Vaslav Nijinsky

Nijinsky als Windgott Vayu in Marius Petipas Ballett Der Talisman, um 1910

Vaslav Nijinsky (französische Transkription, in ursprünglicher polnischer Schreibweise Wacław Niżyński, russisch Вацлав Фомич Нижинский / Wazlaw Fomitsch Nischinski, auch Vaclav Nijinski oder Vatslav Nizhinskiy transkribiert; * 16. Dezemberjul. / 28. Dezember 1889greg.[1], nach anderen Quellen 12. März 1888 oder 1889 oder 1890 in Kiew; † 8. April 1950 in London) war ein polnischstämmiger russischer Balletttänzer und Choreograf.

Seine Zeitgenossen, die ihn tanzen sahen, waren von seiner Verwandlungsfähigkeit, seiner Virtuosität, seiner Grazie und Sprungtechnik beeindruckt. Als vollkommen galt seine Fähigkeit, einen Sprung scheinbar in der Luft anzuhalten (Ballon). Seine Sprünge gelten aus heutiger Sicht nicht als gewaltig in ihrem Raummaß, aber durch den Eindruck ihrer zeitlichen Arretierung beeindruckend. Für den Zuschauer war die dafür notwendige Kraftanstrengung nicht sichtbar. Der Eindruck schwereloser Sprünge wurde noch durch seine Fähigkeit zu lautlosen und sanften Landungen verstärkt. Bis heute ist der Name Nijinsky daher ein Synonym für perfekte Tanzkunst.

Leben

Nijinsky wurde als zweites Kind der Tänzer Tomasz Niżyński und Eleonora Bereda in Kiev geboren. Ab 1900 besuchte er die kaiserliche Tanzakademie in Sankt Petersburg und wurde für seine außerordentliche Virtuosität und Sprungkraft berühmt, ab 1907 ist er Künstler des Kaiserlichen Theaters St. Petersburg. Auch seine Schwester Bronislava Nijinska (1892–1972) erlangte als Balletttänzerin und Choreographin Weltruhm.

Einen Wendepunkt in Nijinskys Leben markierte 1908 das Zusammentreffen mit dem Impresario Sergei Djagilew, einem bekennenden Homosexuellen aus der Sankt Petersburger Oberschicht, dessen Liebhaber er bis zum Jahr 1913 war.

Nijinsky bei den Ballets Russes

Anna Pawlowa und Nijinsky in Pavillon d'Armide

Da Sergei Djagilew 1909 auf die Tänzer des Mariinski-Theaters (des späteren Kirows) für seine Gastspiele der Ballets Russes in Paris und London angewiesen war, kam Djagilew mit dem Direktorium des Mariinski Balletts in Konflikt, als er Nijinsky für die Tour der Compagnie entbinden wollte. Nach einem wohl von Djagilew inszenierten Skandal, indem Nijinsky bei einer Galaaufführung als Albrecht mit Tamara Karsawina in Giselle vor den Romanows ohne die üblichen Oberhosen, nur in engen und den heute üblichen Balletthosen auftrat, wurde Nijinsky umgehend gekündigt und das „Zugpferd“ der Compagnie.[2] Nijinsky, Tamara Karsawina, Ida Rubinstein und Anna Pawlowa übernahmen die Rollen in den extra für die jeweiligen Saisons bestellten Choreographien.

Die Ballets Russes wurden durch die damalige Lust der Pariser und Londoner Gesellschaft am Orientalischen zu einem künstlerischen Großereignis. Das Talent Djagilews, moderne Musik und Choreographie mit ausgeprägtem Design von Kostümen und aufwendig gestalteten Bühnenbildern (Cocteau, Bakst, Benois und Picasso) durch damals unbekannte, aber mit neuen frischen Ideen behaftete Künstler zu Gesamtkunstwerken zu verbinden, beförderte die Compagnie schnell zur künstlerischen Avantgarde per se und ließ die Ballets Russes zur einflussreichsten Ballettkompanie im 20. Jh. werden. Dabei wechselte Djagilew schnell von den klassischen Balletten zu bestellten Werken, die auf Musik von Debussy, Strawinski, Ravel, Richard Strauss und Manuel de Falla basierten.

Nijinsky tanzte bei folgenden Erstaufführungen der Ballets Russes: Cléopâtre (Fokine, 1909), Schéhérazade (Fokine, 1910), Carnaval (Fokine, 1910), Pétrouchka (Fokine, 1911), Le Spectre de la Rose (Fokine, 1911), Le Dieu Bleu [The Blue God] (Fokine, 1912), Daphnis et Chloé (Fokine, 1912), L'après-midi d'un Faune (1912), Jeux (1913) und Till Eulenspiegel (1917).

Seine eigenen Choreographien sind dabei L'après-midi d'un Faune (1912), Jeux (1913), Le Sacre du Printemps (1913) und Till Eulenspiegel (1917).

Die orientalischen Stücke

Nijinsky in Le Spectre de la Rose

Die erste Saison der Ballets Russes wurden durch die beim Pariser Publikum beliebten orientalischen Stücke getragen. Die lyrisch orientalistischen Ballette Scheherazade, Daphnis et Chloé, Le Dieu bleu waren unterhaltsame exotische Tagträume, in denen schon das Androgyne und Katzenhafte Nijinskys (insbesondere als Sklave in Scheherazade), der die klassischen Prinzenrollen nie gut ausfüllte, bestens zur Geltung kam. Mit Michel Fokine war ein Choreograph gefunden, der erstmals in Les Sylphides ein Ballett ohne tragende Handlung und somit als Ballet pour le Ballet choreographiert hat und als erster Neuerer im Genre gilt. Durch Fokines choreographische Ideen wurden andere Möglichkeiten der Darstellung des klassischen Tanzes ausgelotet, mit dem Sterbenden Schwan selbst Philosophie als Tanz umgesetzt.

Die orientalischen Stücke fanden in Scheherazade (1910) einen prachtvollen Glanzpunkt. Ida Rubinstein als Zobeide und Nijinsky als Sklave traten in dem mit allem szenischen Aufwand ausgestatteten Werk mehr pantomimenhaft auf. Von größerer und nachhaltigerer Wirkung als die choreographischen Ideen erwiesen sich in Scheherazade aber Bühneninszenierung und Kostümentwürfe von Leon Bakst.[3] Nachdem Le Dieu bleu beim Publikum durchgefallen war, trennte sich Diagilew vorläufig von Fokine.

Durch das fokinsche Repertoire arbeitete sich auch erstmals ein Tänzer in den Mittelpunkt von Handlungs- und Ausdrucksballetten. Das Publikum wartete insbesondere auf die athletischen Sprünge Nijinskys und dessen lyrisches Schauspieltalent sowie die szenographische Inszenierung, für die führende Künstler im Bühnenbild sowie Kostüm engagiert wurden. Mit L'Oiseau de feu stellte Strawinski, der bald die bedeutendsten Beiträge der Ballettpartitur schreiben sollte, erstmals ein, noch seinem Lehrer Rimski-Korsakow verpflichtetes, Werk vor. Hier spielte Tamara Karsawina, Nijinskys Hauptpartnerin, die Rolle des Feuervogels. Durch die Kündigung von Fokine bei den Ballets Russes 1912 wurde dessen choreographischer Platz jetzt gänzlich durch Nijinsky übernommen, der schon im Feuervogel sowie bei Scheherazade und Petruschka maßgeblich in die choreographische Gestaltung eingegriffen hatte.

Le Spectre de la Rose

Mit Spectre de la Rose (1911) beginnt die Reform der choreographischen Arbeiten von Fokine für das Ballett im Allgemeinen und die Ballets Russes im Speziellen. Die neuartige Paarchoreographie Fokines für Karsawina und Nijinsky, die den männlichen Part durch eine androgyne Rolle aus der klassischen geschlechtlichen Zuordnung befreit, leitet die Revolution im Paartanz ein, in der dem männlichen Part eine Reetablierung gegenüber der Ballerina gelingt. Das Ballett als Innenschau eines weiblichen Traums eines erotischen Erlebnisses und die Uneindeutigkeit geschlechtlicher Zuordnung heben Le Spectre de la Rose als Gesamtkonzept über die gewohnte klassische Balletttradition, bedient sich aber aus dem Kanon der romantischen Ballette und dessen Bewegungs- und Raumkonzepten.[4]

Die russischen Stücke

Strawinski und Nijinsky (im Kostüm von Petruschka)

Mit Strawinski war seit Tschaikowski erstmals wieder ein herausragender Komponist für das Ballett gefunden. Die Auftragsarbeit für Petruschka sollte dabei einen Stilbruch vorbereiten, der sowohl musikalisch die erkennbare Handschrift Strawinskis trug als auch choreographisch ein ernsthafteres choreographisches Eingreifen Nijinskys einleitete. Die Dreiecksbeziehung von Petruschka, Ballerina und Zauberer gehört nach wie vor zu den Werken der Moderne. Bei der Uraufführung von Petruschka 1911 wurde Nijinskys dramaturgische Interpretation als Wunder aufgefasst. Sarah Bernhardt urteilte über Nijinskys Darbietung: "Ich fürchte mich, ich fürchte mich, denn ich sehe den größten Darsteller der Welt." ("J'ai peur, j'ai peur, car je vois l'acteur le plus grand du monde.")[5] Nijinsky selbst schrieb zu Petruschka: „Er (Petruschka) ist der mythische Ausgestoßene, in dem sich Leid und Schmerz des Lebens konzentrieren, der mit den Fäusten gegen die Wand schlägt, der immer betrogen, verachtet und von der Welt verstoßen sein wird.“ Diese Beschreibung bringt auch Nijinskys eigene tief verwurzelten Selbstzweifel und emotional gefühlte Minderwertigkeit zum Ausdruck.[6]

Tamara Karsawina war auch in Petruschka Nijinskys Partnerin, den Magier spielte Nijinskys Ballettmeister Enrico Cecchetti.

Choreographisch-Musikalische Revolution

Erstmals übergab Djagilew die Arbeit an einer Choreografie Nijinsky selbst, den er in künstlerischen Belangen vollkommen unterstützte. Nijinskys Unerfahrenheit als Choreograph kam insbesondere in der Schwierigkeit, dem Ensemble neue Ideen zu vermitteln, insbesondere die neuartigen Bewegungen im L’Après-midi d’un faune, wo abgehackte, eindimensionale und im Profil verlaufende Bewegungen erheblichen Widerstand hervorriefen. Bei der Premiere von L’Après-midi d’un faune kam es wegen Nijinskys revolutionärer Bewegungsabläufe, aber insbesondere in den von Djagilew kalkulierten Reaktionen auf die sexuellen Anspielungen zu heftigen Disputen. Der Kritiker Gaston Calmette war entsetzt und schrieb: "Ein plumper Faun mit vulgären Bewegungen von animalischer Erotik und schwerfälligen Gesten!"[7] Diesem widersprach Auguste Rodin in einem offenen Artikel und bald war der "Faun" Gesprächsthema aller Feuilletons Europas.[8] Nijinsky wurde danach selbst beim empfindlichen Londoner Publikum gefeiert, bei dem überraschenderweise der Schock über die Masturbationsbewegungen am Ende des Stückes ausblieb. Der Faun blieb in seiner Radikalität ein einzigartiger avantgardistischer Entwurf, der durch folgende Faktoren bestimmt wird: "Erotisches Skandalon wegen Fetisch (Schleier) und angedeuteter Onanie auf der Bühne, Einsatz von Bewegung als Material, divergierendes Raum- und Körperkonzept, die in der Rezeption oszillieren, dynamisiertes Verhältnis von Bild und Bewegung…" (Nicole Haitzinger).[9]

Nachdem Djagilew mit dem Faun einen überragenden Erfolg gefeiert hatte, übertrug er Strawinski, nachdem dieser schon die Musik zu Petruschka und L'Oiseau de feu beigesteuert hatte, den Auftrag, ein modernes Stück zum prähistorischen Russland zu schreiben. Das Werk Le Sacre du Printemps zu der gleichnamigen Musik von Igor Strawinski wurde dabei in zweifacher Weise zu einem weit vorgreifenden Werk. Nijinskys Choreografie und Strawinskis Musik überforderten das Pariser Publikum im Théâtre des Champs-Élysées derart, dass noch während der Aufführung ein heftiger und gewalttätiger Tumult ausbrach und das Stück nur nach langer Unterbrechung und massivem Polizeieinsatz weitergeführt werden konnte. Die zwei Lager im Publikum brachen in solcher Art übereinander her, dass es zu schweren Verstimmungen zwischen Strawinski, der seine Musik entwürdigt sah und dies auf Nijinskys Choreographie schob, sowie Nijinsky, der durch die Reaktion besonders heftig getroffen wurde und während der Aufführung wie benommen war, kam.

Strawinski beschrieb die denkwürdige Veranstaltung in seiner Biographie: «Was die aktuelle Aufführung anging, kann ich darüber nicht urteilen, da ich den Saal gleich bei den ersten Sätzen der Prelude verließ, was sofort zu höhnischem Lachen führte. Ich revoltierte. Diese Manifestation, zuerst isoliert, wurde bald zu einem allgemeinen Aufruhr und führte zu Gegenmaßnahmen auf der anderen Seite, die sich sehr schnell in ein grauenvolles Getöse verwandelten. Während der ganzen Aufführung stand ich an Nijinskys Seite an den Eingängen. Er stand auf einem Stuhl und schrie 'Sechzehn, Siebzehn, Achtzehn', sie hatten ihre eigene Methode, die Zeit zu zählen. Natürlich konnten die armen Tänzer durch Kampf im Auditorium und ihrer eigenen Schritte nichts hören. Ich musste Nijinsky an den Kleidern festhalten, er war völlig aufgebracht und jeder Zeit bereit, auf die Bühne zu stürmen und einen Skandal zu verursachen. Diagilew veranlasste die Elektriker in der Hoffnung, den Tumult zu stoppen, dazu, die Lichter auszuschalten. Das ist alles, an das ich mich über diese erste Aufführung erinnere.»[10].

Allein Djagilew wusste sich im Triumph, da ein solches Ausmaß an Reaktion die Truppe auch weiterhin in den Zenit der Pariser Gesellschaft hob. Strawinski war erst Jahre später mit dem Stück und dem Publikum versöhnt, als er nach einer konzertanten Aufführung nicht nur sprichwörtlich, sondern auch tatsächlich vom Publikum im Triumph durch die Pariser Straßen getragen wurde.

Sexuelle Konnotation der drei Nijinsky-Choreografien

Léon Bakst: Nijinsky in L'Après-midi d'un Faune, 1912

Nijinskys bahnbrechende Choreographie war aber mehrere Jahrzehnte vor seiner Zeit und der "Sacre" wurde erst mit der Sexuellen Revolution als zeitgemäß empfunden. Nijinskys dritte choreographische Arbeit für die Ballets Russes war die Weiterentwicklung der Variationen der sexuellen Themen der vorangegangenen Stücke, die die sexuelle Evolution eines Menschen mit der "animalisch" kindlichen Neugier im Faun ("L'apres midi"), der seine Lust an dem einer Nymphe abgenommenen Gewand ausübt, einer erwählten Jungfrau ("Sacre"), die in einem Initiationsritual die Dimension der eigenen Sexualität im Umgang mit anderen und drohender Gewaltausübung wahrnimmt und schließlich in Jeux[11], wo das spielerisch Sexuelle im partnerschaftlichen und geschlechtlichen Tausch, den ausprobierend-testenden Umgang von Bindung und Paarverhalten widerspiegelt und weit über damals übliche Sujets hinausführte.

Ausschluss und Wiederkehr Nijinskys bei den Ballets Russes

Auf einer Tournee nach Südamerika 1913, an der Djagilew, da er auf Schiffsreisen schwer seekrank wurde, nicht teilnehmen konnte, verliebte sich Nijinsky in die ungarische Tänzerin Romola de Pulszky (1894–1978). Die beiden heirateten noch im selben Jahr. In einem Anfall von Eifersucht entließ Sergei Djagilew, der nach Eintreffen des Telegramms einen schweren Schock erlitt, beide fristlos.

Während des Ersten Weltkrieges war Nijinsky als russischer Staatsbürger in ungarischer Gefangenschaft. Erst 1916 bemühte sich Djagilew, Nijinski wieder eine Rolle anzubieten. Auf der Tournee der Ballets Russes durch Nordamerika im Jahr 1916 bekam Nijinsky abermals eine Möglichkeit, die Partitur von Richard Strauss, Till Eulenspiegel, choreographisch umzusetzen. Während der Tournee wurden die Anzeichen einer psychischen Erkrankung Nijinskys aber immer deutlicher. Er litt teilweise unter Wahnvorstellungen und verfiel auch deutlich in religiös bedingte Konflikte. In Djagilew, den er in gesundem Zustand nicht mehr sehen sollte, sah er seinen übelsten Feind. Trotzdem konnte Nijinsky Till Eulenspiegel fertigstellen und brachte das Stück erstmals in New York auf die Bühne. Auf der Tournee erreichte die Compagnie auch Los Angeles, ein Treffen Nijinskys und Charlie Chaplins, der alle Aufführungen besuchte, beeinflusste den Schauspieler nachhaltig, dessen Rollen teilweise von tänzerischem und mimischem Slapstick überbordeten.

Zusammenbruch und geistige Umnachtung

Nijinskys Grab auf dem Cimetière Montmartre in Paris
Skulptur von Vaslav und Bronislava Nijinska von Giennadij Jerszow, dem Großen Theater, Warschau

Nach seinem Rückzug lebte Nijinsky in der Schweiz und erlitt 1919 während einer privaten Aufführung in St. Moritz einen schweren Nervenzusammenbruch.[12] Nachfolgend wurde bei ihm eine schwere Schizophrenie diagnostiziert. Damit war seine Karriere beendet. Er verbrachte den Großteil seines restlichen Lebens in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und Pflegeheimen[13] (u. a. im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen, Kanton Thurgau).

Als Ursache aller Neurosen und Psychosen vermutete der mit Nijinski bekannte Individualpsychologe Alfred Adler sich seit der Kindheit manifestierende Minderwertigkeitskomplexe; auch Nijinskis Krankheit soll so entstanden sein. Ab 1938 bekam er ein Jahr lang eine Insulin-Therapie (vgl. Krampfbehandlung).

Erst eine Begegnung mit russischen Soldaten im Jahr 1945 im Hause seiner Frau in Ungarn befreite Nijinsky aus seinen psychischen Blockaden, und erstmals seit 1919 konnte er wieder frei sprechen. Nach 1945 zog das Paar nach London, wo Nijinsky ein normales Leben führen konnte und wieder in Kontakt mit der Außenwelt trat.[6]

Nijinsky starb 1950 in London, wo er auch beerdigt wurde. Drei Jahre später wurde er auf den Cimetière de Montmartre in Paris umgebettet.

Verfilmungen

1970 begann der britische Regisseur Tony Richardson mit der Produktion des Films Nijinsky. Das Drehbuch schrieb der Dramatiker Edward Albee. Für die Hauptrollen waren Rudolf Nurejew (als Vaclav), Claude Jade (als Romola) und Paul Scofield (als Diaghilev) engagiert. Doch dann legten die Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman das Projekt auf Eis.

1980 entstand Nijinsky, eine filmische Biographie von Herbert Ross mit Alan Bates (Diaghilev), Leslie Browne (Romola) und George De La Pena (Nijinsky).[14]

In Form einer Fernsehproduktion entstand im Jahr 2002 mit dem ORB und dem WDR die Tanzchoreographie "Clown Gottes" – Verloren im Wahnsinn mit dem Kammertänzer Gregor Seyffert als Vaslav Nijinsky. Dessen Vater Dietmar Seyffert zeichnete für Libretto und Choreographie verantwortlich, während Frank Schleinstein Regie führte.

2009 entstand der Dokumentarfilm Nijinsky & Neumeier. Eine Seelenverwandtschaft im Tanz von Annette von Wangenheim. Eine ARTE-/WDR-Produktion, 90 Minuten.[15]

Kurzfilm: Final (1989 Irène Jouanne )

Bühne

Tänzer Nijinsky von Georg Kolbe, Berliner Sonderbriefmarke von 1981

18. Januar 1990: Premiere von Nijinsky – Divine Dancer an der Finnischen Nationaloper in Helsinki.[16] Das Ballett wurde anlässlich des 100. Geburtstages von Wazlav Nijinsky bei dem in Paris lebenden deutschen Komponisten Joseph Hölderle und dem finnischen Choreographen Juha Vanhakartano in Auftrag gegeben. Das Libretto (Juha Vanhakartano) basiert auf dem Tagebuch von Nijinsky und teilt das Werk analog der Form des Tagebuches in „Leben“ (1st Act) und „Tod“ (2nd Act) ein. Die Rolle des Nijinsky ist in einen Schauspieler und einen Tänzer aufgespalten. Der Tänzer verkörpert und tanzt die erfolgreichsten Rollen Nijinskys in Anlehnung an die originalen historischen Choreografien. Der Schauspieler zeichnet den geistigen Verfall des Stars nach, sein tragisches menschliches Scheitern. Um diese beiden parallel verlaufenden, gegenläufig synchronisierten dramaturgischen Linien aus äußerer Erfolgsstory und innerer Abwärtsspirale ranken sich Ensembleszenen, die mit mythologischen und zeitgeschichtlichen Bezügen aufgeladen sind und (im Spiegel der Umbruchszeit vor dem Ersten Weltkrieg) in einen finalen Kollaps führen. Das Ballet war eine der erfolgreichsten Produktionen der Nationaloper und in allen Vorstellungen ausverkauft.

2000 brachte John Neumeier in Hamburg sein Ballett Nijinski auf die Bühne. Musik u. a. von Nikolai Rimski-Korsakow und Dmitri Schostakowitsch, besonders dessen 11. Sinfonie, die den gesamten zweiten Teil umfasst. Die Handlung beginnt mit Nijinskis letztem Auftritt bei einer Privatveranstaltung und überlagert in Rückblenden biographische Episoden mit Szenen aus seinen Balletten (teilweise in älteren Choreografien Neumeiers, wobei die Nijinski-Rollen jeweils von anderen Tänzern getanzt werden), um schließlich im zweiten Teil zur Schostakowitsch-Sinfonie in einem zunehmenden Wahnsinnstanz zu münden. Das Ballett war ein herausragender Erfolg und über Jahre hinweg ausverkauft.

Im April 2008 fand am Theater Aachen die Uraufführung der Oper Nijinskys Tagebuch von Detlev Glanert statt.[17] Diese behandelt die letzten 60 Tage des Tänzers, von der Diagnose Schizophrenie bis zum vollständigen Zusammenbruch und der Einweisung in eine geschlossene Anstalt.

Nijinskys Leben, Tagebuch und Werk inspirierten die Filmemacherin, Kamerafrau und Regisseurin Elfi Mikesch zu einem Theaterstück mit dem Titel Brennendes Pferd, das sie 2008 mit dem Theater Thikwa herausbrachte[18].

Ebenfalls auf den sogenannten Tagebüchern ("Ich bin ein Philosoph, der fühlt") beruht das Tanztheaterstück "Feuer im Kopf – Solo für Waslaw Nijinski" des Schweizer Tänzers und Choreographen Patrick Erni (Mannheim und Frankfurt, 2002) in der Inszenierung von Christian Golusda. Auch Oliver Reese verfasste auf der Grundlage der Tagebücher sein Solostück "Ich bin Nijinsky. Ich bin der Tod.", das er selbst 2013 am Schauspiel Frankfurt in der Alten Oper uraufführte. In Polen seit 2006 bis heute, sehr ähnlich lauteten die Spiegelung der Mitglieder einer anderen Gruppe, der "Gesellschaft-Wierszalin" von ihrem Theaterstück "Bóg Niżyński" (dt. Gott-Nijinsky) unter der Regie von Piotr Tomaszuk auf der Grundlage dem persönlichen Tagebuch von Vaslav Nijinskys.

Erinnerung

Ernesto de Fiori: Jüngling (Nijinski), 1914

Am 11. Juni 2011 wurde Polens erste Skulptur des polnisch-russischen Tänzers Vaslav Nijinsky und seiner Schwester Bronislava Nijinska im Foyer des Teatr Wielki enthüllt. Es zeigt sie in ihren Rollen als Faun und Nymphe aus dem Ballett L’après-midi d’un faune. Die Skulptur wurde im Auftrag des Polnischen Nationalballetts von dem bekannten polnisch-ukrainischen Bildhauer Giennadij Jerszow in Bronze gefertigt. Nijinsky wurde auch von Auguste Rodin porträtiert. Es wurde 1912 posthum gegossen. Ernesto de Fiori stellte seine Skulptur Jüngling (Nijinski) im Jahr 1914 her.

Literatur

  • Richard Buckle: Nijinsky. Übersetzt von Jürgen Abel. Busse Seewald, Herford 1987, ISBN 3-512-00788-0 (Originalausgabe: Weidenfeld & Nicolson, London 1971)
  • Romola Nijinsky: Nijinsky. Der Gott des Tanzes. Übersetzt von Hans Bütow. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1974 (Taschenbuchausgabe: Insel Verlag, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-458-32266-3)
  • Petra van Cronenburg: Faszination Nijinsky. Verl.-Haus Monsenstein und Vannerdat, Münster 2011, ISBN 978-3-86991-362-9
  • Peter Ostwald: Ich bin Gott. Waslaw Nijinski, Leben und Wahnsinn. Übersetzt von Christian Golusda. Vorwort von John Neumeier. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1997, ISBN 3-434-50066-9

Einzelnachweise

  1. siehe das Geburtsdatum auf dem Grab des Künstlers
  2. Вацлав Фомич Нижинский / Vatslav Fomich Nizhinskiy (Memento vom 18. April 2010 im Internet Archive) (russ.)
  3. Ida Rubinstein, Scheherazade
  4. Nicole Haitzinger: Reform, Revolution, Spektakel. Zu avantgardistischen Tanz- und Gesellschaftsentwürfen bei den Ballets Russes
  5. Guardian, From the archives: An obituary of Vaslav Nijinsky
  6. a b Der Spiegel: Ich bin Gott, 26. Juli 1982
  7. Dorion Weickmann im Artikel "Hundert Jahre Ballets Russes – Nijinskys Revolution des Tanzes wirkt bis heute nach", Süddeutsche Zeitung vom 22./23. August 2009
  8. New York Times, ARTS ABROAD; At the Altar of Nijinsky, Elusive Firebird and Faun, 9. Nov. 2000 At the Altar of Nijinsky, Elusive Firebird and Faun
  9. Nicole Haitzinger
  10. Igor Stawinsky: Chroniques de ma vie (réédition de 1962), S. 77
  11. Jeux (Memento vom 12. Oktober 2009 im Internet Archive), auf cmi.univ-mrs.fr
  12. Vaslav Nijinsky, Auszug aus den Aufzeichnungen über den Auftritt in St. Moritz, NYT The Diary of Vaslav Nijinsky
  13. Linde, Otfried K.: Pharmakopsychiatrie im Wandel der Zeit. Erlebnisse und Ergebnisse. Tilia-Verlag Klingenmünster 1988; Seite 100 - Textauszug: „Der Patient konnte nicht geheilt werden.“
  14. Daten zum Film Nijinsky auf The Internet Movie Database
  15. http://www.annettevonwangenheim.de/film16.htm
  16. Database Finnish National Opera performances
  17. WDR 5: Sendung Scala@1@2Vorlage:Toter Link/www.wdr5.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vom 7. April 2008
  18. Brennendes Pferd von Elfi Mikesch im Theater Thikwa

Weblinks

Commons: Vaslav Nijinsky – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Anna Pavlova & Vaslav Nijinsky in Le Pavillon d’Armide
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Vaslav Nijinsky (1890–1950) in Le Spectre de la Rose by Michel Fokine (1880-1942). Costume by Leon Bakst (1867-1924).
Stravinsky Nijiinsky.jpg
Stravinsky & Vaslav Nijinsky as Petrouchka, c. 1911.
Talisman -Vayou -Vaslav Nijinsky -1909.JPG
Cropped photographic postcard of the danseur Vaslav Nijinsky (1889-1950) costumed as the God Vayou in the dancer/choreographer/teacher Nikolai Legat's (1869-1937) revival of the choreographer Marius Petipa (1818-1910) and the composer Riccardo Drigo's (1846-1930) ballet Le Talisman.
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Ernesto de Fiori, Jüngling (Nijinski), 1914. Bronze, Sammlung Karl H. Knauf, Berlín. Fotografia feta durant una exposició temporal a l'Institut Valencià d'Art Modern.
Nijinsky by Jerszow. Grand Theatre, Warsaw.jpg
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Nijinski Vaslav and Bronislava by Gennadij Jerszow.Grand Theatre, Warsaw