Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen

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Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG) ist eine parteipolitisch unabhängige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Stuttgart. Sie definiert sich als praxisnahe Interessensvertretung der nachrückenden Generationen und hat als solche das Ziel, den wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskurs über Generationengerechtigkeit voranzutreiben. Die SRzG wurde 1997 von einer Gruppe Studierender ins Leben gerufen und ist laut Wirtschaftswoche „der bekannteste außerparlamentarische Think-Tank in Sachen Generationengerechtigkeit“.[1][2]

Organe

Die Stiftung wird nach eigener Darstellung von einem der jüngsten Stiftungsvorstände Deutschlands geleitet.[3] Der Vorstand wird unterstützt durch eine Gruppe junger „Botschafter“.[4] Vorstand und Botschafter sind ehrenamtlich tätig.

Die Arbeit der Stiftung wird von einem Kuratorium begleitet und durch einen wissenschaftlichen Beirat und prominente Wissenschaftler unterstützt, unter anderem durch Ernst Ulrich von Weizsäcker, Franz Josef Radermacher, Hans Joachim Schellnhuber, Ortwin Renn und Rolf Kreibich.[5][6]

Die Stiftung ist finanziell unabhängig von Zuwendungen aus der Wirtschaft und finanziert sich aus projektbezogener Förderung durch dritte Stiftungen sowie durch private Spenden eines Förderkreises.[7]

Stiftungsarbeit

Die Stiftung strebt einen breiten Diskurs über Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit an. Sie gibt Impulse durch Kampagnen, Interviews und Veranstaltungen sowie durch Autorenbeiträge in Fachzeitschriften. In den letzten Jahren veröffentlichte die Stiftung Positionspapiere, die langfristig generationengerechte Politik in verschiedenen Politikfeldern aufzeigen, z. B. im Bereich Rente, Parteistrukturen, Staatsverschuldung, Arbeitsmarkt sowie Jugend- und Kinderwahlrecht. Zudem vergibt die SRzG Preise im Rahmen vom Essay-Wettbewerben zu generationengerechten Themen und kürt am Ende jeder Legislaturperiode Gesetze, die zukünftige Generationen besonders belasten oder entlasten. In regelmäßigen Abständen werden Kongresse und Symposien veranstaltet.

Die Stiftung war daran beteiligt, dass 100 meist junge Bundestagsabgeordnete am 10. November 2006 einen Gesetzentwurf zur Verankerung von Generationengerechtigkeit im Grundgesetz eingebracht haben, das Gesetz wurde jedoch nicht verabschiedet.

Seit 2005 hat die SRzG bei den Vereinten Nationen den besonderen Beraterstatus.

Legislativ-Preis

Seit 2014 vergibt die SRzG den Legislativ-Preis und würdigt damit ein Gesetz der vorangegangenen Legislaturperiode, das in seinen Auswirkungen besonders nachhaltig und generationengerecht ist. Ausgezeichnet wurde 2014 das Gesetz zum Atomausstieg und 2017 die Einführung des Elterngeld Plus. Seit 2017 wird auch das ungerechteste Gesetz, welches sich negativ auf die Generationengerechtigkeit auswirkt, gekürt. Prämiert wurde 2017 die partielle Senkung des Renteneintrittsalters auf 63 durch das Gesetz „Rente mit 63“.[8][9]

Wir wollen wählen!

Kinder und Jugendliche dürfen bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres nicht wählen. Das ist ungefähr ein Fünftel der deutschen Bevölkerung, das vom Wahlrecht ausgeschlossen wird und dem somit ihr wichtigstes politisches Grundrecht nicht zusteht, davon etwa zwei Millionen wahlwillige Kinder und Jugendliche. Da dies die Grundsätze von Demokratie und Volkssouveränität verletzt, unterstützt die SRzG wahlwillige Kinder und Jugendliche mit der Initiative „Wir wollen wählen!“ dabei, sich für ihr Wahlrecht einzusetzen. Im Jahr 2014 reichten 15 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zur Abschaffung des Mindestwahlalters ein, um damit Demokratie und Generationengerechtigkeit zu stärken. Sie wurden unterstützt von der SRzG sowie von der Kinderinitiative Plant-for-the-Planet. Zuvor hatten die Kinder und Jugendlichen bereits im November 2013 gemeinsam mit der SRzG eine Wahlbeschwerde beim Bundestag eingereicht und die Bundestagswahl angefochten. Der Wahleinspruch wurde am 8. Mai 2014 vom Bundestag abgewiesen. Anschließend reichte die SRzG 2014 eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Nach langen Beratungen wiesen die Richter im April 2016 die Beschwerde ab.[10][11]

Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz

Auf Initiative der SRzG hin erarbeiteten im Jahr 2006 Abgeordnete der CDU, SPD, Grünen und FDP einen überfraktionellen Antrag zur Verankerung von Generationengerechtigkeit im Grundgesetz. Der Vorschlag der Abgeordneten, dessen Entstehen von der Stiftung begleitet und moderiert wurden, sah vor, das Staatsziel Generationengerechtigkeit in einem neuen Artikel 20b im Grundgesetz zu verankern. Der Gesetzesentwurf wurde am 22. November 2006 von 104 Abgeordneten aus vier Fraktionen und aus allen Altersgruppen in den Bundestag eingebracht. 2007 stand der Antrag im Plenum des Deutschen Bundestages zur Debatte und wurde anschließend zur weiteren Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Das Gesetz wurde nicht verabschiedet.[12]

Wissenschaftliche Essay-Wettbewerbe

Die Stiftung verleiht seit 2002 den mit 10.000 Euro dotierten Generationengerechtigkeits-Preis[13] für wissenschaftliche Essays zu Themen der Generationengerechtigkeit. Seit 2007 schreibt die SRzG den ebenfalls mit 10.000 Euro dotierten Demografie-Preis für Nachwuchswissenschaftler aus.[14] Er wird zweijährlich im Wechsel mit dem Generationengerechtigkeits-Preis verliehen.

Positionen und Kernforderungen für die 19. Legislaturperiode

Arbeitsmarkt

Die Stiftung wendet sich gegen Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Das Senioritätsprinzip trage zum ‚Generational Pay Gap‘ und zu vielfach unterbrochenen Erwerbsbiografien jüngerer Arbeitnehmern bei, die sich eine Existenz aufbauen müssen, sichere Perspektiven brauchen und meist noch nicht auf ein Sparvermögen zurückgreifen können. Sie fordert unter anderem, das Lebensalter als Kriterium für die Sozialauswahl aus dem Kündigungsschutzgesetz (§1 Abs. 3) zu streichen und lehnt Gehaltskürzungen bei jungen Beamten ab.[15] Das Verbot der Diskriminierung nach Lebensalter soll im Gleichheitsgebot des Grundgesetzes verankert werden.[16]

Generationengerechte Parteistrukturen

Die Stiftung hat einen 11-Punkte-Plan entwickelt, der Parteien dabei helfen soll, ein Engagement in demokratischen Parteien für den politischen Nachwuchs attraktiver zu gestalten, dazu gehören unter anderem offenere Strukturen, mehr Beteiligungsmöglichkeiten, Digitalisierung und die Finanzierung aufstrebender, junger Kandidaten. Seit den 1970er Jahren verlieren die etablierten Parteien an Mitgliedern, weil junge Menschen nicht mehr eintreten. Die Parteien können kaum noch potentiellen Nachwuchs begeistern und die veralteten Parteistrukturen sind auch für neu gewonnene, junge Parteimitglieder unattraktiv. In der Folge überaltern die Parteien und vertreten immer weniger die Interessen junger Menschen.[17]

Ökologie

Der Staat trägt die Verantwortung, die natürlichen Lebensgrundlagen für kommende Generationen zu schützen. Nach Ansicht der Stiftung sind Atomkraft und Kohle nicht mit dem Gebot der Nachhaltigkeit vereinbar.[18] Die SRzG befürwortet deshalb eine zügige und konsequente Energiewende hin zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien. Die Kosten dafür müsse die heutige Generation auf sich nehmen. Sie fordert außerdem eine Verschärfung des Staatsziels Umweltschutz in Artikel 20a des Grundgesetzes, um den politischen Wettbewerb an konkrete ökologischen Leitplanken zu binden.[19]

Rentenversicherung

In der Diskussion um die Rente hat die Stiftung die Teilungslösung entwickelt, wonach sich die rentenempfangende und die beitragszahlende Generation die demografischen Lasten teilen sollen. Die Teilungslösung sieht vor, dass bei einem Anstieg der Rentenbeiträge die Rentensteigerungen im gleichen Ausmaß gedämpft werden.[20] Zudem soll unter anderem eine Korrektur des Riester-Faktors und die Weiterentwicklung der Gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung stattfinden, in die auch Politiker, Selbstständige und Beamte miteinbezogen werden.[20] Außerdem fordert sie die Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung mit flexiblen Lösungen, Zuschüsse für Geringverdiener und Förderung der Erwerbsminderungsrente, sowie die Bekämpfung der Ursachen von Altersarmut und betriebliche Förderung der Gesundheit. Als ersten Schritt fordert die SRzG, dass die MdB sowie die Abgeordnete aller Landtage in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden.[21]

Staatsverschuldung

Die SRzG kritisiert, dass durch hohe Staatsverschuldung jeder neuen Regierung immer weniger finanzielle Spielräume zur Verfügung stehen, um die Gesellschaft aktiv zu gestalten. Sie gehörte bereits früh zu den Befürwortern der Schuldenbremse,[22] ist aber kritisch im Hinblick auf deren praktische Umsetzung.[23] Ohne Investitionsgebote führen Schuldenbremsen dazu, dass notwendige Investitionen in Infrastruktur und Bildung verschoben oder ganz gestrichen werden. Ziel von Schuldenbremsen müsse das „Sparen für die Zukunft“, nicht das „Sparen an der Zukunft“ sein. Die SRzG fordert zudem einen Zukunftssoli in Form einer Abgabe auf große Privatvermögen, um Kinderbetreuung und Bildung zu finanzieren, und unterstützt das Bündnis Umfairteilen.[24]

Wahlrecht

Die Stiftung fordert eine abgewandelte Form des Kinderwahlrechts, wonach jeder Staatsbürger unabhängig von jeglicher Altersgrenze wahlberechtigt sein soll, sobald er einen entsprechenden Willen bei der zuständigen Stelle kundtut. Praktisch geregelt werden kann dies durch den Fortbestand einer allgemeinen Altersgrenze, wobei aber auch jüngere Bürger das Wahlrecht ausüben können, wenn sie sich eigenständig beim Wahlamt eintragen. Jede Stimme soll den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance erhalten („one man one vote“). Ganz klar lehnt die SRzG ein Stellvertreterwahlrecht durch die Eltern ab, da es die Prinzipien der Gleichheit und Höchstpersönlichkeit der Wahl verletzt und die Fremdbestimmung der Kinder und Jugendlichen möglicherweise sogar verschärft statt beendet.[25]

Institutionen für zukünftige Generationen

Die Stiftung fordert, eine neue Institution als Interessenvertretung für zukünftige Generationen einzurichten. Alle Demokratien stehen einem strukturellen Problem gegenüber: Sie neigen dazu, die Gegenwart der Zukunft vorzuziehen. Wahlvolk und gewählte Politiker streben kurzzeitige Vorteile an. Kosten und Risiken werden dagegen tendenziell in die Zukunft verlagert. Als Antwort darauf ist eine solche Institution nötig.[26]

Intergenerational Justice Review

Die Intergenerational Justice Review (IGJR) ist die einzige englischsprachige wissenschaftliche Fachzeitschrift zum Thema Generationengerechtigkeit. Die IGJR publiziert Artikel aus den Bereichen Philosophie, Politik und internationales Recht, die den aktuellen Forschungsstand reflektieren. Sie wird halbjährlich von der SRzG zusammen mit der Intergenerational Foundation und der Universität Tübingen herausgegeben.

Auszeichnungen

Im Mai 2000 wurde die Stiftung mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet. Im November 2001 erhielt sie die Bürgermedaille der Stadt Oberursel. 2005 bekam sie einen Stiftungspreis des Landes Hessen. 2008 erhielt die SRzG den Integrationspreis der Stiftung Apfelbaum. Am 17. Mai 2011 wurde die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen von der EU-Kommission für die Durchführung eines herausragenden Projektes im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes ausgezeichnet. 2014 wurde sie mit dem internationalen „Our Task“ Award ausgezeichnet.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schmergal, Cornelia: Die Ohnmacht der Jungen. Wirtschaftswoche Nr. 44/2012
  2. Eintrag im Gabler Wirtschaftslexikon
  3. Susanne Garsoffky, Britta Sembach: Der tiefe Riss: Wie Politik und Wirtschaft Eltern und Kinderlose gegeneinander ausspielen. Pantheon, 2017, ISBN 978-3-641-18340-0, Kapitel 4, Fußnote 48 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Botschafter*innen. In: generationengerechtigkeit.info. Abgerufen am 11. Dezember 2019.
  5. Beirat. In: generationengerechtigkeit.info. Abgerufen am 27. Januar 2020.
  6. Kuratorium der SRzG. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  7. Förderkreis der SRzG. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  8. Legislativ-Preis 2014. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  9. Legislativ-Preis 2017. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  10. Wir wollen wählen-Projektseite. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  11. Wir wollen wählen. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  12. Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  13. Generationengerechtigkeits-Preis. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  14. Demografie-Preis. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  15. Pressemitteilung: Kein Sonderopfer junger Beamter! 7. September 2012, abgerufen am 5. Februar 2018.
  16. SRzG-Themen: Arbeitsmarkt. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  17. SRzG-Themen: Generationengerechte Parteien. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  18. Pressemitteilung: „Atomkraft ist nicht verantwortbar“. 7. April 2011, abgerufen am 5. Februar 2018.
  19. SRzG-Themen: Ökologie. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  20. a b SRzG-Studie „Generationengerechte Rentenpolitik“, 2007 (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive) (PDF; 250 kB)
  21. SRzG-Themen: Rente. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  22. Studie „Generationengerechtigkeit in der Finanzverfassung“, 2005 (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive) (PDF; 369 kB)
  23. Artikel „Die deutsche Schuldenbremse: Weg aus der permanenten Neuverschuldung“ von SRzG-Beiratsmitglied Gisela Meister-Scheufelen (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive) (PDF; 99 kB)
  24. SRzG-Themen: Staatsverschuldung. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  25. SRzG-Themen: Wahlrecht ohne Altersgrenze. Abgerufen am 5. Februar 2018.
  26. Kernforderungen für die 19. Legislaturperiode. Abgerufen am 5. Februar 2018.

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