Typographischer Kreislauf

(c) Willi Heidelbach, CC BY 2.5
Teil eines Setzkastens mit Lettern, mehrere Zeilen sind im Winkelhaken gesetzt

Typographischer Kreislauf bezeichnet den für den historischen Bleisatz typischen Weg der beweglichen Lettern aus dem Setzkasten heraus zum Zweck des Buchdrucks und wieder zurück. Der Begriff wurde 1985 von Martin Boghardt geprägt.

Der Ablauf bestand aus folgenden Schritten: Anordnen der Lettern in Zeilen im Winkelhaken, Zusammenfügen der Zeilen im Setzerschiff zu Kolumnen, Ausschießen der Kolumnen in Druckformen, Revision des Satzes nach dem Korrekturlesen der Korrekturfahnen, dann der eigentliche Druckvorgang, anschließend Waschen und Auflösen der Lettern aus den Druckformen und schließlich Zurückordnen der Lettern in den Setzkasten. Korrekturabläufe mit Ersetzen, Einfügen oder Herausnehmen einzelner Lettern aus dem Satz störten beziehungsweise verzögerten die Arbeiten erheblich. Durch den typographischen Kreislauf entstehen Unterschiede im Druckbild bei weiteren Auflagen, da das Satzbild nicht vollständig identisch nachgesetzt wurde.[1] Diese Unterschiede lassen sich heute digital nachweisen.[2][3]

Der Stehsatz war eine Ausnahme vom Prinzip des typographischen Kreislaufs.

„In seiner seit Gutenbergs Zeiten geübten Form beruht der Buchdruck auf der Beweglichkeit und der Wiederverwendbarkeit von Einzellettern. Der Druck eines Textes erfolgte in einem ständigen Umwälzungsprozeß, in dem mit einer verhältnismäßig kleinen Letternmenge immer wieder gesetzt, gedruckt und nach Reinigen und «Ablegen» erneut gesetzt wurde. Benötigt wurde im Mindestfalle lediglich das Typenmaterial für die Schön- und Widerdruckform eines einzigen Bogens im gewählten Format.“

Martin Boghardt: Der Buchdruck als Überlieferungsträger, Rom 1985, S. 5

Literatur

  • Martin Boghardt: Der Buchdruck als Überlieferungsträger, in: Trasmissione, dei Testi a Stampa nel Periodo Moderno, Vol. I, hg. von Giovanni Crapulli, Rom 1985 (Lessico Intellettuale Europeo XXXVI), S. 1–15, mit 18 Abbildungen
  • Lexikon des gesamten Buchwesens, Band VII: Schuhe bauen – Uzès. - 2., vollst. neu bearb. Auflage, Stuttgart: Hiersemann 2007, ISBN 978-3-7772-0716-2, S. 540.
  • Martin Boghardt: Der Buchdruck und das Prinzip des typographischen Kreislaufs. Modell einer Erfindung, in: Gutenberg: 550 Jahre Buchdruck in Europa [Ausstellung im Zeughaus der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 5. Mai bis 30. September 1990; Ausstellung und Katalog: Paul Raabe mit Beiträgen von Martin Boghardt u. a.], Kongress: Ausstellung Gutenberg, 550 Jahre Buchdruck in Europa (Wolfenbüttel 1990). Weinheim: VCH, Acta humaniora, 1990. (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek; 62) ISBN 3-527-17824-4, S. 24–44.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Arbeitshilfe Manifestationen: verschiedene Ausgaben versus Druckvarianten. Deutsche Nationalbibliothek, Arbeitsstelle für Standardisierung (AfS), 31. Juli 2019, abgerufen am 14. September 2022.
  2. New tech for old books: collating Thomas Browne | RCP Museum. Abgerufen am 14. September 2022.
  3. Traherne Digital Collator. In: The Oxford Traherne. Abgerufen am 15. Mai 2023 (englisch).

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Metal movable type.jpg
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Bewegliche Lettern, die zu einem englischen Text zusammengesetzt sind: “The quick brown fox jumps over the lazy dog and feels as if he were in the seventh heaven of typography together with Hermann Zapf, the most famous artist of the” (»Der schnelle braune Fuchs springt über den faulen Hund und fühlt sich, als wäre er im siebten Himmel der Typographie zusammen mit Hermann Zapf, dem berühmtesten Künstler der«.) Dies ist ein Satz, in dem alle Buchstaben vorkommen, ein Pangramm.