St. Joseph (Berlin-Wedding)

St.-Joseph-Kirche
Frontansicht von der Müllerstraße aus
AdresseBerlin-Wedding, Müllerstraße 161
Konfessionkatholisch
GemeindeSt.-Joseph
Aktuelle NutzungGemeindekirche, Gedenkstätte
Gebäude
Baujahr(e)1907–1909,
1948/1949 repariert,
Ende 20. Jh. saniert und teilweise in den Originalzustand zurückgebaut
StilNeoromanik

St. Joseph ist eine römisch-katholische Pfarrkirche in der Müllerstraße 161 im Berliner Ortsteil Wedding. Die unter Denkmalschutz stehende Kirche entstand nach einem Entwurf des Kirchenbaumeisters Wilhelm Rincklake aus der Abtei Maria Laach und dessen Überarbeitung durch den Berliner Architekten Wilhelm Frydag 1907–1909 als neoromanische dreischiffige Basilika mit Platz für 3000 Personen.

Während der Umbauphase der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin-Mitte (seit dem Jahr 2018) wird die Kathedralliturgie in der St.-Josephs-Kirche als Ersatzort gefeiert.[1]

Geschichte

Entwurfszeichnung von 1907 zur St.-Joseph-Kirche im Wedding mit den ursprünglichen Pyramidendächern der Türme

Mit dem enormen Bevölkerungszuwachs in Berlin nach der Deutschen Reichsgründung kamen auch viele Katholiken aus den preußischen Provinzen in den Umkreis der St.-Sebastian-Kirche am Gartenplatz, 1902 waren es bereits mehr als 8000, sodass die Gründung einer weiteren Pfarrei im Wedding erwogen wurde, die dem heiligen Joseph von Nazareth, dem Patron der Arbeiter, geweiht werden sollte. Als Baugrund dafür erwarb die katholische Gemeinde die doppelte Mietshausparzelle Müllerstraße 161. Mit Unterstützung des Kirchsammelvereins der St.-Sebastian-Kirchengemeinde entstand unter Verantwortung von Hermann Bunning zunächst auf dem Gelände zwischen der Müllerstraße 161 und der Willdenowstraße 8–11 eine Notkapelle für 200 Gläubige.

Nach einem Architekturwettbewerb erhielt der unentgeltliche Entwurf des Benediktinerpaters Ludgerus (Wilhelm Rincklake) den Zuschlag. Der Architekt Wilhelm Frydag überarbeitete die Pläne, nach denen Hermann Bunning den Bau leitete. Im September 1907 erfolgte die Grundsteinlegung. Bei der Kirchweihe am 2. Mai 1909 erhielt sie das Patrozinium des Josef von Nazaret. Im Jahr 1913 wurde die St.-Joseph-Gemeinde zur Pfarrei erhoben. Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, ließ die Kirchgemeinde das Gotteshaus 1948/1949 in großen Teilen wiederherstellen. Die Wiederherstellung der Deckenbemalung und der Wandbilder im Langhaus erfolgte jedoch nicht, weil die Formen des Historismus seinerzeit abgelehnt wurden. Die ehemals hohen Pyramidendächer wurden durch sehr flache ersetzt. Die Ausstattung blieb in einigen Teilen erhalten, wurde aber nicht originalgetreu restauriert.

(c) Ansgar Koreng / CC BY-SA 3.0 (DE)
Mittelgang mit Blick zur Apsis

Der Altarraum erhielt 1989/1990 seine jetzige Gestaltung. Die Krypta unter der Apsis, bei einem Luftangriff im April 1945 zerstört, wurde 1995 in eine Gedenkstätte für die Opfer des Kriegs und den 1944 hingerichteten Priester Max Josef Metzger umgewandelt, dessen Namen auch die gegenüberliegende Grünanlage, der Max-Josef-Metzger-Platz, erhielt.[2] Der ursprüngliche aufklappbare Hochaltar ging wie die gesamte Chorausstattung bei dem gleichen Luftangriff verloren. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde die Originalausmalung des Kirchenraums wieder aufgedeckt und restauriert, um sie als Gesamtkunstwerk der Beuroner Kunstschule zu erhalten.

Anfang März 2018 gab das Erzbistum Berlin bekannt, dass in der St.-Joseph-Kirche in der Zeit der Umbaumaßnahmen der St.-Hedwigs-Kathedrale ab September desselben Jahres die Kapitels- und Pontifikalämter von Erzbischof und Domkapitel gefeiert werden.[1]

Die Pfarrei St. Joseph fusionierte im Januar 2019 mit den Pfarreien St. Aloysius, St. Laurentius, St. Paulus, St. Petrus und St. Sebastian zur Pfarrei St. Elisabeth im Erzbistum Berlin.[3]

Architektur

(c) Ansgar Koreng / CC BY-SA 3.0 (DE)
Blick zur Orgelempore

Die neoromanischen Formen der in die geschlossene Bebauung der Müllerstraße eingefügten St.-Joseph-Kirche mit dem konventionellen Grundriss einer dreischiffigen Basilika basieren auf romanischen Vorbildern des 12. Jahrhunderts im Rheinland. Die Seitenschiffe sind, dem rheinischen Stützenwechsel folgend, durch Pfeiler und Säulen abgeteilt. Sechs monolithische Säulen aus rotem Granit stützen die Arkaden der Seitenschiffe. Sie sind mit Sandsteinkapitellen, die Szenen der alttestamentlichen Josephsgeschichte abbilden, geschmückt. An das Langhaus mit großen Obergaden, über das sich ein dreijochiges Kreuzrippengewölbe erstreckt, schließt sich eine halbrunde Apsis an, die außen polygonal ummantelt ist.

Die mit grauem Kalkstein verkleideten Fassade der Zweiturmfront, hinter denen die Seitenschiffe liegen, und der vortretende Mittelschiffgiebel sind durch Friese und Gesimse waagerecht gegliedert. Die Turmspitzen sind 31 Meter hoch.[4] Über den fünf durch einen ornamentalen Fries verbundenen Rundbogenportalen im Sockelgeschoss befindet sich eine falsche Zwerggalerie. Das Giebelfeld ist in großen Blenden gegliedert, über dem mittleren von drei Rundbogenfenstern befindet sich eine Rosette.

Die beiden gedrungenen Türme mit quadratischem Grundriss haben im Glockengeschoss auf allen Seiten Drillingsarkaden als Schallöffnungen.

Ausstattung

Altar, Kanzel und Weiteres

Die Innenausstattung blieb noch bis in die 1920er Jahre unvollständig. Erst 1923 wurde das Mosaik im Altarraum, das weitgehend original erhalten ist, angebracht; es handelt sich hierbei um eine Nachbildung des hochmittelalterlichen Apsismosaiks der Oberkirche von San Clemente in Rom. Die 1925/1926 ausgeführten Wandgemälde verdeutlichen die künstlerischen Vorstellungen der Beuroner Kunstschule. Die von zwölf roten Marmorsäulchen getragene Kanzel wird über eine Sandsteintreppe betreten. Der Altarraum wurde 1989/1990 neu gestaltet. In die fünf hohen Rundbogenfenster der Apsis wurden Kryolithglasscheiben mit Alabastercharakter eingesetzt. Der Altartisch, die Stele der Tabernakel, der Ambo und der Priestersitz wurden aus Carraramarmor gefertigt. Der neoromanische Marienaltar ist im Original erhalten. Vor der alten Taufkapelle im Turmuntergeschoss, die heute nicht mehr benutzt wird, steht die originale Figur der Maria Immaculata aus Terrakotta. 1981 wurde die neue Orgel vom Orgelbau Eisenbarth aus Passau geweiht.

Orgel

Die Orgel, 1981 von der Orgelbaufirma Wolfgang Eisenbarth Orgelbau (Passau) hergestellt, ist ein Schleifladen-Instrument mit 48 Registern (darunter fünf Transmissionen) auf drei Manualwerken und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen sind elektrisch.[5]

I Rückpositiv C–g3
1.Bourdon08′
2.Quintade08′
3.Praestant04′
4.Koppelflöte04′
5.Überblasend Gedackt02′
6.Quinte0113
7.Scharff V0113
8.Zimbel III016
9.Cromorne08′
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
10.Schwegel16′
11.Praestant08′
12.Rohrflöte08′
13.Salizional08′
14.Oktave04′
15.Flûte traversière04′
16.Hohlquinte0223
17.Blockflöte02′
18.Weitterz0135
19.Ottavino01′
20.Mixtur V–VII02′
21.Trompete08′
Tremulant
III Schwellwerk C–g3
22.Holzgedackt16′
23.Flûte douce08′
24.Viola di Gamba08′
25.Unda maris08′
26.Fugara04′
27.Nachthorn04′
28.Italienisch Prinzipal02′
29.Sesquialtera II0223
30.Scharffmixtur V0113
31.Basson-Hautbois16′
32.Trompette harmonique08′
33.Clairon04′
Tremulant
Pedalwerk C–f1
34.Untersatz32′
35.Prinzipal16′
36.Subbass16′
37.Zartgedackt (= Nr. 22)16′
38.Oktavbass08′
39.Gemshorn08′
40.Choralbass04′
41.Nachthorn (= Nr. 27)04′
42.Prinzipal (= Nr. 28)02′
43.Hintersatz VI0223
44.Bassono grosso32′
45.Bombarde16′
46.Trompete (= Nr. 32)08′
47.Clarine (= Nr. 33)04′
48.Cornett02′
Tremulant
  • Koppeln: I/II, III/II, III/I, I/P, II/P, III/P

Glocken

In den Türmen hängen drei Gussstahlglocken der Glockengießerei Bochumer Verein.

Name der GlockeGieß­jahrSchlag­tonGewicht
(kg)
Durch­messer
(cm)
Höhe
(cm)
Inschrift
Joseph-Glocke1935c'2010170135MR. JOSEPH CELEBRENT AGMINA COELITUM /
GESTIFTET VON FAMILIE KLINNER.
Maria-Glocke1935es’1150140117AVE REGINA COELORUM / AVE DOMINA ANGELORUM
Sebastian-Glocke1955f'1000132100+ ST: SEBASTIANUS +

Literatur

  • Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin: Berlin und seine Bauten. Teil VI. Sakralbauten. Berlin 1997.
  • Gerhard Streicher und Erika Drave: Berlin – Stadt und Kirche. Berlin 1980.
  • Klaus-Dieter Wille: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar. Berlin 1987.
  • André Franik: Die St.-Joseph-Kirche in der Müllerstraße. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 11, 1999, ISSN 0944-5560 (luise-berlin.de).

Weblinks

Commons: St.-Joseph-Kirche (Berlin-Wedding) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b erzbistumberlin.de: St. Joseph Wedding wird Ersatzort für die Kathedrale.
  2. Information zur Gedenkstätte in der Krypta der St.-Joseph-Kirche auf der Website der Bistumsstelle Berlin.
  3. Die Pfarrei. sankt-elisabeth-berlin.de, abgerufen am 11. Juli 2020.
  4. Infoblatt mit einigen technischen Daten. Kirchbau.de
  5. Informationen zur Orgel

Koordinaten: 52° 32′ 38,5″ N, 13° 21′ 46,6″ O

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St. Joseph, Berlin-Wedding, 160724, ako (1).jpg
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Dies ist ein Foto des Berliner Kulturdenkmals mit der Nummer
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Dieses Bild zeigt ein Baudenkmal.
Es ist Teil der Denkmalliste von Berlin, Nr. 09030407.
St.-Joseph-Kirche.jpg
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Straßenfront der St.-Joseph-Kirche in Berlin-Wedding
St-Josephskirche in Wedding 1907 - Berlin in alten Ansichten881.jpg
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Historische Ansicht der St.-Josephskirche in Berlin-Wedding (1907)