Talpiot

Einkaufszentrum Kenyon Hadar an der Pierre-Koenig-Straße in Talpiot
Das Theater Jerusalems an der Chopin Street
Orde Wingate Platz, im Hintergrund die Villa Samaleh (Generalkonsulat Belgiens)

Talpiot (hebräisch תַּלְפִּיּוֹתTalpijjōt, deutsch ‚hohe Wehrtürme‘) ist ein Vorort im Südosten von Jerusalem. Das Quartier im Westen der Stadt ist zusammen mit dem benachbarten Rechavia vor allem als exklusiver Nobelvorort bekannt, in dem über die Jahrzehnte hinweg immer wieder bedeutende Denker, Wissenschaftler, Politiker und Kulturschaffende des Staates Israel gelebt haben.

Geschichte

Der Architekt und Stadtplaner Richard Kauffmann hatte 1921 Planungen für einen etwa 800 Häuser umfassenden Gartenvorort für Jerusalem[1] vorgelegt. Die Bebauung des Gebietes von Talpiot durch Juden begann im Jahr 1922. Der Ort wurde nach einem biblischen Vers aus dem Hohelied Salomos 4,4 benannt: "Dein Hals ist wie ein hoher Wehrturm Davids."[2]

Zwischen dem jüdischen Talpiot und dem arabischen Baqʿa eröffnete Khalil as-Sakakini 1938 seine Khulliyyat al-Nahda-Schule, die Gideon Weigert als erster jüdischer Absolvent besuchte.[3]

Infolge des Massakers an Juden im Jahr 1929 verließen viele Bewohner den ungeschützten Ort zeitweise. Die Bewohner kehrten zurück, als die britische Mandatsmacht den Stützpunkt Allenby Camp (hebräisch מחנה אלנבי; Machane Allenby) in Talpiot einrichtete, den die Briten bei ihrem Abzug aus Palästina im Mai 1948 räumten, worauf ihn Mitglieder der Hagana in der Operation Kishon besetzten.[4]

Ende der 1930er Jahre existierte ein Internat der Kinder- und Jugend-Alijah mit deutschen Kindern in Nord Talpiot. Der Dokumentarfilm Es war ein anderes Leben. Mit der Jugend-Alijah nach Palästina (Deutschland 2009) befasst sich mit dem Thema.[5]

Nach dem Krieg um Israels Unabhängigkeit im Jahr 1948/1949 grenzte der Ort zunächst direkt an Jordanien, das das Westjordanland und Ost-Jerusalem 1950 als reguläre Landesteile annektierte. Nach dem Sechstagekrieg 1967 nahm die Wohnbebauung und die Einwohnerzahl des Ortes zu, vormals von der UN zum Niemandsland erklärte Flächen wurden bebaut und es entstand auch ein Industriegebiet.

Grabfunde

1980 wurde das sogenannte Talpiot-Grab entdeckt, in dem unter anderem die Gebeine eines „Jesus, Sohn des Josef“ begraben worden sein sollen.

1990 wurde in Talpiot eine Grablege aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. gefunden, die in der Forschung als mögliches Familiengrab der Kajaphas-Sippe diskutiert wird.[6] Außerdem wurden weitere Grabstätten gefunden, die dazu beigetragen haben, antike Begräbnissitten des Judentums genauer zu analysieren.[7]

Ereignisse

Während einer Hochzeitsfeier mit etwa 600 Gästen brach am 24. Mai 2001 das dritte Stockwerk eines Gebäudes in Talpiot wegen eines Konstruktionsfehlers, Bestechung und Pfusch am Bau zusammen. In diesem Gebäude, einer ehemaligen Fabrikhalle, die zu einer riesigen Festhalle für Hochzeiten mit dem Namen „Versailles“ umgebaut worden war, war das nicht genehmigte „Pal-Kal“-System des Ingenieurs Eli Ron vorschriftswidrig zum Einsatz gekommen. Bei diesem bisher schwersten, nicht von Waffeneinwirkung verursachten Unglück in Israel wurden 23 Personen getötet und mehr als 300 teilweise schwer verletzt.[8][9]

Weblinks

Commons: Talpiot – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ines Sonder: Gartenstädte für Erez Israel zionistische Stadtplanungsvisionen von Theodor Herzl bis Richard Kauffmann. Georg Olms Verlag, 2003, ISBN 3-487-12811-X. (books.google.com abgerufen 6. Dezember 2008)
  2. Zev Vilnay: Israel. Kunst- und Reiseführer mit Landeskunde. 2. Aufl., Stuttgart, Berlin, Köln und Mainz 1987, ISBN 3-17-007717-1, S. 102.
  3. Menachem Klein: Jerusalem: geteilt, vereint – Araber und Juden in einer Stadt. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-633-54289-5, S. 76 (gekürzte deutschsprachige Ausgabe von Lives in Common. Arabs and Jews in Jerusalem, Jaffa, and Hebron, C. Hurst & Co. Publishers, 2014; übersetzt von Eva-Maria Thimme).
  4. War of Independence. In: Encyclopedia of Zionism and Israel. Herzl Press, McGraw Will, New York 1971, ISBN 0-07-079635-1, S. 1196.
  5. Regie Hans Jan Puchstein, Kamera Katinka Zeuner, Filmarche Berlin 2009, 41 min s/w.
  6. James C. VanderKam: From Joshua to Caiaphas: High Priests after the Exile. Fortress Press u. a., Minneapolis 2004, S. 435–436.
  7. Bericht vom Symposium 2008 (Memento des Originals vom 27. Januar 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ptsem.edu
  8. 2001: Israel wedding party tragedy. BBC Online (englisch)
  9. Ernest Goldberger: Die Seele Israels. 2004, S. 158 ff.

Koordinaten: 31° 45′ N, 35° 13′ O

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Orde Wingate Square in Jerusalem. Villa Salameh (the Belgian Consulate) is at left.
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Photo by Gila Brand. This is my own work. Kanyon Hadar shopping mall on Pierre Koenig Street, Talpiot, July 2007