St.-Thomas-Kirche (Berlin)

© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
St.-Thomas-Kirche
Tafel am Haupteingang

Die St.-Thomas-Kirche bzw. Thomaskirche der Evangelischen Kirchengemeinde St. Thomas im Kirchenkreis Berlin Stadtmitte, am nördlichen Ende des Mariannenplatzes im Berliner Ortsteil Kreuzberg gelegen, ist ein spätklassizistischer Kirchenbau aus dem 19. Jahrhundert. St. Thomas war etwa der geografische Mittelpunkt der dicht besiedelten Luisenstadt Berlins. Zur Zeit ihrer Erbauung war die Kirche mit 3000 Plätzen der größte Sakralbau Berlins und die St.-Thomas-Gemeinde mit ca. 150.000 Mitgliedern eine der größten evangelischen Gemeinden der Welt.

Der Gebäudegrundriss besitzt die Form eines lateinischen Kreuzes. Im Zentrum erhebt sich eine 56 Meter hohe Kuppel, in Richtung des Mariannenplatzes befinden sich zwei 48 Meter hohe Türme.

Der Name St. Thomas bezieht sich auf den Apostel Thomas.

Geschichte

Die Thomaskirche wurde zwischen 1865 und 1869 durch den Architekten Friedrich Adler, einen Schüler Friedrich August Stülers, im Auftrag der Berliner Stadtverwaltung errichtet. Für den Architekten stellte der Bau, der ihn deutschlandweit bekannt machte, den Durchbruch für seine Karriere dar.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden bei einem alliierten Luftangriff am 22. November 1942 die Chorfenster und die östliche Empore der Kirche zerstört. Die Ausstattung ging während des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren vollständig verloren. Der Wiederaufbau erfolgte zwischen 1956 und 1963 durch Werner Retzlaff und Ludolf von Walthausen. Die Fassade wurde dabei nach historischen Vorlagen rekonstruiert, der Innenraum erfuhr dagegen einige Veränderungen.

Nachdem die Kirche 1985 wegen Asbestverseuchung und 1998 wegen einer erneuten Sanierung der Fassade geschlossen werden musste, ist das Gotteshaus seit 1999 wieder geöffnet.

150 Jahre St. Thomas-Kirche 1869–2019

Am 21. Dezember 2019 feierte die Gemeinde die 150. Wiederkehr der Eröffnung der Kirche (21. Dezember 1869) mit einem Festgottesdienst. Gastprediger war Bischof Christian Stäblein. Eine Ausstellung im Innenraum stellt die Thomaskirche im Wandel der Zeit dar. Unter dem Motto „Eins.Getrennt.Vereint“ wird gleichzeitig an 30 Jahre Maueröffnung erinnert.

Kirchengemeinde

Die Kirchengemeinde von St. Thomas hatte bis zur Abtrennung der um den Görlitzer Bahnhof herum neu gebildeten Emmaus-Gemeinde 1887 etwa 150.000 Gemeindeglieder und war damit eine der größten Gemeinden weltweit.

Durch den Bau der Berliner Mauer 1961 wurde die Gemeinde geteilt und lag darüber hinaus nicht mehr im Zentrum der Stadt, sondern am Stadtrand von West-Berlin. Die schwierigen sozialen Verhältnisse in Kreuzberg wirkten sich auch auf die Gemeinde aus, die bei den Hausbesetzungen in den 1980er Jahren eine aktive Rolle spielte.

Im Jahr 2006 hatte die Gemeinde rund 1800, im Jahr 2019 rund 1500 Mitglieder.

Die Kirchengemeinde St. Thomas bestand rechtlich selbstständig bis Ende 2021 und ist seit dem 1. Januar 2022 der Evangelischen Kirchengemeinde Kreuzberg angegliedert.[1]

Festgottesdienst 150 Jahre St.-Thomas-Kirche am 21. Dezember 2019

Orgeln

Sauer-Orgel (1869–1945)

Im Jahre 1869 erbaute die Orgelbauwerkstatt Sauer eine viermanualige Orgel mit 52 Registern als Opus 95. Im Ersten Weltkrieg hatte man die Prospektpfeifen zu Rüstungszwecken abgegeben. Im Rahmen einer Neugestaltung von Furtwängler & Hammer im Jahr 1932 wurde die Sauer-Orgel generalüberholt, neu disponiert und die Anordnung der Werke verändert. Ebenso stellte man den Prospekt von 1869 wieder her. Die Orgel besaß nunmehr 56 Register auf vier Manualen und Pedal. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Sauer-Orgel bei einem alliierten Luftangriff im Jahr 1944 sehr stark beschädigt und dadurch unspielbar. 1945 wurde die Sauer-Orgel abgebaut.

Beckerath-Orgel (1970)

Die derzeitige Hauptorgel wurde 1970 von der Hamburger Orgelbauwerkstatt Rudolf von Beckerath erbaut. Man plante zunächst eine Beckerath-Orgel mit 47 Registern auf drei Manualen und Pedal, hatte sich letztendlich dann aber auf 25 Register mit zwei Manualen und Pedal geeinigt. Aufgrund der Asbestverseuchung im Jahr 1985 hatte man die Beckerath-Orgel abgebaut und eingelagert. Mit den abgeschlossenen Arbeiten im Jahr 1999 baute man die Orgel wieder ein. In den Jahren 1999 und 2018 wurde die Orgel generalüberholt.

Die Beckerath-Orgel besitzt 25 Register auf zwei Manualen und Pedal und besitzt 1724 Pfeifen. Sie hat folgende Disposition:

Blick zur Beckerath-Orgel
I Hauptwerk C–g3
Gedackt16′
Prinzipal08′
Rohrflöte08′
Oktave04′
Hohlflöte04′
Nasat0223
Oktave02′
Terz0135
Mixtur V0113
Trompete08′
II Brustwerk (schwellbar) C–g3
Holzgedackt8′
Rohrflöte4′
Waldflöte2′
Quinte113
Sesquialtera II113
Scharf IV1′
Cromorne8′
Tremulant
Pedal C–f1
Prinzipal16′
Offenflöte08′
Choralbass04′
Nachthorn02′
Rauschpfeife IV0223
Posaune16′
Trompete08′
Schalmei04′

Schuke-Orgel (1957)

Die von der Berliner Orgelbauwerkstatt Schuke eingebaute Chororgel wurde 1957 als Opus 43 gebaut und 1958 in der Thomaskirche aufgestellt. Die Schuke-Orgel wurde bis 1987 in der Thomaskirche als Altar bzw. Chororgel verwendet, bis sie aufgrund der Asbestverseuchung wieder in das Gemeindehaus zurückversetzt wurde. Dort wurde sie als Hauptorgel für Gottesdienste verwendet. Mit den abgeschlossenen Renovierungsarbeiten in der Thomaskirche wurde die Orgel wieder im Chorraum der Thomaskirche aufgestellt.

Die Schuke-Orgel besitzt sechs Register auf einem Manual und Pedal, die auf geteilten Schleifen (Teilung bei a/b) stehen.

I Manual C–g3
Gedackt (Bass/Diskant)8′
Prinzipal (Bass/Diskant)4′
Rohrflöte (Bass/Diskant)4′
Waldflöte (Bass)2′
Sesquialter 2-fach (Diskant)113
Scharff 3-fach (Bass/Diskant)1′
Pedal C–f1
Pommer16′

Literatur

  • Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Wege zu Berliner Kirchen. Vorschläge zur Erkundung kirchlicher Stätten im Westteil Berlins. Wichern-Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-88981-031-4, S. 60 f.
  • Adler: Die St. Thomas-Kirche zu Berlin. In: Zeitschrift für Bauwesen. Jg. 21 (1871), Sp. 19–26, 321–328, Tafeln 11–22. Digitalisat im Bestand der Zentral- und Landesbibliothek Berlin.
  • Jodok: Kirche auf der Grenze – Die St.-Thomas-Kirche in über 150 Jahren Berliner Geschichte. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu, 1. Aufl. 2021, ISBN 978-3-95976-283-0. Weitere Informationen auf der Website des Verlags.
  • Hans-Joachim Beeskow: Führer durch die St. Thomas-Kirche in Berlin-Kreuzberg. Heimat-Verlag, Lübben 2002, ISBN 3-929600-24-2.
  • Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Alte Kirchen in Berlin. 33 Besuche bei den ältesten Kirchen im Westteil der Stadt. 2. überarb. Aufl., Wichern-Verlag, Berlin 1991, ISBN 3-88981-048-9, S. 298–309.
  • Gemeindekirchenrat der St.-Thomas-Gemeinde (Hrsg.): 125 Jahre St. Thomas-Kirche. Berlin 1994.
  • Christine Goetz (Hrsg.): Kirchen – Berlin Potsdam. Führer zu den Kirchen in Berlin und Potsdam. Wichern-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-88981-140-X.
  • Günther Kühne und Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. 2. Aufl., CZV-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-7674-0158-4, S. 62 f.

Weblinks

Commons: St.-Thomas-Kirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweis

  1. Website der Evangelischen Kirchengemeinde Kreuzberg, abgerufen am 7. Januar 2022

Koordinaten: 52° 30′ 19″ N, 13° 25′ 36″ O

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St.-Thomas-Kirche, Berlin-Kreuzberg, Portalansicht
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Portal der St. Thomas-Kirche in Berlin-Kreuzberg mit Einladung zu Jubiläumsveranstaltungen 150 Jahre