Verdinglichung

Verdinglichung bezeichnet in der marxistischen Theorie die Verkehrung des Verhältnisses von arbeitsteilig füreinander produzierenden Menschen in ein versachlichtes (verdinglichtes) Verhältnis von Waren zueinander. Unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen nehmen die Arbeitsprodukte die Form von Waren, Geld und Kapital an und verselbstständigen sich als solche gegenüber ihren eigentlichen Produzenten. Dieser Prozess wird auch als Entfremdung des Produzenten vom Produkt und der Produzenten untereinander bezeichnet.

Ursprung

Der Begriff geht zurück auf Hegel und Ludwig Feuerbach. Ihnen zufolge bezeichnet er den Prozess der Entäußerung eines Subjekts, das seine Ideen in seinen produzierten Vorstellungen und Dingen vergegenständlicht. So erklärt Feuerbach die Gottesvorstellung als Vergegenständlichung des menschlichen Wesens.

Bei der Verdinglichung treten dem marxistischen Ansatz nach gesellschaftliche Verhältnisse in der Form von Beziehungen der Dinge zueinander in Erscheinung, die den Menschen als „eigengesetzliche“ Eigenschaft der Dinge bewusst werden, auf die sie scheinbar keinen Einfluss haben. Nach Marx findet die Verdinglichung im „Warenfetischismus“ ihren prototypischen Ausdruck. Die lebendige Arbeit und deren Produkte verdinglichen sich zur „Ware“.

Verdinglichung sei die kapitalistischen Gesellschaften innewohnende Tendenz, alles und jeden zum Tauschobjekt, also zur „Ware“ zu machen. So wird beispielsweise ein Arbeiter auf seine Arbeitskraft reduziert, also als austauschbar betrachtet, während seine individuellen Eigenschaften, die ihn als Menschen ausmachen, ausgeblendet werden.[1]

Für Georg Lukács ist der Gegenbegriff zur Verdinglichung das Klassenbewusstsein.[2]

Theoretiker der Verdinglichung sind unter anderem

Auch die Wertkritik um Robert Kurz als jüngere Spielart marxistischer Theorie (Postmarxismus) stellt die Verdinglichung und Entfremdung ins Zentrum ihrer Untersuchungen.

Siehe auch

Literatur

  • Dominik Nagl: Lebensphilosophie, Verdinglichung und Kritik des Warenfetischismus. Zur Neuerfindung des Marxismus im Frühwerk von Georg Lukács. In: Hundert Jahre transzendentale Obdachlosigkeit. Georg Lukács‘ Theorie des Romans neu gelesen. Aisthesis, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-8498-1232-4, S. 229 ff.
  • Arnold Lobeck: Theorie der Verdinglichung. Juris Druck + Verlag, Zürich 1977, ISBN 3-260-04233-4 (Dissertation, besonders bezogen auf Adorno, Freud, Hegel, Lukács und Marx).
  • Marco Iorio: Veränderung, Verdinglichung, Entfremdung Über Marxens verhegelt-verhagelte Ontologie. Akademie Verlag, 2014, ISBN 978-3-05-006522-9, S. 79 ff., doi:10.1524/9783050065229.79.
  • Anfrea Esser: Verdinglichung. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie. Akademie Verlag, Berlin 2011, S. 655–804.
  • Otto Ullrich: Zum Begriff der Verdinglichung. In: Technik und Herrschaft : vom Handwerk zur verdinglichten Blockstruktur industrieller Produktion. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-07460-1, S. 170 ff. (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
  • Dariusz Aleksandrowicz: Lukacs’ Theorie der „Verdinglichung“ und die Hegelsche Metaphysik. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. Band 39, Nr. 2, 1985, ISSN 0044-3301, S. 273–288, JSTOR:20483973.

Einzelnachweise

  1. Jan Robert Bloch: Utopie: Ortsbestimmungen im Nirgendwo: Begriff und Funktion von Gesellschaftsentwürfen. Leska und Budrich, Opladen 1997, ISBN 3-322-95801-9, S. 112 (books.google.de).
  2. Georg Lukacs: Geschichte und Klassenbewusstsein. In: Georg Lukács Werke. 2. Auflage. Band 2: Frühschriften. Luchterhand, Darmstadt 1977, ISBN 3-472-76002-8, Die Verdinglichung und das Bewußtsein des Proletariats, S. 257 ff. (Textarchiv – Internet Archive).
  3. Theodor W. Adorno: Kierkegaard : Konstruktion des Ästhetischen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1966 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).