Stiller (Max Frisch)

Schutzumschlag der Erstausgabe des Romans 1954

Stiller ist ein Roman des Schweizer Schriftstellers Max Frisch, der im Jahr 1954 veröffentlicht wurde. Er verhalf dem Autor zu seinem literarischen Durchbruch, in dessen Folge Frisch seinen Beruf als Architekt aufgeben und sich ganz der Tätigkeit als Schriftsteller widmen konnte. Das Thema des Romans, die Frage der Identität, ist eines der zentralen Themen Max Frischs. Die drei Romane Stiller, Homo faber und Mein Name sei Gantenbein bilden sein Prosa-Hauptwerk.

Inhalt

„Ich bin nicht Stiller!“ Mit diesen Worten wehrt sich der Ich-Erzähler, der einen amerikanischen Pass auf den Namen James Larkin White besitzt, gegen seine Festnahme bei der Einreise in die Schweiz. Dort hält man ihn für den verschollenen Schweizer Bildhauer Anatol Ludwig Stiller, eine Identität, die White beharrlich verleugnet. Obwohl ihn Bekannte und Freunde als ebendiesen Stiller identifizieren, reagiert er auf sie wie ein völlig Fremder, der nie etwas von dem berühmten Bildhauer gehört haben will. Was Stiller zur Last gelegt wird, bleibt nebulös. Schon sein Untertauchen weckt Spekulationen über eine mögliche Spionagetätigkeit. Whites konsequente Weigerung, der in ihm erkannte Stiller zu sein, schürt den Verdacht weiter, ebenso wie seine leidenschaftlich vorgetragene Kritik an der Schweiz. So bleibt White vorerst in Untersuchungshaft in einem Zürcher Gefängnis, wo nur sein Wärter Knobel ihn als den vielgereisten Weltenbummler zu akzeptieren bereit ist, als den White sich ausgibt. Begierig lauscht der Wärter Whites Anekdoten, wilden Abenteuergeschichten aus Mexiko, die immer bunter und widersprüchlicher werden und mehrere Morde enthalten, die der Häftling in Übersee begangen haben will. Auch seine Ehefrau will White ermordet haben, wobei er einschränkt, dass es auch Morde der Seele gäbe, die der Polizei verborgen blieben.

Stillers Ehefrau Julika Stiller-Tschudy, eine ehemalige Balletttänzerin, die nun eine Tanzschule betreibt, reist aus Paris an, und auch sie erkennt in dem Gefangenen ihren Ehemann wieder. Aus ihrer Warte erfährt er von der schwierigen Beziehung Stillers zu Julika, zwei Menschen, die eher durch ihre Ängste, anderen Partnern nicht genügen zu können, aneinander gefesselt schienen, als durch die offene Bereitschaft, den jeweils anderen anzunehmen und zu lieben. Als Beginn aller Probleme sah Stiller sein Versagen im Spanischen Bürgerkrieg, in dem er sich auf Seiten der Internationalen Brigaden weniger aus politischem Idealismus als aus Lebensüberdruss freiwillig gemeldet hatte. Je länger die Ehe zwischen Julika und Stiller andauerte, umso mehr traten seine Egozentrik und ihre Unfähigkeit, auf ihn einzugehen, hervor. Schließlich musste Julika ihr geliebtes Ballett wegen einer Tuberkuloseerkrankung aufgeben und sich in eine Kur nach Davos zurückziehen, während Stiller, der sich gegenüber seiner Frau permanent im Unrecht fühlte, in eine Affäre flüchtete. Als diese zerbrach, verließ Stiller auch seine kranke Ehefrau und blieb von da an verschollen.

Auch White kann nach Julikas Erzählung diesen Stiller nicht verstehen. Und wie einst Stiller fühlt er sich von der schönen, distanzierten Julika mehr und mehr angezogen. Auf Freigängen versucht er ihr als ein Fremder und nicht als ihr wieder aufgetauchter Ehemann näherzukommen, wird von ihr jedoch so wie von allen anderen auf die Identität Stillers zurückgewiesen. Auch sein Anwalt, der brave Dr. Bohnenblust, versucht ihm mit allen Mitteln zu beweisen, dass er der ist, der er nicht sein möchte. In dieser Situation wird ausgerechnet der Staatsanwalt zu seinem engsten Vertrauten und bald schon zu seinem Freund Rolf. Es stellt sich heraus, dass auch Rolf mit der früheren Existenz Stillers verknüpft ist, denn seine Frau Sibylle war es, mit der Stiller einst eine Affäre hatte, was die junge Ehe zwischen Rolf und Sibylle beinahe scheitern ließ. Rolf, der sich stets als toleranten Menschen gesehen hatte, versuchte sich auch seiner Frau gegenüber tolerant zu verhalten und trieb sie genau durch seine scheinbare Ungerührtheit über ihr Verhältnis immer tiefer in die Arme Stillers. Dieser jedoch scheute aus Schuldgefühlen seiner kranken Frau gegenüber die letzte Konsequenz, die in den Tagträumen Sibylles und Stillers eine gemeinsame Reise nach Paris bedeutet hätte. Erst als er ohnehin beruflich nach Paris musste und somit Julika ein unantastbares Alibi vorweisen konnte, war Stiller zu der Reise bereit, die nun jedoch Sibylle verweigerte. Sie zog sich von beiden Männern zurück, versuchte einige Monate lang in den USA Abstand zu gewinnen, kehrte am Ende jedoch zu ihrem Ehemann Rolf zurück.

Dr. Bohnenblust plant seinen Mandanten mit einem Lokaltermin in Stillers Atelier zum „Geständnis“, Stiller zu sein, zu verleiten, auch im Sinne der armen Julika, für die der Anwalt wiederholt gegen seinen Mandanten Stellung bezieht. Er bietet sogar Stillers gebrechlichen Vater auf, um seinen Mandanten aus der Reserve zu locken. Dies gelingt jedoch nur insofern, als dieser in einem Tobsuchtsanfall das Atelier mit Stillers alten Kunstwerken verwüstet. Zum Auslöser für seine Raserei wird die verweigerte Antwort Julikas auf seine Frage, ob sie ihn liebe. Durch ihre Teilnahme an der Farce seines Anwalts fühlt er sich von ihr verraten. Zurück im Gefängnis gesteht Stiller zum ersten Mal seine Geschichte: Nach der gescheiterten Affaire mit Sibylle und seinem Bruch mit Julika war er als blinder Passagier nach Amerika gereist. Dort hatte er versucht, sich das Leben zu nehmen, doch ihn traf lediglich ein Streifschuss. Nach einer Nahtodeserfahrung hatte er sich damals für ein neues Leben entschieden. Doch bei der Gerichtsverhandlung sind die Fakten eindeutig: Stiller wird wieder zu seinem alten Leben verurteilt, nämlich dazu, Stiller zu sein.

Im Nachwort berichtet Rolf, der Staatsanwalt, vom weiteren Lebensweg Stillers. Nach dem Prozess hat er sich mit Julika in einem heruntergekommenen Chalet in Glion in der Nähe des Genfersees niedergelassen, wo Stiller die Töpferei entdeckt hat und Julika als Lehrerin für rhythmische Gymnastik arbeitet. Dort besucht ihn Rolf zweimal. Während des ersten Besuches bemerkt er, dass es in Stillers Ehe weiterhin kriselt. Julika teilt ihm unter dem Mantel der Verschwiegenheit mit, ihre Krankheit sei erneut ausgebrochen und sie müsse so schnell wie möglich operiert werden, während Stiller die vermeintliche Gesundheit Julikas rühmt. Lange ist im Briefwechsel zwischen Rolf und Stiller nicht von der Operation die Rede, doch als Rolf und Sibylle das Ehepaar Stiller an Ostern besuchen wollen, ist Julika gerade ein Teil der Lunge entfernt worden und Stiller außer sich vor Angst. In einer langen Nacht redet er mit Rolf über seine verzweifelte Beziehung zu Julika, die nie in der Lage war, seine Liebe zu erwidern. Er selbst wirft sich vor, Julika kaputt gemacht zu haben, und fürchtet, sie wolle sterben. Am Morgen ist er nicht in der Lage, seine Frau im Krankenhaus zu besuchen. Als Rolf und Sibylle diese Aufgabe übernehmen, ist Julika bereits tot. Auf ihrem toten Antlitz erkennt Rolf Stillers Beschreibung wieder, und in ihm erwacht die Vermutung, Stiller habe Julika stets nur als Tote gesehen. Stiller nimmt die Botschaft vom Tod seiner Frau gleichzeitig gefasst und geistesabwesend entgegen. Er meldet sich nach ihrem Begräbnis nur noch selten bei Rolf und lebt fortan alleine in Glion.

Aufbau und Stil

Der Roman besteht aus den sieben Heften mit Stillers Aufzeichnungen im Gefängnis und dem Nachwort des Staatsanwaltes. Der Roman hat demnach zwei Erzähler. Stiller kann als Roman mit einem an einer dissoziativen Identitätsstörung leidenden Ich-Erzähler betrachtet werden, auch wenn die Hauptperson, eben Stiller, nie offiziell ich sagt – weder im zweiten Teil, wo eine Nebenfigur (Rolf) den Text redigiert, noch im ersten Teil des Romans, wo sich der Ich-Erzähler mit der Hauptperson deckt, diese aber bekanntlich nicht sein will. Die Titelfigur erscheint durchweg in der Er-Form. Im Tagebuch schreibt nie ein Stiller über sich selbst, so dass in Stillers Aufzeichnungen eigentlich nur Stillers Schweigen erzählt wird – als Widerstand dagegen, sich selbst zu erzählen.[1] Darin besteht eine der Ironien des Textes.

Als jedoch der Tagebuchverfasser in Heft VII während seiner Ausführungen über das Alleinsein in Ich-Form über eine Situation im Spanischen Bürgerkrieg berichtet, die Stillers Bekannte aus dessen Berichten hinlänglich kennen, findet die Identifikation mit Stiller statt, er schreibt: „Und ich war nicht allein bei meiner Fähre am Tajo.“ In dieser Passage gesteht der Erzähler, dass die zu Stiller gehörende Vergangenheit identisch ist mit der Ich-Vergangenheit, das heißt, dass beide Figuren eine Person sind und die von Stiller oft zitierte Fähre „meine Fähre“ ist.

Stiller entpuppt sich als ein alles andere als olympischer Erzähler. Die Eintragungen in sein Tagebuch wirken ungeordnet und sprunghaft. Stiller erzählt vielschichtig, mischt Orte und Zeiten ohne erkennbare Logik. Rolf dagegen fällt durch seine Klarheit und Ordnung auf. Seine Erzählweise ist eindimensional und chronologisch geordnet.

Das über weite Strecken gebrauchte Präsens wirkt in Bezug auf die Tagebuchform entfremdend – sind Tagebücher doch zumeist in Vergangenheitsformen verfasst. Insgesamt erscheint es lohnend, die Tempuswechsel innerhalb des Erzählgefüges genauer zu betrachten.

Die sieben Hefte Stillers gliedern sich folgendermaßen:

  • In den Heften I, III, V und VII berichtet Stiller tagebuchartig darüber, was er während seiner Gefangenschaft erlebt und welche Gedanken er sich dazu macht.
  • Die Hefte II, IV und VI geben protokollartig wieder, was Julika, Rolf und Sibylle ihm erzählen.

Der Staatsanwalt ist es, der Stillers Aufzeichnungen herausgibt, nachdem dieser sie ihm im Winter vor Julikas Tod zugeschickt hat. Das Nachwort setzt die Reihe der Hefte II, IV und VI fort, und sein Autor gibt ihm einen gewissen Protokollcharakter. Rolf erscheint im Nachwort als Stillers Freund und nimmt nicht mehr die Rolle des Vertreters der Gesellschaft ein.

Erzählsituation

In Stillers Aufzeichnungen im Gefängnis spricht durchweg jenes Ich, das in seinem ersten Satz gleich betont: Ich bin nicht Stiller! Da der erste Teil des Romans bereits als Stillers Aufzeichnungen im Gefängnis betitelt ist, erscheint das Erzähler-Ich von vorneherein als gespalten: in das vorgespielte (fingierte) Ich Whites und in das verdeckte (latente) Ich Stillers. So kommt es auch, dass White (der in dieser Form erst seit zwei Jahren, sprich seit dem Selbstmordversuch, existiert) nicht in der Lage ist, sein Leben aufzuschreiben. Das latente Ich Stillers hätte zwar eine Lebensgeschichte, allerdings kann White nur in der Er-Form darüber berichten.

Beides, die Einträge über das Leben in der Untersuchungshaft sowie die Protokolle der Erzählungen Julikas, Rolfs und Sibylles, werden durch die Perspektive des fremden Blickes geprägt.

Auf diese Art kommt es zu einem Verfremdungseffekt: Es wird die Illusion zerstört, die erzählte Geschichte sei wirklich geschehen. Als Effekt ergibt sich eine Polyperspektive – also die Häufung von Perspektiven, in denen bestimmte Episoden erzählt werden. So wird Stillers Liebschaft mit Sibylle aus der Sicht Julikas, Rolfs und Sibylles dargestellt. Dazu kommt, dass auch der Protokollant die Geschichte miterlebt hat, so dass seine Perspektive ebenfalls in den Text mit einfließt.

Im Nachwort des Staatsanwaltes ist ein peripheres Ich die Erzählinstanz; Rolf steht nur am Rande dessen, was er berichtet.[2]

Chronologie des Romans

Die Aufzeichnungen Stillers im Gefängnis umfassen eine Zeitspanne von ca. zehn Wochen im Herbst 1952, das Nachwort des Staatsanwaltes erzählt von den darauf folgenden zweieinhalb Jahren bis zu Julikas Tod an Ostern 1955. Auffällig ist hierbei der unterschiedliche Maßstab, mit dem erzählt wird: Stiller erzählt stark vergrößernd, sozusagen mit Zeitlupe, während Rolf im Zeitraffer erzählt. Dies kommt daher, dass der erste Teil als Tagebuch angelegt ist, das die Innensicht des Betroffenen (Stiller/White) wiedergibt, während der zweite Teil von außen erzählt wird: Der Staatsanwalt berichtet von einem anderen Leben.

Innerhalb des Romans lassen sich folgende Zeit- und Handlungseinheiten rekonstruieren:

vor 1945: Vorgeschichte und Ehe mit Julika

  • 1936: Stiller als Freiwilliger im Spanischen Bürgerkrieg im Kampf gegen die Faschisten
  • 1937: erstes Zusammentreffen mit Julika
  • 1938: Heirat Stiller/Julika

1945: Erste Hauptgeschichte (Ehekrise)

  • Sommer 1945: Julika in Davos/Liebschaft Stillers mit Sibylle
  • August 1945: erster Besuch Stillers in Davos
  • September 1945: Der Jesuit stirbt; Rolf wird Staatsanwalt; Sibylle lässt Stillers Kind abtreiben
  • November 1945: Stiller trennt sich von Julika und Sibylle
  • Dezember 1945: Sibylle reist in die USA

1946–1952: Stiller in Amerika

  • Anfang 1946: Stiller in New York
  • 1946–1952: Stiller lebt in den USA und in Mexiko
  • 18. Januar 1946: Smyrnow-Affäre
  • 1950: Selbstmordversuch Stillers in Mexiko

1952: Gefängnis

  • Herbst 1952: Verhaftung und Untersuchungshaft Stillers

1952–1955: Das neue Leben

  • Winter 1952/53: Stiller und Julika in Territet
  • Februar 1953: Besuch Rolfs und Sibylles in Territet
  • Sommer 1953: Umzug ins Chalet in Glion
  • Oktober 1954: Besuch Rolfs in Glion
  • [Herbst 1954: Publikation des Stiller]
  • Winter 54/55: Stiller schickt Rolf seine Aufzeichnungen
  • März 1955: Operation Julikas, gemeinsamer Besuch Rolfs und Sibylles in Glion
  • Ostermontag: Tod Julikas
  • nach dem Frühjahr 1955: Entstehung des Nachwortes

Interpretationsmöglichkeiten

Zentrale Themen des Romans:

  • gelebtes Leben (Ich) gegenüber von außen gegebenen Rollen und Klischees (Bildnis),
  • unvermeidbare Wiederholungen, in schon Erlebtem oder Gesagtem zu leben,
  • Bewährung in Beziehungen oder in vermeintlichen Taten,
  • Ironie von Selbstverfehlung und Selbstüberführung,
  • Erzählbarkeit bzw. Nicht-Erzählbarkeit des Lebens und Gier nach Geschichten,
  • das „Unsagbare“, das sich nur umschreiben lässt.[3]

Der tödliche Ausgang des Romans erscheint unausweichlich: Julika, die an Ostern stirbt, bezahlt mit ihrem Tod dafür, dass sie Stiller nicht als verwandelt akzeptieren und lieben kann. Sie kann ihn nicht aus dem Bildnis befreien, das sie sich von ihm gemacht hat – dadurch steht sie auf der Seite der Gesellschaft und nicht auf der ihres Mannes.

„Die damit über Stiller hereinbrechende letzte Einsamkeit, von der der Schlußsatz des Nachworts spricht, ist ebenso wie sein Verstummen die geradlinige Folge der früher gefallenen Entscheidung; Julikas Verrat ist die Peripetie einer Tragödie, die beide in die Katastrophe hineinzieht. Der Ausgang bestätigt, daß die Träume während Stillers Untersuchungshaft, die etwas von einer wechselseitigen Kreuzigung wußten, die Wahrheit vorausgesagt haben.“

Naumann, S. 162

Die in diesem Werk in Tagebuchform behandelte Identitätsproblematik nimmt auch in den anderen Romanen Frischs eine Schlüsselfunktion ein.

Parabelhafte Geschichten

Innerhalb der Aufzeichnungen im Gefängnis sind drei kleinere Geschichten zu finden:

Zweck dieser Geschichten und Märchen ist es, parabelhaft auf die eigene Situation hinzuweisen. Stiller/White kann seine Wahrheit nicht einfach in Worten ausdrücken, daher drückt er sie als erweiterten Vergleich aus. Stiller möchte so seine einzigartige Existenz indirekt und probeweise ausdrücken. Mit den Geschichten, die er erzählt, versucht er, die Vision eines neuen Selbst unversehrt zu bewahren und den Versuchen der Gesellschaft zuvorzukommen, die ihr festes Bildnis des verlorengegangenen Mitbürgers wieder aufzunehmen wünscht.

Frischs geistige Wurzeln

Im Stiller sind eine Fülle von intertextuellen Verweisen zu finden. Eine Sonderstellung dürfte hierbei die Philosophie des Dänen Sören Kierkegaard einnehmen. Frisch stellt seinem Roman zwei Motti voran, die der Schrift Entweder – Oder (1843) entstammen.

Neben Kierkegaard lassen sich Bezüge auf die Bibel, zu Goethe, Thomas Mann, C. G. Jung, Ludwig Klages, Albin Zollinger, Ernst Jünger, Theodor Fontane, Leo Tolstoi, Bertolt Brecht und Luigi Pirandello[4] finden.

Entstehungsgeschichte

Anfang 1953 hat Frisch die Idee zum Stiller und greift bei der Niederschrift auf Manuskripte zurück, die er 1951–1952 in den USA und Mexiko verfasst hatte. Frisch stellt Stiller im Frühjahr 1954 in der Nähe von Glion fertig. Das Werk wurde im selben Jahr erstmals im Suhrkamp-Verlag veröffentlicht. Der berühmte erste Satz „Ich bin nicht Stiller!“ wird erst in der Fahnenkorrektur eingefügt.[5] Das noch unkorrigierte Typoskript, das Frisch an den Suhrkamp Verlag schickt, ist im Literaturmuseum der Moderne in einer Dauerausstellung zu sehen.

Es existieren mehrere Vorstufen des Stiller, deren Einfluss im Roman erkennbar ist: So können an dieser Stelle Frischs Roman Die Schwierigen oder J’adore ce qui me brûle, das Tagebuch 1946–1949 sowie mehrere Reiseberichte aus den USA und Mexiko genannt werden.

Wirkungsgeschichte

Stiller war für Frisch der Durchbruch als Romanschriftsteller. Das Werk wurde in mehrere Fremdsprachen übersetzt und mit Literaturpreisen wie dem Großen Schillerpreis der Schweizerischen Schillerstiftung oder dem Wilhelm-Raabe-Preis ausgezeichnet.

Stiller wurde in die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher aufgenommen.

Sonstiges

Stiller war der erste Roman des Suhrkamp-Verlags, der eine Millionenauflage erreichte. Aus Anlass des fünfzigsten Jubiläums der Erstausgabe veröffentlichte der Suhrkamp-Verlag im September 2004 eine Ausgabe, deren Aussehen an das der Originalausgabe 1954 angelehnt ist. Rainer Werner Fassbinder übernahm den Namen des Protagonisten für seine Verfilmung von Simulacron-3 von Daniel F. Galouye in dem zweiteiligen Fernsehfilm Welt am Draht.

Ausgaben

  • Max Frisch: Stiller. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1954 (Erstausgabe).
  • Max Frisch: Stiller. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-518-36605-X (Suhrkamp Taschenbuch).
  • Max Frisch: Stiller. In: Gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Dritter Band. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-06533-5, S. 359–780.
  • Max Frisch: Stiller. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-41661-8 (in Ausstattung der Erstausgabe).

Literatur

  • Paola Albarella: Roman des Übergangs. Max Frischs Stiller und die Romankunst um die Jahrhundertmitte. Würzburg 2003, ISBN 3-8260-2478-8
  • Franziska Schößler und Eva Schwab: Max Frisch Stiller. Ein Roman. Oldenbourg Interpretationen Band 103, München 2004, ISBN 3-486-01414-5
  • Anita Gröger: 'Erzählte Zweifel an der Erinnerung'. Eine Erzählfigur im deutschsprachigen Roman der Nachkriegszeit (1954–1976). Ergon-Verlag, Würzburg, 2016. ISBN 978-3-95650-149-4.
  • Helmut Naumann: Max Frischs „Stiller“ oder das Problem der Kommunikation. Schäuble, Rheinfelden/Berlin 1991, ISBN 3-87718-802-8
  • Walter Schmitz (Hrsg.): Materialien zu Max Frisch „Stiller“. 2 Bände. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-518-06919-5
  • Victor Lindblom: Wer bin ich – und was kann ich dagegen tun? Fiktionale Wahrheit und mimetisch unzuverlässiges Erzählen in Max Frischs „Stiller“ (1954), In: Matthias Aumüller/Tom Kindt (Hrsg.): Der deutschsprachige Nachkriegsroman und die Tradition des unzuverlässigen Erzählens. J.B. Metzler, Stuttgart 2021, S. 95 – 109, ISBN 978-3-476-05764-8.
  • Daniel Rothenbühler: Max Frisch: Stiller. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 356). Hollfeld: Bange Verlag 2004. ISBN 978-3-8044-1813-4
  • Jürgen H. Petersen: Max Frisch: Stiller. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis erzählender Literatur. Diesterweg, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-425-06173-9
  • Bernhard Lang: Religion und Literatur in drei Jahrtausenden. Hundert Bücher, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2019, ISBN 978-3-506-79227-3, S. 456–463.
  • Melanie Rohner: Farbbekenntnisse. Postkoloniale Perspektiven auf Max Frischs „Stiller“ und „Homo faber“. Aisthesis, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8498-1063-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. hierzu Albarella, S. 82 ff.
  2. Vgl. dazu auch Rothenbühler, S. 46 ff.
  3. Vgl. Rothenbühler, S. 29.
  4. Vgl. Kapitel 4 in Beatrice von Matt, Mein Name ist Frisch, München, [Zürich] : Nagel & Kimche, 2011
  5. Vgl. Rothenbühler, S. 30.

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Book cover of Max Frisch "Stiller" 1954