Vogelschießen

Papageienschiessen in Avignon, 17. Jahrhundert
Video: Vogelschießen bei der St. Sebastianus-Armbrustschützengesellschaft Anno 1250, Herzogenrath, 1980

Das Vogelschießen, regional auch Adlerschießen genannt, ist ein alter Schützenwettbewerb, bei dem es gilt, mit einer Schusswaffe bzw. Armbrust einen hölzernen Vogel auf einer hohen Stange, der Vogelstange, abzuschießen. Der teilweise aus kunstvoll gedrechselten oder ausgesägten und bemalten Holzteilen bestehende Vogel wird oft auch als Papagoy bezeichnet. Begleitet wird das Vogelschießen normalerweise von einem Dorf- oder Schützenfest. Der Wettbewerbsplatz wird häufig als Vogelwiese bezeichnet.

Geschichte

Entstanden ist der Brauch im Mittelalter in Mitteleuropa, als größere Teile der männlichen Stadtbevölkerung im Rahmen ihrer Wehrpflicht noch zur Verteidigung der Stadt herangezogen wurden und das Schießen üben mussten. In Deutschland liegen hier auch die historischen Wurzeln der Bürgerwehren, die im Zuge der Märzrevolution 1848 eine neue politische Bedeutung erlangten. Als bürgerlicher Männersport und männliches Freizeitvergnügen wurde das Vogelschießen im frühen 19. Jahrhundert populär. Dass es dazu diente, soziale Kontakte innerhalb beruflicher und gesellschaftlicher Zirkel unter seinesgleichen festlich zu pflegen, zeigt etwa Friedrich Bosers Gemälde Das Vogelschießen der Düsseldorfer Künstler im Grafenberger Wald.

Das Kindervogelschießen entstand Ende des 19. Jahrhunderts, als zunehmende Schulfeste aufkamen, die oft nach dem Vorbild der „erwachsenen Feste“ gestaltet waren. Allerdings wird hier mit Luftgewehren oder Pfeil und Bogen geschossen. Im ländlichen Raum, beispielsweise in Dithmarschen, Stormarn, weiteren Teilen von Schleswig-Holstein, der Wesermarsch, dem Altkreis Wittgenstein, dem Sauerland, der Oberlausitz, in Braunschweig, aber auch in Teilen des Münsterlandes und Hamm ist der Brauch noch verbreitet.

Je nach Region und Brauch wird Schützenkönig, wer entweder den Rumpf des Vogels teilt oder den letzten Teil des Vogels herunterschießt. Im Verlauf bis dahin abgeschossene Bruchstücke werden entweder entsprechend ihrer Nummerierung zur Bestimmung der weiteren Plätze herangezogen oder dem König als Erinnerungsstücke übergeben. Alternativ werden auch Punktsysteme verwendet. Schützenkönig wird derjenige, der die höchste Punktzahl erreicht, die weiteren Platzierungen ergeben sich entsprechend.

Schützenvereine veranstalten das Vogelschießen auch, um damit einen Schützenkönig zu ermitteln. Dabei wird der Vogel am Ende einer langen Stange 29 Meter hoch montiert und die Einzelteile werden mit einem Kleinkaliber-, Schrot- oder Luftgewehr, aber auch mit der Armbrust abgeschossen. Wegen moderner Sicherheitsbestimmungen wird das Gewehr dabei auf einem Standfuß (Lafette) angebracht, der nur das Zielen im Bereich des Kugelfangs erlaubt, in welchem sich der zum Abschuss angebrachte Vogel befindet.

Beim Adlerschießen der Gymnasiasten am Rutenfest Ravensburg wird mit der Armbrust auf einen hölzernen Reichsadler geschossen, dessen Insignien und Federn einzeln abgeschossen werden können; Schützenkönig ist hier der Schütze des Reichsapfels (beim Schießen der Jungen) oder des ähnlich gestalteten „Stadtsiegels“ (beim Schießen der Mädchen).

Sonstiges

Das Vogelschießen (1822) ist ein Lustspiel in fünf Aufzügen von Heinrich Clauren.

Bilder

Siehe auch

Literatur

  • Jürg A. Meier: Das Papageien- oder Vogelschiessen in der Waadt, 1515-1798 und zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung von Grandson ..., davon abweichender Umschlagtitel Das Papageienschießen in der Waadt, Broschur mit 56 Seiten als Sonderdruck aus der Zeitschrift Waffen- und Kostümkunde – Zeitschrift für Waffen- und Kleidungsgeschichte, Band 54 (2012), Heft 1, [Zürich]: [Jürg A. Meier], 2013[1]
  • Sylvina Zander: Kindervogelschießen in Bad Oldesloe. Hrsg. vom Kreisarchiv Stromern und Stadtarchiv Bad Oldesloe. Bad Oldesloe 2010
  • Carl Jakob Durheim: Historische Mittheilungen zur Geschichte der „wohladelichen Flitzbogen-Schützengesellschaft von Bern,“ von ihrem Ursprung bis auf gegenwärtige Zeit 1856. In: Berner Taschenbuch auf das Jahr 1857, S. 79–121 doi:10.5169/seals-119725. – Besonders S. 111–113, Beschreibung eines „Papageyschießens“.

Weblinks

Commons: Vogelschießen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vergleiche die Angaben der Deutschen Nationalbibliothek

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Das Vogelschießen der Düsseldorfer Künstler im Grafenberger Wald.jpg
Friedrich Boser und Carl Friedrich Lessing: Das Vogelschießen der Düsseldorfer Künstler im Grafenberger Wald

1842–1844 Öl auf Leinwand 81 × 104,7 cm

New-York Historical Society
Doppeladler.Stifter Hermann Gerner.jpg
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Doppeladler gestiftet vom Ehrenpräsident Hermann Gerner für ein Vogelschießen in Braunschweig in den 80 ziger Jahren
Tir à l'arc au papegai.jpg
Archers in Avignon, 17th century.
Ehrenkreuz der Armbrust-Schützen.jpg
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Ehrenkreuz der Armbrust-Schützen des Ehrenpräsidenten der Armbrust-Schützengilde Braunschweig, Hermann Gerner (1892 -1983), 935 Silber. Kreuz 4,0 cm, Adlerspange 4,6 cm. Schwarzes Kreuz mit aufgelegten Eichenblättern und nach recht aufsteigende Armbrust. Gravierung der Rückseite: Ehrenkreuz der Armbrust-Schützen
Armbrust-Schützen Anstecker.jpg
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Armbrust-Schützen Anstecker, Silber 935, Durchmesser 3,4 cm, halbseitig gegenläufiger Eichenkranz mit nach rechts oben weisender Armbrust (vor 1983)
Grafik aus dem Klebeband Nr. 15 der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen.jpg
Grafik aus dem Klebeband Nr. 15 der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen. Motiv: Vogelschießen in Dresden am 20. September 1699
Vogelschießen Volkskundemuseum Erfurt.jpg
Autor/Urheber: Photo: Andreas Praefcke, Lizenz: CC BY 3.0
Holzvogel als Ziel für das Vogelschießen. Museum für Thüringer Volkskunde, Erfurt.
Vogelschießen bei der St. Sebastianus-Armbrustschützengesellschaft Anno 1250.webm
(c) Alltagskulturen im Rheinland, CC BY 3.0
Vogelschießen bei der St. Sebastianus-Armbrustschützengesellschaft Anno 1250

Herzogenrath 1980 – 30 min Aufnahme/Schnitt/Kommentar: Gabriel Simons

Mit der Armbrust und 18 Pfeilen feuern die Schützen aus freier Hand ihre Schüsse auf den 42 m hoch aufgesteckten Vogel ab, wenn die Mitglieder der Herzogenrather Armbrustschützengesellschaft beim jährlichen Schützenfest ihren König ermitteln.
Geschichtsfries am Neuen Rathaus Hannover, Papageienschießen beim Schützenfest, symbolisierter Papageienbaum, auf den mittelalterliche Schützen auf dem Neustädter Berge mit der Armbrust schossen.jpg
Autor/Urheber: Bernd Schwabe in Hannover, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Das Papageienschießen fand tatsächlich regelmäßig in Hannover statt, allerdings wurde im Mittelalter nicht auf lebendige Papageie geschossen, sondern auf einen bunten "Papageienbaum", den die Schützen auf dem Neustädter Berge mit der Armbrust zu treffen suchten. Das hier dargestellte Relief ist Teil des halbplastischen Geschichts- oder auch "Bilderfrieses" am Neuen Rathaus in Hannover und nimmt das Thema Schützenfest der Stadt auf; der Bildhauer ist noch unidentifiziert ...
Vogelschuß. Anlegen der schweren Armbrust.jpg
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Anlegen der Armbrust zum Vogelschuß
Die Schützenmatt in Bern 1801.jpg
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Die Schützenmatt in Bern 1801, Umzeichnung von Eduard von Rodt (1880).
Ravensburg Rutenfest 2005 Adlerschießen der Mädchen.jpg
Autor/Urheber: Photo: Andreas Praefcke, Lizenz: CC BY 3.0
Ravensburg, Germany: Rutenfest, Adlerschießen der Mädchen (Rutendienstag)