Studentsche t-Verteilung

Dichten von -verteilten Zufallsgrößen

Die studentsche t-Verteilung (auch Student-t-Verteilung oder kurz t-Verteilung) ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, die 1908 von William Sealy Gosset entwickelt[1] und nach seinem Pseudonym Student benannt wurde.[2]

Gosset hatte festgestellt, dass die standardisierte Schätzfunktion des Stichproben-Mittelwerts normalverteilter Daten nicht mehr normalverteilt, sondern -verteilt ist, wenn die zur Standardisierung des Mittelwerts benötigte Varianz des Merkmals unbekannt ist und mit der Stichprobenvarianz geschätzt werden muss. Seine -Verteilung erlaubt – insbesondere für kleine Stichprobenumfänge – die Berechnung der Verteilung der Differenz vom Mittelwert der Stichprobe zum wahren Mittelwert der Grundgesamtheit.

Die -Werte hängen vom Signifikanzniveau sowie von der Stichprobengröße ab und bestimmen das Vertrauensintervall und damit die Aussagekraft der Schätzung des Mittelwertes. Die -Verteilung wird mit wachsendem schmaler und geht für in die Normalverteilung über (siehe Grafik rechts). Hypothesentests, bei denen die -Verteilung Verwendung findet, bezeichnet man als t-Tests.

Die Herleitung wurde erstmals 1908 veröffentlicht,[1] als Gosset in der Dubliner Guinness-Brauerei arbeitete. Da sein Arbeitgeber die Veröffentlichung nicht gestattete, veröffentlichte Gosset sie unter dem Pseudonym Student. Der t-Faktor und die zugehörige Theorie wurden erst durch die Arbeiten von R. A. Fisher belegt, der die Verteilung Student’s distribution (Student'sche Verteilung) nannte.

Die -Verteilung kommt allerdings auch schon in früheren Publikationen anderer Autoren vor. Zuerst wurde sie 1876 von Jacob Lüroth als A-posteriori-Verteilung bei der Behandlung eines Problems der Ausgleichsrechnung hergeleitet, 1883 in einem ähnlichen Zusammenhang von Edgeworth[3][4].

Definition

Eine stetige Zufallsvariable genügt der studentschen -Verteilung mit Freiheitsgraden, wenn sie die Wahrscheinlichkeitsdichte

besitzt. Dabei ist

die Gamma-Funktion. Für natürliche Zahlen gilt insbesondere (hierbei bezeichnet die Fakultät von )

Alternativ lässt sich die -Verteilung mit Freiheitsgraden auch definieren als die Verteilung der Größe

,

wobei eine standardnormalverteilte Zufallsvariable und eine, von unabhängige, Chi-Quadrat-verteilte Zufallsvariable mit Freiheitsgraden ist.

Verteilung

Die Verteilungsfunktion lässt sich geschlossen ausdrücken als

oder als

mit

wobei die Betafunktion darstellt.

berechnet die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine gemäß verteilte Zufallsvariable einen Wert kleiner oder gleich erhält.

Eigenschaften

Es sei eine -verteilte Zufallsvariable mit Freiheitsgraden und Dichte .

Wendepunkte

Die Dichte besitzt Wendepunkte bei

Median

Der Median ist

Modus

Der Modus ergibt sich zu

Symmetrie

Die Studentsche -Verteilung ist symmetrisch um die 0.

Erwartungswert

Für den Erwartungswert erhält man für

Der Erwartungswert für existiert nicht.

Varianz

Die Varianz ergibt sich für zu

Schiefe

Die Schiefe ist für

Wölbungen

Für die Kurtosis-Wölbung und die Exzess-Wölbung erhält man für

Momente

Für die -ten Momente und die -ten zentralen Momente gilt:

Beziehung zur Betaverteilung

Das Integral

ist die unvollständige Betafunktion

wobei

den Zusammenhang zur vollständigen Betafunktion herstellt. Dann ist für

mit

Wenn t gegen unendlich geht, strebt gegen 1. Im Grenzfall steht im Zähler und Nenner obigen Bruches also dasselbe, das heißt, man erhält:

Nichtzentrale t-Verteilung

Die Größe

mit und als Nichtzentralitätsparameter folgt der sogenannten nichtzentralen -Verteilung.[5] Diese Verteilung wird vor allem zur Bestimmung des β-Fehlers bei Hypothesentests mit -verteilter Prüfgröße verwendet. Ihre Wahrscheinlichkeitsdichte lautet:[6]

Einige Dichten von nichtzentralen -Verteilungen

Die Klammer mit der Summe hypergeometrischer Funktionen lässt sich noch etwas einfacher schreiben,[7] sodass ein kürzerer alternativer Ausdruck für die Dichte entsteht:

wobei ein Hermitesches Polynom mit negativem Index darstellt mit .

Der Erwartungswert liegt für bei

und die Varianz (für ) bei

Mit erhält man die Kennwerte der zentralen -Verteilung.

Beziehung zu anderen Verteilungen

Beziehung zur Cauchy-Verteilung

Für und mit ergibt sich die Cauchy-Verteilung als Spezialfall aus der Studentschen -Verteilung.

Beziehung zur Chi-Quadrat-Verteilung und Standardnormalverteilung

Die -Verteilung beschreibt die Verteilung eines Ausdruckes

wobei eine standardnormalverteilte und eine Chi-Quadrat-verteilte Zufallsvariable mit Freiheitsgraden bedeutet. Die Zählervariable muss unabhängig von der Nennervariable sein. Die Dichtefunktion der -Verteilung ist dann symmetrisch bezüglich ihres Erwartungswertes . Die Werte der Verteilungsfunktion liegen in der Regel tabelliert vor.

Verteilung mit schweren Rändern

Die Verteilung gehört zu den Verteilungen mit schweren Rändern.

Näherung durch die Normalverteilung

Mit steigender Zahl von Freiheitsgraden kann man die Verteilungswerte der -Verteilung mit Hilfe der Normalverteilung annähern. Als Faustregel gilt, dass ab 30 Freiheitsgraden die -Verteilungsfunktion durch die Normalverteilung approximiert werden kann.

Verwendung in der mathematischen Statistik

Verschiedene Schätzfunktionen sind -verteilt.

Wenn die unabhängigen Zufallsvariablen identisch normalverteilt sind mit Erwartungswert und Standardabweichung , kann bewiesen werden, dass der Stichprobenmittelwert

und die Stichprobenvarianz

stochastisch unabhängig sind.

Weil die Zufallsgröße eine Standardnormalverteilung hat und einer Chi-Quadrat-Verteilung mit Freiheitsgraden folgt, ergibt sich, dass die Größe

nach Definition -verteilt ist mit Freiheitsgraden.

Also ist der Abstand des gemessenen Mittelwertes vom Mittelwert der Grundgesamtheit verteilt wie . Damit berechnet man dann das 95-%-Konfidenzintervall für den Mittelwert zu

wobei durch bestimmt ist. Dieses Intervall ist für etwas größer als dasjenige, welches sich mit bekanntem aus der Verteilungsfunktion der Normalverteilung bei gleichem Konfidenzniveau ergeben hätte .

Herleitung der Dichte

Die Wahrscheinlichkeitsdichte der -Verteilung lässt sich herleiten aus der gemeinsamen Dichte der beiden unabhängigen Zufallsvariablen und , die standardnormal beziehungsweise Chi-Quadrat-verteilt sind:[8]

Mit der Transformation

bekommt man die gemeinsame Dichte von und , wobei und .

Die Jacobideterminante dieser Transformation ist:

Der Wert ist unwichtig, weil er bei der Berechnung der Determinante mit 0 multipliziert wird. Die neue Dichtefunktion schreibt sich also

Gesucht ist nun die Randverteilung als Integral über die nicht interessierende Variable :

Ausgewählte Quantile der t-Verteilung

Tabelliert sind -Werte für verschiedene Freiheitsgrade und gebräuchliche Wahrscheinlichkeiten (0,75 bis 0,999), wofür gilt:

Aufgrund der Spiegelsymmetrie der Dichte braucht man für den Fall des beidseitig symmetrisch begrenzten Intervalls nur die Wahrscheinlichkeitsskala anzupassen. Dabei verringern sich die Wahrscheinlichkeiten bei gleichem , denn das Integrationsintervall wird durch Wegschneiden des Bereichs von bis reduziert:

Werden bei einer Stichprobe Beobachtungen durchgeführt und aus der Stichprobe Parameter geschätzt, so ist die Anzahl der Freiheitsgrade.

Zu der Anzahl von Freiheitsgraden in der ersten Spalte und dem Signifikanzniveau (dargestellt als in der zweiten Zeile) wird in jeder Zelle der folgenden Tabelle der Wert des (einseitigen) Quantils , entsprechend DIN 1319-3, angegeben. Dies erfüllt für die Dichte der -Verteilung die folgenden Gleichungen:

Einseitig:
Zweiseitig:

Also findet man beispielsweise mit und die -Werte von 2,776 (zweiseitig) oder 2,132 (einseitig).

Die Quantilfunktion der -Verteilung ist die Lösung der Gleichung und damit prinzipiell über die Umkehrfunktion zu berechnen. Konkret gilt hier

mit als Inverse der regularisierten unvollständigen Betafunktion. Dieser Wert ist in der Quantiltabelle unter den Koordinaten p und n eingetragen.

Für wenige Werte (1,2,4) vereinfacht sich die Quantilfunktion:[9]

Tabelle einiger t-Quantile

Anzahl
Freiheitsgrade
n
P für zweiseitigen Vertrauensbereich
0,50,750,80,90,950,980,990,998
P für einseitigen Vertrauensbereich
0,750,8750,900,950,9750,990,9950,999
11,0002,4143,0786,31412,70631,82163,657318,309
20,8161,6041,8862,9204,3036,9659,92522,327
30,7651,4231,6382,3533,1824,5415,84110,215
40,7411,3441,5332,1322,7763,7474,6047,173
50,7271,3011,4762,0152,5713,3654,0325,893
60,7181,2731,4401,9432,4473,1433,7075,208
70,7111,2541,4151,8952,3652,9983,4994,785
80,7061,2401,3971,8602,3062,8963,3554,501
90,7031,2301,3831,8332,2622,8213,2504,297
100,7001,2211,3721,8122,2282,7643,1694,144
110,6971,2141,3631,7962,2012,7183,1064,025
120,6951,2091,3561,7822,1792,6813,0553,930
130,6941,2041,3501,7712,1602,6503,0123,852
140,6921,2001,3451,7612,1452,6242,9773,787
150,6911,1971,3411,7532,1312,6022,9473,733
160,6901,1941,3371,7462,1202,5832,9213,686
170,6891,1911,3331,7402,1102,5672,8983,646
180,6881,1891,3301,7342,1012,5522,8783,610
190,6881,1871,3281,7292,0932,5392,8613,579
200,6871,1851,3251,7252,0862,5282,8453,552
210,6861,1831,3231,7212,0802,5182,8313,527
220,6861,1821,3211,7172,0742,5082,8193,505
230,6851,1801,3191,7142,0692,5002,8073,485
240,6851,1791,3181,7112,0642,4922,7973,467
250,6841,1781,3161,7082,0602,4852,7873,450
260,6841,1771,3151,7062,0562,4792,7793,435
270,6841,1761,3141,7032,0522,4732,7713,421
280,6831,1751,3131,7012,0482,4672,7633,408
290,6831,1741,3111,6992,0452,4622,7563,396
300,6831,1731,3101,6972,0422,4572,7503,385
400,6811,1671,3031,6842,0212,4232,7043,307
500,6791,1641,2991,6762,0092,4032,6783,261
600,6791,1621,2961,6712,0002,3902,6603,232
700,6781,1601,2941,6671,9942,3812,6483,211
800,6781,1591,2921,6641,9902,3742,6393,195
900,6771,1581,2911,6621,9872,3682,6323,183
1000,6771,1571,2901,6601,9842,3642,6263,174
2000,6761,1541,2861,6531,9722,3452,6013,131
3000,6751,1531,2841,6501,9682,3392,5923,118
4000,6751,1521,2841,6491,9662,3362,5883,111
5000,6751,1521,2831,6481,9652,3342,5863,107
0,6741,1501,2821,6451,9602,3262,5763,090

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. a b Student: The Probable Error of a Mean. In: Biometrika. Band 6, Nr. 1, 1908, S. 1–25, doi:10.1093/biomet/6.1.1, JSTOR:2331554.
  2. Josef Bleymüller, Günther Gehlert, Herbert Gülicher: Statistik für Wirtschaftswissenschaftler. 14. Auflage. Vahlen, 2004, ISBN 3-8006-3115-6, S. 16.
  3. J. Pfanzagl, O. Sheynin: A forerunner of the t-distribution (Studies in the history of probability and statistics XLIV). In: Biometrika. Band 83, Nr. 4, 1996, S. 891–898, doi:10.1093/biomet/83.4.891.
  4. P. Gorroochurn: Classic Topics on the History of Modern Mathematical Statistics from Laplace to More Recent Times. Wiley, 2016, doi:10.1002/9781119127963.
  5. N. L. Johnson, B. L. Welch: Applications of the Non-Central t-Distribution. In: Biometrika. Vol. 31, No. 3/4 (Mar. 1940), S. 362–389, JSTOR:2332616 doi:10.1093/biomet/31.3-4.362.
  6. Eric W. Weisstein: Noncentral Student’s t-Distribution. In: MathWorld (englisch).
  7. HermiteH. Bei: functions.wolfram.com.
  8. Frodesen, Skjeggestad, Tofte: Probability and Statistics in Particle Physics. Universitetsforlaget, Bergen/Oslo/Tromsø, S. 141.
  9. W. T. Shaw: Sampling Student’s T distribution – Use of the inverse cumulative distribution function. In: Journal of Computational Finance. 9. Jahrgang, Nr. 4, 2006, S. 37–73, doi:10.21314/JCF.2006.150.

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