Innerhalb der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre (kurz ZF) lässt sich zeigen, dass jede Menge in einer Stufe der Hierarchie liegt:[2] Bezeichnet die Klasse aller Mengen, gilt also

Hierbei wird das Fundierungsaxiom im Rahmen der Epsilon-Induktion essentiell verwendet. Umgekehrt folgt aus obiger Aussage auch das Fundierungsaxiom, beide Aussagen sind also äquivalent (über den restlichen Axiomen von ZF).

Weiterhin kann gezeigt werden, dass die Klasse , aufgefasst als Teilmenge eines angenommenen Modells von ZF ohne Fundierungsaxiom, ein Modell für ZF ist. Selbiges ist also relativ konsistent zu den übrigen Axiomen.

Rangfunktion

Da jede Menge in einer geeigneten Stufe liegt, gibt es stets eine kleinste Ordinalzahl mit und damit . Dieses wird als der Rang, , der Menge bezeichnet.

Mittels transfiniter Induktion über kann man

für alle Ordinalzahlen

zeigen. Für jede Menge gilt . Der Rang einer Menge ist also stets strikt größer als der Rang aller ihrer Elemente.

Philosophische Interpretation

Für manche Logiker ist der stufenweise Aufbau des Mengenuniversums eine intuitive Sichtweise, nach der Antinomien wie die Russellsche Antinomie darauf beruhten, man wollte sich „zu große“ Mengen basteln, welche nicht mehr in das Mengenuniversum passten.[3] Auf dieser Grundidee sind Alternativen zu ZF wie das Scottsche Axiomensystem entstanden. Gerade aus platonischer Sicht stellen die Stufen verschiedene Ebenen der Ontologie dar.[4]

Anwendungen

  • besteht genau aus den erblich endlichen Mengen. In gelten mit Ausnahme des Unendlichkeitsaxioms alle ZFC-Axiome. Damit ist gezeigt, dass das Unendlichkeitsaxiom nicht aus den übrigen ZFC-Axiomen hergeleitet werden kann.
  • Ist eine stark unerreichbare Kardinalzahl, so ist ein Modell für ZFC. Für die kleinste stark unerreichbare Kardinalzahl erhält man auf diese Weise ein Modell, in dem es keine stark unerreichbaren Kardinalzahlen gibt. Die Existenz stark unerreichbarer Kardinalzahlen kann also nicht in ZFC hergeleitet werden.[5]
  • Die Stufen spielen eine Rolle beim Reflexionsprinzip, welches ein wichtiges Axiom im Scottschen Axiomensystem ist.

Einzelnachweise

  1. John von Neumann: Über eine Widerspruchsfreiheitsfrage in der axiomatischen Mengenlehre, 1928, in: Journal für die reine und angewandte Mathematik 160 (1929) 227–241. Dort, S. 236f die kumulative Hierarchie, aber namenlos.
  2. Heinz-Dieter Ebbinghaus: Einführung in die Mengenlehre, Spektrum Verlag 2003, ISBN 3-8274-1411-3.
  3. Azriel Levy: Basic Set Theory, Dover publications (2002), S. 70 f.
  4. Mehr dazu in Kapitel 3 von: Michael Potter: Set Theory and its Philosophy. A critical introduction, Oxford University Press (2004)
  5. Thomas Jech: Set Theory, Springer-Verlag (2003), ISBN 3-540-44085-2, Theorem 12.12.

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