Urgewald

urgewald
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Rechtsformeingetragener Verein
Gründung1992
GründerinHeffa Schücking
SitzSassenberg
MottoAnwalt für Umwelt und Menschenrechte
SchwerpunktUmweltschutz, Menschenrechte
MethodeKampagnen, Lobbyarbeit
Umsatz2.243.117 Euro (2019)
Beschäftigte40[1]
Mitglieder< 40
Websiteurgewald.org

Urgewald ist ein deutscher gemeinnütziger Verein mit Sitz in Sassenberg, der sich seit 1992 für Umweltschutz und Menschenrechte einsetzt. Er begleitet als Umweltschutzorganisation die deutsche Wirtschafts- und Entwicklungspolitik kritisch und dokumentiert u. a. die sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen von Exportkrediten wie z. B. Hermes-Bürgschaften,[2] für Energieerzeugungs- bzw. Staudamm-Projekte,[3] für Atomkraft-Vorhaben und der Papierproduktion.[4][5][6]

In der Studie Bittere Kohle in Zusammenarbeit mit „Keepers of the Mountains“ und der Menschenrechtsorganisation FIAN kritisiert Urgewald die Verlagerung der Ewigkeitskosten im Steinkohlebergbau nach Kolumbien, Südafrika, USA und Russland, insbesondere durch das Wegsprengen von Bergspitzen durch Mountaintop removal mining. Gefordert werden Transparenz bei Steinkohleimporten für die deutsche Stromproduktion sowie verbindliche und überprüfbare Sozial- und Umweltstandards.[7][8]

In der Bewegung des Divestments aus fossilen Energie-Unternehmen wurden unter entscheidender Mithilfe von Urgewald Erfolge erzielt:[9] So erklärten der Allianz-Konzern sowie der Pensionsfonds Norwegens – größter Staatsfonds der Welt (Stand 2013) – den deutlichen Abbau von Investitionen in die Kohleindustrie.[10][11]

Arbeitsweise und Kampagnen

Um Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, organisiert Urgewald regelmäßig Kampagnen.

Diese beziehen sich zumeist auf kritische Sektoren wie Rüstungshandel[12], Atomkraftwerke[13] oder die Kohleindustrie[14]. Im Fokus steht dabei die tragende Rolle von Finanziers, wie Banken, Versicherer und Investoren, mit deren Geld Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen finanziert werden. In diesem Zuge geraten auch (multilaterale) Entwicklungsbanken sowie deren Entwicklungsprojekte in Kritik.[15]

Große Aufmerksamkeit erregten darüber hinaus konzertierte Aktionen:

  • Urgewald hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ein Konsortium europäischer Banken Pläne zur Finanzierung eines bulgarischen Kernkraftwerks im erdbebengefährdeten Belene zurückgezogen hat.[16][17]
  • Urgewald wandte sich gegen die Finanzierung der Dakota Access Pipeline[18] und verweist auf das von der Partnerorganisation BankTrack zusammengestellte Zahlenmaterial.[19]

Kritisch ins Visier nahm Urgewald im Besonderen die Deutsche Bank,[20] die Bayerische Landesbank[21] und Thyssenkrupp.[22]

Recherchen zur Kohle-, Öl- und Gasindustrie

Auf der UN-Klimakonferenz in Bonn 2017 (COP 23) stellte Urgewald eine selbst recherchierte Datenbank über die größten Kohlefirmen weltweit vor, mit der es z. B. Finanzdienstleistern eigene Recherchen zu entsprechendem Anlagemanagement und Divestment-Entscheidungen erleichtern will. Die Liste der 775 Unternehmen wurde mit weiteren Informationen unter dem Titel Global Coal Exit List: Divestment Made Easy! („Liste zum globalen Kohleausstieg: Divestment leicht gemacht!“) auf coalexit.org veröffentlicht.[23]

Im Oktober 2018 folgte die Coal Plant Developers List („Liste der Entwickler von Kohlekraftwerken“). Diese enthält aktualisierte Informationen zu den 120 Unternehmen, die nach Urgewalds Kriterien am wichtigsten für ein Divestment aus der Kohle seien. Zwei Monate darauf veröffentlichte Urgewald zusammen mit BankTrack und 26 weiteren Nichtregierungsorganisationen Daten zu jenen Banken und Investoren, welche die 120 Unternehmen der Coal Plant Developers List finanzieren.[24]

Im November 2021 präsentierte Urgewald seine neue Datenbank „Global Oil and Gas Exit List“ (GOGEL) auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP 26).[25] Die Liste umfasst derzeit 887 Unternehmen und bildet damit knapp 95 % der weltweiten Öl- und Gasproduktion ab. Mit Hilfe von GOGEL sollen sowohl öffentliche als auch private Finanzinstitute dazu bewegt werden, die Expansion der Öl- und Gasbranche nicht länger zu unterstützen.[26]

Erfolge

Zu den größten Erfolgen von Urgewald gehören die verschiedenen Divestment-Entscheidungen, die maßgeblich von der Organisation mit herbeigeführt wurden. Zu den größten Erfolgen gehörten u. a. die Divestment-Entscheidung des Staatlichen Pensionsfonds des Königreiches Norwegen im Jahr 2015,[27] und der Ausstieg von großen Versicherungsunternehmen wie Axa und Allianz aus der Versicherung von Kohlegeschäften.[28]

Rassismusdebatte

Im Sommer 2020 gab es eine Rassismusdebatte, weil in einem Tweet von Greenpeace der Name der Umweltschutzorganisation Urgewald zwar genannt wurde, die als einzige Person of Color mitwirkende Urgewald-Aktivistin Tonny Nowshin aber nicht auf den veröffentlichten Fotos gezeigt wurde, sondern nur die weißen Aktivisten von Fridays for Future und Greenpeace.[29][30][31][32][33]

Struktur

Der Vorstand besteht aus Hedwig Tarner, Werner Rolf und Christoph Benze.[34] Geschäftsführerin ist Heffa Schücking. Urgewald ist Mitglied im Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Auszeichnungen

2010: Preis für Zivilcourage der Solbach-Freise-Stiftung

Einzelnachweise

  1. [1], Stand: Dezember 2021
  2. Zeit online: Urgewald gegen Hermes vom 1. August 2010
  3. Spiegel Online: Urgewald stoppt Staudamm-Projekt vom 1. November 1995
  4. Urgewald: Kampagnen
  5. Spiegel Online: Kampf gegen die Armen vom 18. Dezember 2000
  6. FAZ: Warme Worte – kalte Überforderung vom 10. Dezember 2008
  7. Sterben für deutschen Kohlestrom, Alexandra Endres in: Die Zeit, 16. April 2013, abgerufen am 18. Juli 2013
  8. Bittere Steinkohle, Haidy Damm in: neues deutschland, 17. April 2013, abgerufen am 18. Juli 2013
  9. Klima-Allianz Deutschland, 24. November 2015, die-klima-allianz.de: Allianz verabschiedet sich von der Kohle: Großer Erfolg der urgewald-Divestment-Kampagne!, abgerufen am 25. November 2016
  10. zeit.de, 24. November 2015, Alexandra Endres: Ein Sieg für die Kohle-Gegner, abgerufen am 25. November 2016
  11. heise.de, TELEPOLIS, 7. Juni 2015, Thomas Pany: Norwegen beschliesst Kohle Divestment, abgerufen am 25. November 2016
  12. Broschüre: Die Waffen meiner Bank. In: urgewald e. V. 5. April 2016 (urgewald.org [abgerufen am 9. Dezember 2016]).
  13. Angra 3, Brasilien. In: urgewald e. V. (urgewald.org [abgerufen am 9. Dezember 2016]).
  14. Deutsche Finanzinstitute und Kohle. In: urgewald e. V. 18. Januar 2016 (urgewald.org [abgerufen am 9. Dezember 2016]).
  15. Weltbank: Schattenseiten für Klima & Menschen | urgewald. Abgerufen am 8. Februar 2019.
  16. Süddeutsche Zeitung: Banken beugen sich Öko-Gruppe vom 21. Oktober 2006.
  17. Süddeutsche Zeitung: Aus für Belene vom 29. Oktober 2009.
  18. Bayern LB: Geldgeber der Skandal-Ölpipeline „Dakota Access“. In: urgewald e. V. (urgewald.org [abgerufen am 9. Dezember 2016]).
  19. Dakota Access Pipeline, Sectors: oil and gas. BankTrack, 10. Januar 2017, abgerufen am 25. Januar 2017 (englisch).
  20. Deutsche Bank: Kulturwandel nicht in Sicht! In: urgewald e. V. 3. November 2010 (urgewald.org [abgerufen am 9. Dezember 2016]).
  21. BayernLB. In: urgewald e. V. (urgewald.org [abgerufen am 9. Dezember 2016]).
  22. ThyssenKrupp. In: urgewald e. V. (urgewald.org [abgerufen am 9. Dezember 2016]).
  23. coalexit.org: Global Coal Exit List: Divestment Made Easy! (28. November 2017)
  24. Investments in Coal Power Expansion | coalexit.org. Abgerufen am 8. Februar 2019.
  25. NGOs veröffentlichen die „Global Oil & Gas Exit List“ auf der COP 26 in Glasgow | urgewald e.V. Abgerufen am 3. Dezember 2021.
  26. gogel.org. Abgerufen am 3. Dezember 2021.
  27. Norwegen macht Ernst mit Divestment. In: klimaretter.info. 10. März 2016 (klimaretter.info [abgerufen am 22. November 2018]).
  28. Frankfurter Rundschau: Versicherer: Allianz steigt aus Kohle aus. In: Frankfurter Rundschau. 4. Mai 2018 (fr.de [abgerufen am 22. November 2018]).
  29. Die Klimabewegung hat ein Rassismusproblem. In: klimareporter.de. 17. Juni 2020, abgerufen am 3. August 2020 (deutsch).
  30. Tonny Nowshin: Klimabewegung und Diskriminierung: Grüner Rassismus. In: Die Tageszeitung: taz. 18. Juni 2020, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 3. August 2020]).
  31. Ein Vorwurf, der uns trifft. In: greenpeace.de. 18. Juni 2020, abgerufen am 3. August 2020.
  32. Bewegung reagiert: Das Rassismus-Problem von Fridays for Future. In: watson.de. 13. Juli 2020, abgerufen am 3. August 2020.
  33. „In den Medien wird mehr über weiße Schulkinder berichtet“, jetzt.de, 26. Juli 2020
  34. Urgewald: Impressum

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