Staatsregierung Mayr I

Die Staatsregierung Mayr I (7. Juli–20. November 1920), seit 10. November 1920 Bundesregierung Mayr I, wurde von der Konstituierenden Nationalversammlung der Republik Österreich am 7. Juli 1920 gewählt.[1] Sie war eine Übergangs-Proporzregierung von Sozialdemokraten, Christlichsozialen und Großdeutschen.

Sie folgte der Staatsregierung Renner III, die am 11. Juni 1920 demissioniert (und die Geschäfte fortgeführt) hatte, weil die Große Koalition wegen Vertrauensverlusts der Partner nicht mehr arbeitsfähig war. Sie wurde nach beinahe vierwöchiger Regierungskrise (Otto Bauer) als unpolitische Übergangsregierung (Michael Mayr) gewählt. Dabei wurde das Gesetz vom 6. Juli 1920 über die Verkürzung der Legislaturperiode der Konstituierenden Nationalversammlung (sie endete nun am 31. Oktober 1920) angewandt, das bei Nichteinigung auf eine Kabinettsliste proportionales Listenwahlrecht vorsah.[2] Auf diesem Weg gelangte auch ein Vertreter der Großdeutschen in die Regierung. Wie im Gesetz vorgesehen, wurde der Begriff Staatskanzler, den Karl Renner als Vorsitzender der drei Vorgängerregierungen erhalten hatte, nicht verwendet, sondern nur vom Leiter der Staatskanzlei gesprochen.

Im Hauptausschuss des Parlaments hatte man sich auf zwei parteilose Staatssekretäre, Richard Reisch und Karl Pesta, einigen können. Sie wurden im Plenum mit 137 Ja-Stimmen ohne Gegenstimme gewählt.[3] Weitere neun Staatssekretäre und vier Unterstaatssekretäre wurden im Stimmenverhältnis der Parteien aus Parteilisten gewählt. Bei den neun Staatssekretären entfielen von 127 abgegebenen Stimmen 59 auf die sozialdemokratische, 50 auf die christlichsoziale und 18 auf die großdeutsche Liste, sodass je vier Sozialdemokraten und Christlichsoziale sowie ein Großdeutscher gewählt waren. Zur Wahl der vier Unterstaatssekretäre wurden 109 gültige und 13 ungültige (großdeutsche) Stimmen abgegeben, so dass je zwei Sozialdemokraten und Christlichsoziale gewählt waren. Die Ressortverteilung hatte nach dem angeführten Gesetz nicht das Parlament, sondern die Regierung selbst zu beschließen.

Die Sozialdemokraten schieden am 22. Oktober 1920 aus der Regierung aus (und gelangten bis zum Beginn der Zweiten Republik, 1945, nicht wieder ins Kabinett).[4] Vom 10. November 1920, dem Tag des Inkrafttretens des Bundes-Verfassungsgesetzes, an wurde die Regierung als Bundesregierung bezeichnet, der Leiter der Staatskanzlei als Bundeskanzler, die Staatsämter als Bundesministerien, die Staatssekretäre als Bundesminister und die Unterstaatssekretäre als Staatssekretäre.

Am 20. November 1920 wählte der Nationalrat als Nachfolgerin der nunmehrigen Bundesregierung Mayr I die Bundesregierung Mayr II.

Staatssekretär bzw. Bundesminister (für)AmtsinhaberParteiUnterstaatssekretär bzw. Staatssekretär
Vorsitz im Kabinett und Leitung der Staatskanzlei
ab 10. November 1920: Bundeskanzler
Michael MayrCSP
Stellvertreter des Vorsitzenden
ab 10. November 1920: Vizekanzler
Soziale Verwaltung
Ferdinand Hanusch
ab 22. Oktober 1920: Eduard Heinl
SDAP
CSP
für soziale Verwaltung: Josef Resch (CSP)
für Volksgesundheit: Julius Tandler (SDAP, bis 22. Oktober 1920)
ÄußeresKarl Renner
ab 22. Oktober 1920 Michael Mayr
SDAP
CSP
Inneres und UnterrichtWalter BreiskyCSPfür Unterricht: Otto Glöckel (SDAP, bis 22. Oktober 1920)
für Kultus: Wilhelm Miklas (CSP)
FinanzenRichard Reischohne Parteimitgliedschaft
Land- und ForstwirtschaftAlois HaueisCSP
Handel und Gewerbe, Industrie und BautenEduard HeinlCSP
HeereswesenJulius Deutsch
ab 22. Oktober 1920: Walter Breisky
SDAP
CSP
Volksernährung *)Alfred Grünbergerohne Parteimitgliedschaft
JustizJulius Roller[5]GDVP
VerkehrswesenKarl Pestaohne Parteimitgliedschaft
Ohne Portefeuille
Präsident der Sozialisierungskommission
Wilhelm Ellenbogen, bis 22. Oktober 1920SDAP

*) Bei der Wahl der Regierung am 7. Juli 1920 blieb dieses Staatsamt noch vorläufig unbesetzt. Der parteilose Experte Grünberger wurde zwei Tage später gewählt.[6]

Belege

  1. Stenographisches Protokoll. 92. Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung der Republik Österreich. Mittwoch, 7. Juli 1920. Tagesordnung. 2. Wahl der Staatsregierung (= S. 3019 f.)
  2. StGBl. Nr. 283 / 1920 (= S. 954)
  3. Der Verlauf der Sitzung. In: Arbeiter-Zeitung, 8. Juli 1920, S. 2 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aze.
  4. Tageszeitung Wiener Zeitung, Nr. 244, 23. Oktober 1920, S. 1, Amtlicher Teil
  5. Biografische Daten auf der Website des österreichischen Parlaments
  6. Stenographische Protokolle. Erste Republik. Session 3. Index

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

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