The Bell Curve
The Bell Curve: Intelligence and Class Structure in American Life ist ein 1994 erschienenes Werk des Politikwissenschaftlers Charles Murray und des Psychologie-Professors Richard Herrnstein von der Harvard University. Der Titel bezieht sich auf die Glockenkurve der Ergebnisse von Intelligenztests. Die Autoren analysierten unter anderem die Daten einer umfassenden Längsschnittstudie zu den Lebensverläufen amerikanischer Jugendlicher im Zeitraum von 1979 bis 1990 (der National Longitudinal Survey of Youth, kurz NLSY). Das Ergebnis ihrer Analysen beschrieben sie in diesem Buch.
Inhalt

Das Buch behandelt die Beziehungen zwischen sozioökonomischer Klasse, Intelligenz und dem Faktor Erbgut. Intelligenz ist nach Meinung der Autoren größtenteils erblich. Die Autoren stellen in ihrem Werk heraus, dass Zugehörigkeiten zu sozioökonomischen Klassen auffallend stark mit der Intelligenz zusammenhängen. So beschreiben sie, dass beispielsweise weiße Amerikaner, die in Intelligenztests einen Wert erzielen, der zu den untersten fünf Prozent gehört, mit einer 15-mal höheren Wahrscheinlichkeit in der Kategorie „arm“ anzusiedeln seien als solche, die bei den Tests in die oberen 5 % gelangten.
Im Laufe des Buches werden mehrere solcher Beispiele, nur mit anderen Bezügen (z. B. Intelligenz und Arbeitslosigkeit oder auch Intelligenz und Erziehung) angeführt, um zu zeigen, wie sich Intelligenz in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft auf die Lebensverhältnisse auswirkt.
Das Buch ist in vier Teile untergliedert:
- Im ersten Teil stellen die Autoren die These auf, dass in den USA die Intelligenz eine wichtige Rolle dafür spiele, welcher Schicht eine Person angehöre. Intelligente Personen würden in höhere Schichten aufsteigen, weniger intelligente Person dagegen würden in niedrigere Schichten absteigen. Dafür, welcher Schicht ein amerikanischer nicht-hispanischer Weißer im Erwachsenenalter angehöre, sei der IQ wichtiger als die Schicht seiner Eltern.
- Im zweiten Teil stellen die Autoren die These auf, dass sich in den USA viele soziale Probleme durch einen niedrigen IQ erklären ließen. So erklären sie Arbeitslosigkeit, Schulversagen, Armut, Mutterschaft Minderjähriger, uneheliche Geburten, Vernachlässigung von Kindern und andere Probleme unter anderem durch einen niedrigen IQ.
- Im dritten Teil stellen die Autoren die These auf, dass sich in den USA verschiedene ethnische Gruppen in ihrem Durchschnitts-IQ unterscheiden. So seien etwa Asiaten durchschnittlich intelligenter als Weiße, während diese durchschnittlich intelligenter als Schwarze seien. Die Autoren diskutieren auch die Ursachen des IQ-Unterschieds von ca. 15 Punkten zwischen schwarzen und weißen US-Amerikanern. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass sowohl die Gene als auch die Umwelt eine Rolle spielen, ohne sich auf prozentuale Anteile festzulegen. Im dritten Teil wird auch der Zusammenhang zwischen Intelligenz und Geburtenrate untersucht.
- Im vierten Teil stellen die Autoren politische Forderungen. Besonders kontrovers ist die Forderung diskutiert worden, dass die amerikanische Sozialpolitik geändert werden müsse, da sie dazu führe, dass Personen mit niedrigem IQ mehr Kinder hätten als Personen mit hohem IQ.
Thesen
Herrnstein und Murray stellen im Zuge der Beschreibung des Faktors Erbgut verschiedene Thesen auf. Eine dieser Thesen besagt, dass die Intelligenz zwischen 40 % und 80 % genetisch bedingt sei, aber auch, dass unterschiedliche Ethnien unterschiedliche Intelligenzlevel haben bzw. qualitative Unterschiede der kognitiven Fähigkeiten auszumachen seien.
Das Werk thematisiert verschiedene Dimensionen der Intelligenz: ihren genetischen Faktor, ihr unterschiedliches Level in den Ethnien, ihre gesellschaftlichen Auswirkungen und besonders deren Verbindungen miteinander. Aus dem Zusammenspiel dieser Verbindungen leiten die Autoren eine der zentralen Thesen des Werkes ab: Im Zuge von Intelligenztests ergab sich, dass schwarze Amerikaner durchschnittlich einen um etwa 15 Punkte niedrigeren IQ als weiße haben. Diese Unterschiede führen Herrnstein und Murray auf deren Gene und auf Umwelteinflüsse zurück. Zudem seien diese Personen aufgrund aller Auswirkungen, die Intelligenz auf einen Menschen hat, in einem Kreislauf gefangen, den sie nicht durchbrechen könnten, weil das Intelligenzniveau zum Beispiel durch Schulbildung nur unwesentlich erhöht werden könne.
Herrnstein und Murray sind auch wegen ihrer politischen Forderungen in die Kritik geraten. In ihrem Buch schlugen sie vor, dass die Hilfen für ledige Mütter abgeschafft werden sollten, denn diese würden dazu führen, dass es sich für unterdurchschnittlich intelligente Frauen finanziell lohne, Kinder zu bekommen:
“The technically precise description of America's fertility policy is that it subsidizes births among poor women, who are also disproportionately at the low end of the intelligence distribution. We urge generally that these policies, represented by the extensive network of cash and services for low-income women who have babies, be ended.”
„Technisch gesehen besteht die amerikanische Reproduktionspolitik aus einer Subvention von Geburten bei armen Frauen, die auch überproportional oft am niedrigen Ende der Intelligenzverteilung liegen. Wir fordern allgemein, dass diese Politik, die sich in einem umfangreichen Netz von Geld- und Dienstleistungen für einkommensschwache Frauen mit Kindern niederschlägt, beendet wird.“[1]
Rezeption des Buches
Reaktion der American Psychological Association (APA)
The Bell Curve löste vor allem in den USA eine erbittert geführte Kontroverse aus. Auf der Höhe des Konflikts wurde eine (u. a. mit Ulric Neisser und Robert Sternberg besetzte) Arbeitsgruppe der American Psychological Association eingerichtet.
Die Aussagen der APA (Stand 1995/1996) sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden[2]
IQ und schulischer Erfolg
Die APA weist auf einen Zusammenhang zwischen IQ und schulischem Erfolg hin. Die Korrelation zwischen IQ und Schulnoten betrage circa 0,5. Die in The Bell Curve postulierte These eines Zusammenhangs zwischen Intelligenz und schulischem Erfolg wird damit von der APA unterstützt.
IQ und Länge der schulischen Ausbildung
Die APA verweist ebenfalls auf einen Zusammenhang zwischen IQ und Länge der schulischen Ausbildung. Die Korrelation liege in diesem Fall bei 0,55. Viele weitere Faktoren haben einen Einfluss auf die Länge der schulischen Ausbildung, die Intelligenztestwerte sind jedoch der erklärungsmächtigste.
IQ, Beruf, sozialer Status und Einkommen
IQ-Werte in der Kindheit und der später ergriffene Beruf weisen der APA zufolge eine signifikante Korrelation auf, und zwar auch noch dann, wenn weitere erklärende Variablen wie Ausbildung und familiärer Hintergrund eliminiert werden. Insoweit werden Murrays und Herrnsteins Thesen unterstützt.
Es ist nach Angaben der APA schwierig genau zu sagen, welchen Einfluss der IQ eines Menschen auf seinen sozialen Status hat, denn dieser ist mit der Sozialschicht seiner Eltern korreliert, die ebenfalls einen Einfluss auf den sozioökonomischen Status einer Person hat (die Korrelation von Status des Elternhauses und IQ liegt nach Angaben von White aus dem Jahr 1982, „The relationship between socioeconomic status und academic achievement“, bei 0,33).[3]
Die American Psychological Association verweist auf eine Studie von Jencks (1979; "Who get's ahead? The determinants of economic success in America"),[4] die versucht beide Einflussfaktoren zu trennen. Eine Möglichkeit, den Zusammenhang zu betrachten, ist mit dem sozioökonomischen Status des Elternhauses anzufangen. Dieser klärt 1/3 der Varianz im Sozialstatus der jungen US-Amerikaner auf (oder in einfacheren Worten: Der Sozialstatus der jungen Erwachsenen ist zu einem Drittel durch den ihrer Eltern erklärbar) und erklärt 1/5 der Varianz im Einkommen. Diese Effekte lassen sich jedoch zur Hälfte durch die Herkunftsschicht bedingte Unterschiede im IQ der jungen Menschen erklären. Andersherum kann man den Zusammenhang auch mit dem IQ anfangend betrachten. Unterschiede im IQ erklären ein Viertel der Varianz im sozioökonomischen Status und 1/6 der Varianz im Einkommen der jungen US-Amerikaner. Wenn man die Effekte der sozialen Herkunft herausrechnet, wird nur ein Viertel der Varianzaufklärung eliminiert.
Rasse und Intelligenz
Die APA weist den von Herrnstein und Murray beschriebenen Zusammenhang von ethnischer Gruppe und Intelligenz nicht zurück, sie verzichtet jedoch auf eine Diskussion der politischen Folgerungen von Herrnstein und Murray, da eine solche nicht Gegenstand ihres Berichts sei.
Weitere Kritikpunkte
Desinformation
Michael Nunley, Professor für Anthropologie an der University of Oklahoma, warf Herrnstein und Murray eine gezielte Desinformation der Öffentlichkeit und Bauernfängerei vor. Er sagte, Herrnstein und Murray würden statistisch unbedarfte Leser mit umstrittener Statistik in die Irre führen. Er bezeichnete sie als "Pied Piper" (der englische Name des Rattenfängers von Hameln). Er bezeichnete das Buch als Betrügerei.[5]
Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen
In ihrer Studie stellten Herrnstein und Murray fest, dass der IQ von amerikanischen Schwarzen um 15 Punkte unter dem von amerikanischen Weißen liegt. Dies stimmt mit den Ergebnissen anderer Studien überein.[6] Als Ursache für den niedrigeren IQ beschrieben die Autoren eine, im Vergleich zu Weißen, angeblich schlechtere genetische Veranlagung von schwarzen US-Amerikanern.
Jeanne Brooks-Gunn und Pamela Klebanov warfen Herrnstein und Murray vor, wichtige Faktoren übersehen zu haben. Da wäre zum Beispiel der Faktor, dass schwarze Kinder in den USA häufiger in Armut aufwachsen. 40 % aller schwarzen Kinder, aber nur 5 % aller weißen Kinder in den USA leben in Armut. Zusätzlich wachsen schwarze Kinder, auch dann wenn sie nicht arm sind, häufig in Problemvierteln auf. Auch sind die Eltern schwarzer Kinder häufiger alleinerziehend, sie sind häufiger minderjährig und häufiger arbeitslos. All dies kann negative Auswirkungen auf den IQ haben.[6] Dagegen zeigte eine Studie von 2012 durch die Auswertung der Daten von 8716 Zwillingspaaren in Großbritannien, dass der soziale Status, in dem Kinder aufwachsen, zwar die Umweltbedingungen der Intelligenzentwicklung beeinflusst, nicht jedoch die genetischen Bedingungen der Intelligenzentwicklung.[7]
Eugenische Motivationen
Steven Fraser wirft Herrnstein und Murray vor, eugenische Motivationen zu haben: „by scrutinizing the footnotes and bibliography in The Bell Curve, readers can more easily recognize the project for what it is: a chilly synthesis of the work of disreputable race theorists and eccentric eugenicists“.[8]
Erblichkeit von Intelligenz

Kritiker der Autoren beziehen sich oft auf Richard Lewontin. Laut Lewontin könnten die IQ-Unterschiede innerhalb einer Schicht zu einem gewissen Prozentsatz genetisch sein, doch dies habe nicht zur Folge, dass die Unterschiede zwischen zwei Schichten auch genetisch sein müssten.[9]
Lewontin versucht, dies mit einer Parabel zu verdeutlichen:
„Man stelle sich vor, man habe einen Sack voll Weizenkörner. Man teile diesen Sack rein zufällig in zwei Hälften. Die eine Hälfte säe man auf einem fruchtbaren Boden, den man gut wässert und düngt. Die andere Hälfte werfe man auf einen kargen Acker. Wenn man nun das erste Feld betrachtet, wird einem auffallen, dass die Weizenähren verschieden groß sind. Man wird dies auf die Gene zurückführen können, denn die Umwelt war für alle Ähren gleich. Wenn man das zweite Feld betrachtet, wird man die Variation innerhalb des Feldes auch auf die Gene zurückführen können. Doch es wird auch auffällig sein, dass es große Unterschiede zwischen dem ersten Feld und dem zweiten Feld gibt. Auf dem ersten Feld sind die Unterschiede zu 100 % genetisch, auf dem zweiten Feld sind die Unterschiede zu 100 % genetisch, doch das heißt nicht, dass die Unterschiede von Feld 1 und Feld 2 auch genetisch sind.“
Turkheimer unterscheidet soziale Schichten hinsichtlich einer genetischen Erblichkeit von Intelligenz. Während Intelligenz in der Mittelschicht zu einem großen Teil erblich sei, sei sie dies in der Unterschicht nicht. Der Grund: Die schlechten Umweltbedingungen in der Unterschicht führten dazu, dass die Kinder ihr genetisch vorgegebenes Potential nicht entwickeln konnten. Auf einer Skala von 0,00 bis 1,00 sei der IQ in der Mittelschicht zu 0,72 von den Genen bestimmt, in der Unterschicht jedoch nur zu 0,10; so Turkheimer.[10]
Zustimmung
Unterstützung bekamen Herrnstein und Murray hingegen aus der Jensen-Tradition der psychometrischen Intelligenzforschung, in der Folge des Hauptwerks von Jensen.[11] Viele dieser Wissenschaftler waren unter den 52 Unterzeichnern des von Linda Gottfredson geschriebenen Stellungnahme „Mainstream Science on Intelligence“, die die zentralen Thesen von The Bell Curve verteidigte.[12]
Siehe auch
Quellen
- ↑ Richard Herrnstein und Charles Murray: The Bell Curve – Intelligence and Class Structure in America. Freepress, 1994, ISBN 0-02-914673-9, S. 548.
- ↑ alle Daten stammen aus: American Psychological Association. Februar 1996 [1] (PDF; 673 kB). American Psychologist
- ↑ Karl R. White: The relation between socioeconomic status and academic achievement. In: Psychological Bulletin. 91. Jahrgang, Nr. 3, 1982, ISSN 1939-1455, S. 461–481, doi:10.1037/0033-2909.91.3.461 (englisch, apa.org [abgerufen am 29. November 2025])., PDF.
- ↑ Christopher Jencks: Who Gets Ahead. Basic Books, 1979, ISBN 978-0-465-09182-9 (englisch).
- ↑ Michael Nunley: The Bell Curve: Too Smooth to be True. In: American Behavioral Scientist. 39. Jahrgang, Nr. 1, 1995, ISSN 0002-7642, S. 74–83, doi:10.1177/0002764295039001008 (englisch, sagepub.com [abgerufen am 29. November 2025]).
- ↑ a b J. Brooks-Gunn, P. K. Klebanov, G. J. Duncan: Ethnic differences in children's intelligence test scores: role of economic deprivation, home environment, and maternal characteristics. In: Child Development. 67. Jahrgang, Nr. 2, 1996, ISSN 0009-3920, S. 396–408, PMID 8625720 (englisch, nih.gov [abgerufen am 28. November 2025]).
- ↑ Ken B. Hanscombe, Maciej Trzaskowski, Claire M. A. Haworth, Oliver S. P. Davis, Philip S. Dale, Robert Plomin: Socioeconomic status (SES) and children's intelligence (IQ): in a UK-representative sample SES moderates the environmental, not genetic, effect on IQ. In: PloS One. 7. Jahrgang, Nr. 2, 2012, ISSN 1932-6203, S. e30320, doi:10.1371/journal.pone.0030320, PMID 22312423, PMC 3270016 (freier Volltext) – (englisch).
- ↑ Steve Fraser: The Bell Curve Wars. Basic Books, 1995, ISBN 978-0-465-00693-9 (englisch).
- ↑ Richard C. Lewontin: Race and Intelligence. In: Bulletin of the Atomic Scientists. 26. Jahrgang, Nr. 3, 1970, ISSN 0096-3402, S. 2–8, doi:10.1080/00963402.1970.11457774 (englisch, tandfonline.com [abgerufen am 29. November 2025]).
- ↑ Eric Turkheimer, Andreana Haley, Mary Waldron, Brian D'Onofrio, Irving I. Gottesman: Socioeconomic status modifies heritability of IQ in young children. In: Psychological Science. 14. Jahrgang, Nr. 6, 2003, ISSN 0956-7976, S. 623–628, doi:10.1046/j.0956-7976.2003.psci_1475.x, PMID 14629696 (englisch, nih.gov [abgerufen am 28. November 2025]).
- ↑ Arthur R. Jensen: How Much Can We Boost IQ and Scholastic Achievement? In: Harvard Educational Review. Bd. 39, Nr. 1, Winter 1969, S. 1–123, PDF.
- ↑ Linda S. Gottfredson: Mainstream Science on Intelligence: An Editorial With 52 Signatories, History, and Bibliography. In: Intelligence. Band 24, Nr. 1. Ablex Publishing Corporation, 1997, ISSN 0160-2896, S. 13–23 (udel.edu [PDF]).
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Autor/Urheber: Alessio Damato, Mikhail Ryazanov, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Current IQ tests typically have standard scores such that the mean score is 100 with each standard deviation from the mean counting for 15 IQ points.[1] The plot shows, assuming that such scores have a normal distribution, the percentage of people getting a score versus the score itself, from 55 to 145 IQ, that is over a span of six standard deviations. Spans are represented with different colors for each standard deviation above or below the mean. The plot was created with the following gnuplot code:
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I made this myself in photoshop using http://www.nyu.edu/gsas/dept/philo/faculty/block/papers/Heritability.html as a source for the diagram, but not the image itself.