Taufe Jesu
Die Taufe Jesu steht im Markusevangelium (1,9–11 ) am Übergang der Predigt Johannes’ des Täufers zur Zeit des öffentlichen Wirkens Jesu von Nazaret. In den beiden anderen synoptischen Evangelien werden außerdem die Geburtsgeschichten vorangestellt (Mt 3,13–17 ; Lk 3,21–22 ). Indirekt geht auch der Evangelist Johannes in Joh 1,29–34 auf die Taufe Jesu ein. Zudem wird sie im apokryphen Hebräerevangelium erwähnt.
Die Johannestaufe symbolisierte Vergebung von Sünden und rief den Getauften zur Umkehr wegen der Nähe des Reiches Gottes auf. Dies kontrastiert bei der Taufe Jesu mit dessen Akklamation als Sohn Gottes. Auch die mit dem Akt der Taufe verbundene Unterordnung Jesu unter Johannes, vielleicht auch längere Zeit einer Jüngerschaft Jesu wurde schon von Urchristen als anstößig empfunden. Daher gilt das Ereignis selbst als historisch gesichert (Differenzkriterium). Die Lateinische Kirche feiert das Fest am Sonntag nach dem 6. Januar.
Biblischer Befund und Historizität
Nach Joh 1,28 wird als Ort der Taufe meist Bethanien am Jordan angenommen, heute archäologische Fundstelle al-Maghtas. Nach Joh 3,23 taufte Johannes auch in Αἰνών (‚Aenon‘ bei Salim), welches später Σαπσαφάς (‚Sapsaphas‘) hieß, und das nach der Mosaikkarte von Madaba auf dem Ostufer des Jordan gegenüber von Bethabara lag. Nach Origenes lag auch Bethanien auf der östlichen Jordanseite,[1] was mit Joh 1,28 korrespondiert: „Dies geschah in Betanien, jenseits des Jordan“.
Johannes der Täufer rief angesichts des kommenden Gottesgerichts und der Wiederkehr des Messias zur Umkehr und zur Taufe als Sündenvergebung auf. „Taufe der Umkehr“ in Mk 1,4 kann allerdings auch ein Abwenden Gottes von einer Strafabsicht bedeuten, entsprechend Jer 18,7–10 und den Sibyllinischen Orakeln 4:152–170 aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. (in einer jüdischen Einfügung in das hellenistische politische Orakel). Auch die Taufe der Qumran-Gemeinschaft betonte die Initiative Gottes. Selbst wenn Umkehr auf den Empfänger der Taufe bezogen ist, symbolisiert die Johannestaufe die positive Antwort des Getauften, keine „menschliche Entscheidung in einem Kontext von Reue und Streben nach Tugend“.[2]
Alle vier Evangelien beschreiben den Auftritt des Täufers mit einem Zitat aus dem Propheten Jesaja: „Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott!“ (Jes 40,3 ). Zu ihm kam auch Jesus, um sich taufen zu lassen. Als Jesus aus dem Wasser stieg, sah er nach der Darstellung der Evangelien den Himmel geöffnet und den Heiligen Geist in Gestalt einer Taube[3] herabkommen. Zugleich hörte er eine Stimme vom Himmel, die ihn „seinen geliebten Sohn“ nannte.[1]
Mk 1,9–11 kann als biographische Legende angesehen werden, oder auch als Kultlegende im Rahmen der urchristlichen Taufe.[4] Jedoch trennt Markus die diesseitige (Vers 9) und jenseitige Sphäre (Verse 10–11). Bei der Offenbarung der Gottessohnschaft steht der Täufer abseits. Er ist weder Ohrenzeuge noch spendet er eine Messiasweihe. Auch kann der Text nicht psychologisierend als Berufungsgeschichte oder -vision verstanden werden.[5][6]
Trotz der legendarisch-theologischen Ausgestaltung und des Bezugs auf Johannes ohne Erwähnung der Jesustaufe in Apg 10,37f. und 13.24f. gilt diese innerhalb der historischen Jesusforschung als eines der sichersten Ereignisse[7]: Für die Anhängerschaft des Täufers Johannes konnte die Taufe bedeuten, dass sich Jesus dem Johannes unterordnete, was für die Christusverkündigung der christlichen Gemeinden eher eine Belastung darstellte. Aber die Tatsache der Taufe ließ sich auch nicht einfach verschweigen. Jesus predigte genau wie Johannes die Umkehr; während aber bei Johannes das Kommen des Messias im Zeichen des Gerichts stand, sah Jesus die Herrschaft Gottes im Zeichen von Liebe und Erbarmen.[1]
Entgegen Markus’ Darstellung eines nur kurzen Kontakts während der Taufe und der in den anderen synoptischen Evangelien apologetisch ausgebauten Unterordnung wird heute oft eine längere Zeit Jesu bei Johannes als dessen Schüler angenommen. Soziologisch wird dann der Ursprung der Jesusbewegung im Täuferkreis gesehen. Als weniger sicher belegt gilt eine nur in Joh 3,23 und 4,1 berichtete eigene Tauftätigkeit Jesu.[7][8]
Christliche Deutung
Die Taufe Jesu wird von einigen Kirchenvätern als Vorwegnahme seines Todes und des Hinabsteigens in die Unterwelt gedeutet: „Das Hinabsteigen Jesu in dieses flüssige Grab [des Jordan], in dieses Inferno, das ihn ganz umschließt, ist so Vorvollzug des Abstiegs in die Unterwelt: ‚Hinabgestiegen in die Wasser, hat er gebunden den Starken.‘“ (vgl. Lk 11,22 ), sagt Cyrill von Jerusalem. Johannes Chrysostomus schreibt: „Untertauchen und Auftauchen sind Bild für Abstieg in die Hölle und Auferstehung.“[9] Der „Abstieg“ Jesu in seinem Kreuzestod wurde in Anklang an jüdische Vorstellungen als mythischer Kampf mit dem Drachen des Bösen verstanden: er führte „bis in den Abyssos der Hölle zum Kampf mit dem Drachen auf Leben und Tod“.[10] Cyrill von Jerusalem schrieb: „Nach Hiob (40,18 ) war in den Wassern der Drache (= Leviathan), der den Jordan mit seinem Rachen aufnahm. Da die Häupter des Drachen zerschmettert werden sollten, stieg Jesus in das Wasser und band den Gewaltigen.“[11]
In Jesu Hineinsteigen ins Wasser des Jordans, dem Untertauchen und Heraussteigen, dem geöffneten Himmel und der Himmelsstimme, die Jesus hörte, kann man eine Antizipation seines Todes und seiner Auferstehung sehen. Zur Bußtaufe des Johannes gehörte das Bekenntnis von Schuld und die Bitte um Vergebung. Wenn Jesus sich diesem Ritus unterwirft, stellt er sich – seinen Tod vorwegnehmend – in die Reihe der sündigenden Menschen, als „Ja zum ganzen Willen Gottes in einer von Sünde gezeichneten Welt“ und „Ausdruck der Solidarität mit den Menschen, die schuldig geworden sind, sich aber nach Gerechtigkeit ausstrecken“.[12]
Die Theologie des Taufsakramentes wird von Paulus in diese Richtung weitergeführt und entfaltet: Der Täufling erhält in der Taufe Anteil an Tod und Auferstehung Jesu und erreicht ein „neues Leben“ in der Gemeinschaft der Kirche (vgl. Römer 6 ).
Fest der Taufe Jesu im Kirchenjahr
Das Ereignis wird im liturgischen Jahr der katholischen Kirche als Fest der Taufe des Herrn (lat. Festum in Baptismate Domini) gefeiert. Die Taufe des Herrn war im Kirchenjahr der lateinischen Kirche seit früher Zeit neben der Anbetung der Sterndeuter und der Hochzeit zu Kana das zweite der drei Festgeheimnisse des Hochfestes der Erscheinung des Herrn, dem 6. Januar, und wurde an dessen Oktavtag, dem 13. Januar, besonders bedacht. Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils verlegte das Fest nach der Abschaffung der Oktav dieses Festes auf den Sonntag nach Erscheinung des Herrn, also dem Sonntag nach dem 6. Januar, wo es den Abschluss der Weihnachtszeit bildet. Oft wird in der Heiligen Messe des Festes Taufe des Herrn die Taufe gespendet oder der eigenen Taufe im Taufgedächtnis gedacht. So ist es im Vatikan Brauch, dass der Papst die Messe zum Fest in der Sixtinischen Kapelle feiert und dabei zahlreichen Kindern die Taufe spendet. In der ordentlichen Form des römischen Ritus gilt dieser Sonntag als der 1. Sonntag im Jahreskreis und die auf ihn folgende Woche ist die 1. Woche im Jahreskreis.
Im evangelischen Kirchenjahr steht am ersten Sonntag nach Epiphanias mit dem Evangelium Mt 3,13–17 die Taufe Jesu im Mittelpunkt[13], ohne dass dieser Tag als „Fest der Taufe Jesu“ bezeichnet würde. In früheren evangelischen Perikopenordnungen wurde das Evangelium von der Taufe Jesu, Mt 3,13–17 , noch an Epiphanias gelesen.[14]
In den Ostkirchen ist das Fest der heiligen Theophanie unseres Herrn, Gottes und Erlösers Jesus Christus[15] („Gotteserscheinung“) gewöhnlich allen drei Festgeheimnissen geweiht, also auch dem Gedächtnis der Taufe Jesu im Jordan, und mit einer Wasserliturgie, der Großen Wasserweihe, verbunden. Nur die Armenische Kirchen feiern an diesem Datum noch miteinander verbunden Geburt, Erscheinung und Taufe des Herrn.
Literatur
- Matthias Apel: Der Anfang in der Wüste – Täufer, Taufe und Versuchung Jesu. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zu den im Markusprolog vereinten Überlieferungen vom Anfang des Evangeliums (= Stuttgarter Biblische Beiträge, 72). Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2013.
- Fritzleo Lentzen-Deis: Die Taufe Jesu nach den Synoptikern. Literarkritische und gattungsgeschichtliche Untersuchungen (= Frankfurter Theologische Studien, 4). Joseph Knecht Verlag, Frankfurt am Main 1970, ISBN 3-7820-0097-8.
Weblinks
- Manfred Becker-Huberti: Kurzerklärung (kath.)
Einzelnachweise
- ↑ a b c Walter Kasper: Jesus der Christus. Mainz 1974, ISBN 3-7867-0464-3, S. 77 unter Verweis auf Rudolf Bultmann: Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen 1921, S. 261ff..
Martin Dibelius: Die Formgeschichte des Evangeliums. Tübingen 1919, S. 270ff.
Fritzleo Lentzen-Deis: Die Taufe Jesu nach den Synoptikern. Frankfurt a. M. 1970. - ↑ Adela Yarbro Collins: Mark: a commentary. Fortress, Minneapolis, MA, 2007, ISBN 978-0-8006-6078-9, S. 140–142.
- ↑ eine alternative Vokalisation von כיונ ergibt statt „wie eine Taube“ den Wortsinn „geradewegs“; so Günther Schwarz (Theologe): Biblische Notizen Nr. 89 (1997).
- ↑ Adela Yarbro Collins: Mark: a commentary. S. 146f.
- ↑ Rudolf Bultmann: Geschichte der synoptischen Tradition. Göttingen 1921, S. 263.
- ↑ Josef Ernst: Johannes der Täufer. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1989, S. 16–19.
- ↑ a b Ulrich B. Müller: Johannes der Täufer. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2002, S. 52–56.
- ↑ Jürgen Becker: Jesus von Nazaret. Walter de Gruyter, Berlin 1995, S. 62.
- ↑ Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.): Jesus von Nazareth. Bd. I: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg u. a. 2007, S. 35–51 (Die Taufe Jesu), hier S. 46.
- ↑ Daniel Krochmalnik: Im Garten der Schrift. Wie Juden die Bibel lesen. Augsburg 2006, S. 38. Photina Rech: Inbild des Kosmos. Eine Symbolik der Schöpfung. Salzburg 1966. Band 2, S. 303–394 (Wasser): 322–324, hier S. 323f.
- ↑ Cyrill von Jerusalem: Über die Taufe (BKV 41), München 1922, S. 56.
- ↑ Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.): Jesus von Nazareth. Bd. 1: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg u. a. 2007, S. 43–45.
- ↑ Karl-Heinrich Bieritz: Der Gottesdienst im Kirchenjahr: Einführung in das Proprium de tempore; in: Evangelisches Gottesdienstbuch. Ergänzungsband; S. 160.
- ↑ Evangelisches Gesangbuch für Rheinland und Westfalen, Anhang S. 55.
- ↑ Das Synaxarion – die Leben der Heiligen der Orthodoxen Kirche. In 2 Bänden. Gestützt auf die 6-bändige Ausgabe des Hl. Klosters Simonos Petra. Erster Band. September bis Februar. Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers, Chania (Kreta) 2006, ISBN 960-88698-1-1, S. 562ff.
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