Utrechter Dom

Utrechter Dom

Der Utrechter Dom (Dom St. Martinus) dient als evangelisch-reformierte Kirche der Protestantischen Kirche in den Niederlanden. Bis 1580 war sie die Domkirche des Bistums Utrecht. Seit einem schweren Sturm im Jahr 1674, der das Langhaus zerstörte, besteht die Kirche nur noch aus Chor, Querschiff und Turm (Domtoren), dem mit 112 Metern höchsten Kirchturm der Niederlande.

Geschichte

Grundriss
Langhaus mit Chor vor 1665 (Pieter J. Saenredam)
Der Chor

Um 630 errichteten fränkische Missionare eine erste hölzerne Kirche im ehemaligen römischen Kastell Utrecht (Traiectum), die vielleicht schon dem Heiligen Martin geweiht war. Um 695 wurde unter dem zum Erzbischof der Friesen ernannten Willibrord eine steinerne Kirche errichtet und Utrecht damit zum kirchlichen Zentrum ausgebaut. 857 wurde die Kirche von den Normannen zerstört. Nach 922 wurde der Wiederaufbau in Angriff genommen. Nach erneuter Zerstörung durch Brand im Jahr 1017 konnte 1023 ein Neubau geweiht werden. 1131 und 1148 folgten wiederum Brandschäden, eine neue Weihe wurde 1173 vorgenommen. Ein weiterer Brand 1253 wurde offenbar zum Auslöser für die Planung eines großen gotischen Neubaus, zu dem Bischof Heinrich I. 1254 der Grundstein legte. Um 1295 wurde der Chorumgang vollendet, der in enger Anlehnung an den Kölner Dom gestaltet worden war. Während die Bauarbeiten im Ostteil der Kirche noch in vollem Gange waren, wurde zwischen 1321 und 1382 der hohe Westturm errichtet. Kurz nach 1400 kam der Kirchbau für einige Zeit zum Erliegen. Dieser Zustand um 1460 wurde im Hintergrund eines anonymen Triptychons im Rijksmuseum in Amsterdam festgehalten, das die Kreuzigung darstellt, wo noch das romanische Schiff zwischen Chor und Turm zu sehen ist (siehe Bild).

Der Dom auf einem Retabel aus der Zeit zwischen 1457 und 1467, Detail (Rijksmuseum, Amsterdam)

Unter den Bischöfen Rudolf von Diepholt und David von Burgund wurde die Bautätigkeit wieder intensiviert. Zuerst entstand unter Baumeister Jacob van der Borch das Querschiff mit der Kapelle des Rudolf von Diepholt und der kleine Kapitelsaal. Ab 1467 wurde das romanische Langhaus abgebrochen und begonnen, ein gotisches Schiff zu errichten. Dieses wurde aber nie vollendet; es fehlte das Gewölbe und die Strebepfeiler.

Um 1500 wurde der Westflügel des Kreuzgangs mit Maßwerk und Gewölben versehen und der Große Kapitelsaal errichtet.

Historische Ansicht vor dem Einsturz des Mittelschiffes

Beginn des 16. Jahrhunderts gingen der Kirchenfabrik die Mittel aus; 1521 wurden die Bauarbeiten, nachdem die Kirche im Wesentlichen fertiggestellt war, eingestellt.

1559 wurde Utrecht zum Erzbistum erhoben. 1580 erlitt der Dom Verluste an der Ausstattung während des Bildersturms und ging an die Protestanten über. Während der Besetzung durch den französischen König Ludwig XIV. 1672/73 nahmen die Katholiken den Dom kurzzeitig wieder in Besitz.

Ein heftiger Sturm führte am 1. August 1674 zum Einsturz des Mittelschiffs der Kirche. Der Utrechter Maler Herman Saftleven wurde von der Stadtregierung Utrechts beauftragt, die Situation nach dem Einsturz zu dokumentieren. Das stehengebliebene Querschiff wurde mit einer provisorischen Westwand abgeschlossen. Die Ruinen des Mittelschiffs wurden erst 1826 geräumt; an ihrer Stelle entstand der Domplein (Domplatz). Der Verfall des Doms setzte sich während des 19. Jahrhunderts fort; 1850 wurde eine erste Renovierungsaktion in Gang gesetzt. Weitere Renovierungen folgten 1921 und 1979–1988. Der Turm wurde 1901–1931 durchgreifend saniert. Ein Wiederaufbau des eingestürzten Mittelschiffs wird immer wieder diskutiert. 2004 – zum 750-jährigen Jubiläum der Grundsteinlegung des gotischen Domes – wurden die Ausmaße des Kirchenschiffs durch eine Metallkonstruktion angedeutet.

Turm

Bemerkenswert ist der kolossale 112 Meter hohe Westturm („Domtoren“). Er zählt zu den größten und eigentümlichsten Türmen des 14. Jahrhunderts in Europa. Die kaleidoskopische Form besteht aus zwei unterschiedlich breiten, quadratischen Geschossen und einer achteckigen Laterne, bekrönt von einem sehr flachen Helm.

Der Turmbau rief wegen der vermeinten Eitelkeit des Unternehmens Proteste des Bußpredigers Geert Groote hervor, die er in seinem Traktat Contra turrim Traiectensem („Gegen den Utrechter Turm“) niederschrieb. Trotzdem übte der Turm des Utrechter Domes später einen prägenden Einfluss auf den Bau verschiedener anderer großer Kirchtürme in den Niederlanden aus, wie zum Beispiel in Amersfoort, Rhenen und Groningen.

Unter dem Turm verläuft eine einspurige Straße. Bis 2003 fuhren ausschließlich die Busse der Linie 2 unter dem Turm hindurch, vom Domplatz (Domplein) kommend Richtung Bahnhof über die Oudegracht.

Orgel

Die große Orgel

Die Geschichte der Orgeln reicht zurück in das Jahr 1342. Die große Orgel wurde in den Jahren 1825–1831 durch die Orgelbauer Johan und Jonathan Bätz (Utrecht) erbaut, wobei teilweise Pfeifenmaterial aus dem 16. und 18. Jahrhundert verwendet wurde. Infolge der Zerstörung der Windanlage im Jahr 1935 musste diese neu gebaut werden. Die Orgel wurde 1974–1975 von der Utrechter Firma Gebrüder van Vulpen[1] vollständig restauriert, wobei zwischenzeitliche Veränderungen rückgängig gemacht wurden. Das Instrument hat insgesamt 50 Register (3698 Pfeifen) auf drei Manualen und Pedal.[2]

I Rugpositief C–33
01.Prestant8′ 0(B)
02.Holpijp8′(B)
03.Quintadena8′(J)
04.Octaaf4′(J)
05.Roerfluit4′(h)
06.Quint3′(J)
07.Octaaf2′(J)
08.Fluit2′
09.Cornet V(B)
10.Mixtuur III-VI 0(J)
11.Scherp III-IV(J)
12.Trompet8′(B)
13.Touzijn8′(n)
Tremulant(n)
II Hoofdwerk C–f3
15.Prestant16′ 0(B)
16.Bourdon16′(B)
17.Octaaf08′(B)
18.Roerfluit08′(B)
19.Octaaf04′(B)
20.Gemshoorn04′(n)
21.Quint03′(B)
22.Octaaf02′(B)
23.Woudfluit02′(n)
24.Sesquialter IV(n)
25.Mixtuur IV-VIII 0(B)
26.Fagot16′(B)
27.Trompet08′(n)
III Bovenwerk C–f3
28.Prestant8′(B)
29.Holpijp8′(B)
30.Baarpijp8′(B)
31.Fluit travers8′(B)
32.Viola di Gamba 08′(B)
33.Octaaf4′(J)
34.Openfluit4′(J)
35.Roerquint223(n)
36.Gemshoorn2′(J)
37.Flageolet1′(J)
38.Carillon III(B)
39.Echotrompet8′(B)
40.Vox Humana8′(n)
Tremulant(n)
Pedaal C–f1
41.Prestant16′(B)
42.Open Subbas 016′(B)
43.Octaafbas08′(B)
44.Fluitbas08′(B)
45.Roerquint0513
46.Octaaf04′(J)
47.Mixtuur IV
48.Bazuin16′
49.Trombone08′(B)
50.Trompet04′(B)
51.Cinq02′(B)
  • Anmerkungen:
(J) = Register ganz oder in Teilen von 1571 (Peter Jantz)
(h) = Register von vor 1871
(B) = Register von 1831 (Jonathan Bätz)
(n) = Register von nach 1975

Glocken

Salvatorglocke

In der unteren Glockenstube hängt ein Geläut aus 14 Glocken. Gerhardus de Wou goss 1505 eine diatonische Reihe von 13 Glocken zu einem der mächtigsten Geläute Europas. Hierfür wurde der vorherige Glockenbestand teilweise geschmolzen, teils verkauft. Die sieben modernen Eijsbouts-Glocken ersetzen die jeweils ton- und rippengleichen Van-Wou-Glocken, die 1664 zur Finanzierung des Carillons eingeschmolzen wurden. Die vierzehnte Glocke gehört nicht zum eigentlichen Hauptgeläut und hing vermutlich im ehemaligen Dachreiter über der Vierung. Seit 1979 werden alle Glocken von der rund 50-köpfigen Utrechter Läutegilde sowohl zu kirchlichen als auch zu profanen Anlässen von Hand geläutet. Dabei nimmt die große Salvatorglocke in Kombination mit anderen Glocken ihren Dienst nur zu hohen Festtagen auf:

Das Vollgeläut[3] erklingt jeweils am Neujahrstag um Mitternacht zum Jahreswechsel und zur Eröffnung des Oude-Muziek-Festivals gegen 12 Uhr.[4]

Schematische Darstellung der Aufhängung der Glocken im Glockenstuhl. Alle Glocken hängen im Holzglockenstuhl an geraden Stahljochen.
Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Durchmesser
(mm)
Masse
(kg)
Schlagton
(HT-1/16)[5]
01Salvator1505Gerhardus de Wou2.2708.227fis0
02Maria2.0305.915gis0
03Martinus1.8204.273ais0
04Michael1.7003.343h0
05Johannes Baptista1.5302.398cis1
06Maria Magdalena1.3601.655dis1
07Agnes Maior1982Koninklijke Eijsbouts, Asten1.2701.305e1
08Agnes Minor1.2201.146eis1
09Pontianus1.1400.942fis1
10Campana crucis1.0200.662gis1
11Beningnus0.9100.467ais1
12Thomas0.8500.396h1
13Adrianus0.7600.281cis2
14Jesus, Maria, Johannes1506Gerhardus de Wou0.8200.392h1

Außer dem Geläut befindet sich im achteckigen Teil des Turms ein historisch bedeutendes Carillon aus fünfzig Glocken, 1663 gegossen von den Brüdern Hemony.[6] Jacob van Eyck war im 17. Jahrhundert Glockenspieler des Domes.

Maße

Chorapsis mit Altar, von Osten gesehen
  • Gesamtlänge außen vor Schiffeinsturz: 119 Meter (Turm einbegriffen)
  • Länge des Querhauses außen: 49 Meter
  • Innenhöhe der Chorgewölbe: 31,5 Meter
  • Höhe des Dachfirstes: 41,6 Meter
  • Grundfläche des Turmes: 19,3 × 19,5 Meter
  • Turmhöhe: 112,32 Meter

Weblinks

Commons: Utrecht Dom church – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. https://www.johannus.com/uploads/OKEY_128_Johannus_LiVE_Test.pdf
  2. Nähere Informationen zur großen Orgel (Memento vom 18. August 2011 im Internet Archive)
  3. Videoaufnahme des Vollgeläuts: Teil 1 (09:48 min), Teil 2 (09:57 min).
  4. Dom-Läuteordnung für das Jahr 2011; PDF-Datei (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  5. Sjoerd van Geuns: Beiträge zur Geschichte des Utrechter Domgeläuts. In: Konrad Bund, Jörg Poettgen (Hgg.): Jahrbuch für Glockenkunde. Bd. 5/6, Carl Lang’sche Druckerei und Verlag, Köln 1995, S. 60.
  6. Wim Alings: Kentekens in stad en land. Nefkens, Utrecht 1978, S. 37.

Koordinaten: 52° 5′ 27″ N, 5° 7′ 18″ O

Auf dieser Seite verwendete Medien

Utrecht Dom Sint Martin Innen Chor 01.jpg
Autor/Urheber: Zairon, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Chor des Doms, Utrecht, Provinz Utrecht, Niederlande
Dom voor storm (retoucheerd).jpg
Dom von Utrecht, signiert kurz vor dem 1 August 1674, als ein Sommersturm das Mittelschiff zerstörte.
Utrecht Dom Salvatorklok.jpg
Autor/Urheber: Andreasdz, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
Salvator-Glocke im Dom zu Utrecht.
Plattegrond Domkerk 3.JPG
Autor/Urheber: pepijntje, Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Plattegrond Domkerk
35973-Domkerk Interieur.jpg
Autor/Urheber: Johan Bakker, Lizenz: CC BY-SA 3.0 nl
Dieses Bild zeigt das rijksmonument mit der Nummer 35973
Fragment Meester van Utrecht.jpg
Fragment uit een drieluik met de kruisiging van het middenpaneel met Christus aan het kruis met op de achtergrond een profiel van de stad Utrecht.
Dispositie klokken Domtoren.JPG
Dispositie klokken Domtoren Utrecht
Orgel Domkerk.JPG
Autor/Urheber: Pepijntje, Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Organ of Utrecht Cathedral
DomTorenUtrechtNederland.jpg
Autor/Urheber: Massimo Catarinella, Lizenz: CC BY 3.0
The Dom Tower in Utrecht, the Netherlands is one of the best known landmarks of this country. This gothic tower is the highest church tower (112,5 metres/368 feet) in the Netherlands and was built between 1321 and 1382 as part of the Cathedral of St. Martin. The resolution of the original photograph is 7768*4150.