Theodore von Kármán

Theodore von Kármán (1950)

Theodore von Kármán (* 11. Mai 1881 in Budapest, Österreich-Ungarn als Tódor Kármán; † 7. Mai 1963 in Aachen) war ein ungarisch-amerikanischer Physiker und Luftfahrttechniker. Er gilt als Pionier der modernen Aerodynamik und der Luftfahrt- und Raketenforschung.

Leben

Durch den Beerenberg auf der Insel Jan Mayen verursachte Kármánsche Wirbelstraße in den Wolken
Theodore-von-Kármán-Briefmarke, USA 1991

Von Kármán wurde als drittes von fünf Kindern geboren und entstammte einer angesehenen jüdischen Familie aus Budapest. Sein Vater lehrte Pädagogik in Budapest. Sohn Theodore von Kármán studierte von 1898 bis 1902 Ingenieurwissenschaft an der Technischen Universität Budapest. 1903 arbeitete er als Hochschulassistent und zugleich auch bei Ganz & Cie. Ein Stipendium erlaubte ihm 1906 einen Wechsel an die Universität Göttingen zu Ludwig Prandtl und Felix Klein, wo er 1908 mit einer Arbeit über Elastizitätstheorie promovierte (Knickfestigkeit von Stäben).[1] 1910 habilitierte er sich in Göttingen.

1911 und 1912 veröffentlichte von Kármán seine wohl bekannteste Arbeit über die später nach ihm benannten Kármánschen Wirbelstraßen. In Göttingen arbeitete er auch mit Max Born über spezifische Wärme in der Quantentheorie der Kristallgitter (Born-von-Kármán-Modell).

Mit einigen seiner frühen Arbeiten wird er auch zu den Pionieren der Plastizitätstheorie gezählt. 1910 und 1913 schrieb er die Artikel über Festigkeitslehre in der Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften (teilweise mit August Föppl) und 1910 erfand er das Triaxialgerät. Auch in den 1920er Jahren veröffentlichte er noch Arbeiten zur Plastizitätstheorie.[2]

1913 folgte er einem Ruf an die „Königlich Rheinisch-Westphälische Polytechnische Schule“ zu Aachen (heute: RWTH Aachen), an der er fortan das Institut für Mechanik und flugtechnische Aerodynamik (heute Institut für Allgemeine Mechanik)[3] leitete. Ab 1925 lebte er im benachbarten niederländischen Vaals.

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges führte von Kármán gemeinsam mit den Konstrukteuren Stephan Petróczy von Petrócz und Wilhelm Zurovec im Auftrag der k.u.k. Armee erfolgreiche Flugversuche mit den nach ihnen benannten Schraubenfesselfliegern PKZ-1 und PKZ-2 durch. Durch solche senkrecht aufsteigenden Fluggeräte sollten die bis dahin üblichen Fesselballone zur Feindbeobachtung ersetzt werden. Der PKZ-2 erreichte eine Flughöhe von rund 50 Metern, was zu jener Zeit einen Rekord darstellte. Bei einem Demonstrationsflug am 10. Juni 1918 in Fischamend stürzte das Gerät ab. Der zu Ende gehende Krieg verhinderte eine weitere Entwicklung.[4][5]

1919 war von Kármán ein enger Mitarbeiter von Béla Fogarasi in der Hauptabteilung für das Hochschulwesen der Ungarischen Räterepublik.[6]

Im Jahr 1920 gründete von Kármán gemeinsam mit Wolfgang Klemperer die Flugwissenschaftliche Vereinigung Aachen[7], ein bis heute in der Luft- und Raumfahrtforschung aktiver Verein aus Studierenden der RWTH und FH Aachen. Von Kármán konstruierte dort gemeinsam mit Klemperer das Segelflugzeug FVA-1 „Schwatze Düvel“ anlässlich des „ersten Rhön-Gleit- und Segelflugwettbewerbes“, den Klemperer mit seiner Konstruktion siegreich beenden konnte.[8]

Ab 1926 begann er seine Forschungstätigkeiten in die USA zu verlagern. Dort arbeitete er am California Institute of Technology, wo er 1929 die Leitung des Aeronautical Laboratory übernahm und bis 1949 behielt. Anfangs pendelte er zwischen den USA und Deutschland hin und her. 1933 stellte von Kármán in Aachen einen Antrag auf Beurlaubung, der ihm gewährt wurde, falls er danach mindestens ein ganzes Studienjahr in Aachen bliebe.

Im Frühjahr 1933 begannen auch an der RWTH Aachen die Denunziationsmaßnahmen der Studentenschaft. Hierbei ließen der ASTA (Allgemeiner Studentenausschuss) und die Studentenführer dem hierfür extra eingesetzten Denunziationsausschuss, bestehend aus Hermann Bonin, Hubert Hoff, Felix Rötscher, Adolf Wallichs, und Robert Hans Wentzel, Mitteilungen darüber zukommen, welche der Dozenten und Professoren „nicht arischer“ Abstammung waren oder vermeintlich oder tatsächlich eine unerwünschte politische Einstellung hatten. Von Kármán sollte demnach gemäß dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums auf Grund seiner jüdischen Herkunft zusammen mit den anderen nicht „arischen“ Professoren Otto Blumenthal, Arthur Guttmann, Walter Maximilian Fuchs, Ludwig Hopf, Paul Ernst Levy, Karl Walter Mautner, Alfred Meusel, Leopold Karl Pick, Rudolf Ruer, Hermann Salmang und Ludwig Strauss die Lehrerlaubnis entzogen werden. 1934 wurde er aus dem Staatsdienst offiziell entlassen. Trotz der Entlassung wollte das deutsche Luftfahrtministerium den Experten für Aerodynamik als Berater engagieren, was von Kármán aber ablehnte.

In Pasadena, Kalifornien, baute von Kármán das Jet Propulsion Laboratory auf. Er war Berater der US Air Force und gründete das Aerospace Medicine Panel der Advisory Group of Aerospace Research and Development (AGARD), eine Luftfahrtforschungseinrichtung der späteren NATO. Im Jahre 1942 gründete er die Aerojet General Corporation. Sie wurde zu einem weltweit führenden Hersteller für Raketentechnologie.

Von dessen Gründung im Jahr 1956 bis zu seinem Tod war von Kármán in Belgien Institutsleiter des nach ihm benannten Von Karman Institut für Strömungsmechanik.[9] Er verstarb 1963 während einer Kur in Aachen.

Ehrungen und Mitgliedschaften

Göttinger Gedenktafel für Theodore von Kármán, hier unter dem Namen Kármán Tódor.

Die RWTH Aachen besitzt einen Auditorienkomplex mit Namen Kármán-Auditorium, das an der Kármánstraße liegt; in der niederländischen Nachbargemeinde Vaals gibt es eine Straße namens Professor von Kármánstraat. Ein Studentenwohnheim des Aachener Studentenwerks trägt seinen Namen, auch die studentische Zeitung hat seinen Namen zu ihrem gewählt.[10] Ebenfalls nach ihm benannt wurde die sogenannte Kármán-Linie, die gedachte Grenze zum Weltraum.

1928 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Bologna (Mathematische Probleme der modernen Aerodynamik).

Theodore von Kármán war Ehrenmitglied oder Mitglied in 41 nationalen wissenschaftlichen Gesellschaften zwölf verschiedener Länder und 28 (29?) Mal wurde ihm die Ehrendoktorwürde verliehen, darunter auch von drei deutschen Hochschulen.

Darüber hinaus erhielt er mehr als dreißig verschiedene Ehrungen und besondere Auszeichnungen. Er erhielt 1946 die Medal for Merit, damals die höchste zivile Auszeichnung der USA. Seit 1938 war er Mitglied der National Academy of Sciences.[11] 1941 wurde von Kármán in die American Philosophical Society[12] und 1948 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.[13] 1961 wurde er mit der James-Watt-Medaille ausgezeichnet. Ihm wurde als erstem Wissenschaftler für seine Verdienste in Wissenschaft, Technik und Ausbildung 1963 vom amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy der Orden National Medal of Science verliehen.

Im Jahr 1956 wurde er Mitglied im International Council of the Aeronautical Sciences (ICAS) und 1960 in der International Academy of Astronautics. ICAS verleiht die Von Kármán Medal for International Cooperation in Aeronautics – etwa im September 1994 an den Windkanal ETW.[14]

Im Jahre 1991 gab die amerikanische Post zu Ehren seines 110. Geburtstags eine Sonderbriefmarke heraus. Ihm zu Ehren werden die Von-Karman-Medaille (f. technische Mechanik) und der Theodore von Kármán Prize (f. angewandte Mathematik) verliehen.

Nach Theodore von Kármán sind der Krater Von Kármán auf dem Mond und ein Marskrater benannt.[15] Ferner ist er Namensgeber für die Insel Kármán Island in der Antarktis. Der deutsche Bildhauer Bernhard Halbreiter (1881–1940) schuf 1933 eine etwa 50 cm große Bronzebüste von ihm.

Werke

  • Collected Works of Theodore von Kármán (1902–1951). 4 Bände, London: Butterworth Scientific Publications, 1956.

Literatur

  • Engelbert Zaschka: Drehflügelflugzeuge. Trag- und Hubschrauber. C.J.E. Volckmann Nachf. E. Wette, Berlin-Charlottenburg 1936, OCLC 20483709.
  • Paul A. Hanle: Bringing aerodynamics to America. Cambridge, Mass.: MIT Press, 1982.
  • Kärin Nickelsen (Mitarb.): Theodore von Kármán – Flugzeuge für die Welt und eine Stiftung für Bern. Birkhäuser, Basel 2004, ISBN 3-7643-7135-8.
  • Theodore von Kármán: Aerodynamics – selected topics in the light of their historical development. Dover Publications, Mineola, N.Y. 2004, ISBN 0-486-43485-0 (deutsch Genf 1956).
  • Alexander Naumann: Kármán, Theodor von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 277 f. (Digitalisat).
  • Karman: Collected Works. 4 Bände, London 1956.
  • Theodore von Kármán, Lee Edson: Die Wirbelstraße. Mein Leben für die Luftfahrt. Hoffmann und Campe, Hamburg 1968 [Englische Originalausgabe The wind and beyond 1967 beim Verlag Little, Brown and Company, Boston/Toronto].
  • Karl-Eugen Kurrer: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium, Ernst & Sohn 2018, S. 600 ff., 1012 f. (Biografie), ISBN 978-3-433-03229-9.
  • Michael H. Gorn: The universal man. Théodore von Kármán’s life in aeronautics. Smithsonian Inst. Pr., Washington, D.C. 1992, ISBN 1-56098-165-2.
  • István Hargittai: The Martians of science – five physicists who changed the twentieth century. (T.v. Kármán, Edward Teller, John von Neumann, Leó Szilárd, Eugene Paul Wigner), Oxford Univ. Press, Oxford 2006, ISBN 978-0-19-517845-6.

Weblinks

Commons: Theodore von Kármán – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise

  1. Theodore von Kármán im Mathematics Genealogy Project (englisch) Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendet
  2. Karman Über elastische Grenzzustände, Proc. 1. Internat. Congress Applied Mechanics 1924, Beitrag zur Theorie des Walzvorgangs, Z. Angew. Math. Mechanik, Band 5, 1925, S. 139–141.
  3. Die Geschichte des Institutes für Mechanik (Memento vom 18. Februar 2011 im Internet Archive) www.iam.rwth-aachen.de (zugriff=2011-03-18)
  4. Johann Werfring: Der gefesselte k.u.k. Senkrechtstarter Artikel in der Wiener Zeitung vom 25. September 2014, Beilage „ProgrammPunkte“, S. 7.
  5. Walter J. Boyne: How the Helicopter changed modern Warfare. New York 2011, ISBN 978-1-58980-700-6, S. 312. online
  6. Gyula Borbándi: Die Kulturpolitik der ungarischen Räterepublik (PDF; 1,5 MB), S. 177, in: Ungarn-Jahrbuch. Zeitschrift für interdisziplinäre Hungarologie. Herausgegeben von Zsolt K. Lengyel, Band 5, 1973, ISBN 3-929906-40-6.
  7. Geschichte. In: FVA. 5. März 2016 (akaflieg.de [abgerufen am 8. Februar 2017]).
  8. FVA 1. In: FVA. 7. März 2016 (akaflieg.de [abgerufen am 8. Februar 2017]).
  9. History. Von Karman Institut für Strömungsmechanik, abgerufen am 27. Dezember 2014 (englisch).
  10. Kármán Hochschulzeitung – Studentische Nachrichten an der RWTH seit 2004
  11. Member Directory: Theodore von Karman. National Academy of Sciences, abgerufen am 14. Dezember 2015 (englisch, Biographical Memoir von Hugh L. Dryden).
  12. Member History: Theodore von Kármán. American Philosophical Society, abgerufen am 18. Oktober 2018.
  13. Members of the American Academy. Listed by election year, 1900–1949 (PDF). Abgerufen am 11. Oktober 2015.
  14. ETW – European Transsonic Windtunnel (Broschüre PDF), abgerufen am 10. Juni 2019.
  15. MARS, VON KARMAN (Memento vom 10. Mai 2010 im Internet Archive) mars_gazetteer,nssdcftp.gsfc.nasa.gov (zugriff=2010-04-16)

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Satellite view of Jan Mayen island with a Von Kármán vortex street shown by cloud vortices, Greenland (on the top) and Norway (on the bottom) Seas
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Briefmarke Theodore von Karman
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Autor/Urheber: Stefan Bellini, Lizenz: CC0
Göttinger Gedenktafel für Tódor Kármán (Theodore von Kármán)
Theodore von Karman - GPN-2000-001500.jpg
Dr. Theodore von Karman, co-founder of the Jet Propulsion Laboratory (JPL) Pasadena, California was an aeronautical theoretician. His contributions in the fields of aerodynamics and aeronautical engineering are well documented and well known to every aerospace engineer.

He was the first winner of the prestigious U.S. Medal of Science presented to him by President John F. Kennedy. As well as being co-founder of JPL, he also was principal founder of a major rocket propulsion firm (Aerojet-General Corp.), the top science advisor to the U.S. Air Force during its transition to jet propulsion aircraft and the top science advisor to NATO.

He was, during much of this time, the fountainhead of aerodynamic thought as head of the Guggenheim Aeronautical Laboratory at the California Institute of Technology (GALCIT) in Pasadena, California. In the May 1956 issue of the Journal of Aeronautical Sciences, it was said of him that "No other man has had so great an impact on the development of aeronautical science in this country. Hundreds of young men became his students and scientific collaborators and were inspired to greater effort." Dr. William H. Pickering, then director of JPL said in 1960 "We wouldn't have an aeronautical science as we know it today, if it weren't for Dr. Thoedore von Karman."

Under his guidance, Caltech's 10 foot wind tunnel was designed, built and operated. Industry firms such as Douglas, Northrop, Hughes, Lockheed, North American, Vultee and Consolidated all tested new aeronautical designs and concepts in GALCIT's tunnel. Even Boeing's own high-speed wind tunnel was heavily influenced by suggestions from von Karman.

The National Advisory Committee for Aeronautics (NACA) became so concerned about GALCIT's growing influence over West coast aviation, it erected the Ames Laboratory in Sunnyvale, California in part to deter an ever widening aeronautical gap that had formed between NACA and GALCIT. From 1936 to 1940, Caltech stood alone as the only university-based rocket research center. Von Karman gambled his prestige by supporting Frank Malina and H.S. Tsien's work on rocketry. Other institutions of higher learning dismissed such research as 'fantastical' and left such endeavors to visionaries like Robert Goddard.

Foundational theoretical research by Von Karman gave rise to the first successful solid-fuel rocket engine firings. This led to federal funding for studies that lead to a form of aircraft rocket propulsion called Jet Assisted Take-Off or (JATO). Success in this endeavor led to von Karman establishing two more highly regarded institutions; both originally dedicated to rocketry: the Aerojet Engineering Company and the Jet Propulsion Laboratory.

The last years of his life were spent in Paris, his favorite city. His interest in aeronautical research and contributions to it never waned. He organized in Paris the NATO Advisory Group for Aeronautical Research and Development (AGARD). Staffed by American and European scientists eager to serve, its many committees investigated such disciplines as propulsion, aerodynamics and electronics. The legacy of his personable leadership and 'soft touch' approach to problem solving was only equalled by his genius.