Krampf

Klassifikation nach ICD-10
R56.8[1]Sonstige und nicht näher bezeichnete Krämpfe
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Ein Krampf (mittelhochdeutsch krampf, althochdeutsch chrampho),[2] latinisiert Krampus oder Crampus (Plural Crampi), auch Muskelkrampf (Myospasmus) oder Spasmus genannt, ist eine ungewollte und oft schmerzhafte Muskelanspannung. Die Ursachen für Muskelkrämpfe sind sehr verschieden, bei wiederholten Krämpfen sind es oft Nerven- oder Muskelerkrankungen.[3] Vom hier beschriebenen Krampf sind der Krampfanfall und der Fieberkrampf zu unterscheiden.

Ursachen

Krämpfe haben unterschiedliche Ursachen wie Mineralstoffmangel (Elektrolytstörung, z. B. Magnesiummangel oder Hypocalcämie), beispielsweise in Folge eines übermäßigen Alkoholkonsums, Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes mellitus), mangelnde Durchblutung, medikamentöse Nebenwirkungen, Schilddrüsenunterfunktion, Nervenschäden, Überbeanspruchung der Muskulatur oder orthopädische Ursachen (z. B. Fußfehlstellung). Auch während der Schwangerschaft ist die Anfälligkeit für das Auftreten von Muskelkrämpfen erhöht.[4] Häufig tritt ein Muskelkrampf ohne erkennbare Ursache auf.[5][6] Eine häufige Ursache für sporttypische oder überwiegend nachts auftretende Muskelkrämpfe ist Magnesiummangel. Die Ursache von Muskelkrämpfen im Ruhezustand kann ein Calciummangel im Blut sein.[7]

Eine physiologisch normale Magnesiumkonzentration im Körper begünstigt den Kalium-Rücktransport in die Zelle, was für die Beendigung des Aktionspotentials und die Beendigung des Einstroms von Calcium-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum (sER) wichtig ist. Magnesium ist ein physiologischer Calcium-Kanal-Blocker, der die Freisetzung von Calcium ins Innere der Muskelzelle vermindert. Fehlt Magnesium, kann dies demzufolge zu einer andauernden, schmerzhaften Muskelkontraktion führen. Insgesamt hat Magnesium eine hemmende Wirkung auf das neuromuskuläre System. Es reduziert die elektrische Erregbarkeit des Neurons und verringert die Nervenleitgeschwindigkeit. Dementsprechend senkt eine niedrige Magnesiumkonzentration die Schwelle der Nervenerregung und erhöht die Nervenleitgeschwindigkeit.

Als meist gutartige und vielen Menschen bekannte Erscheinung können Muskelkrämpfe nach Überanstrengung einzelner Muskelgruppen und bei Elektrolytstörungen auftreten. Häufig sind nächtliche Wadenkrämpfe, auch Krampussyndrom (veraltet) genannt, oder auch sogenannte Schreibkrämpfe der Handmuskulatur. Sie können oft durch Entspannungsübungen gelindert oder durch die Zufuhr von Magnesium verhindert werden. Dabei kann Magnesium in einer Citrat-Verbindung vom Körper besser aufgenommen werden.

Teilweise ist auch ein Mangel von Natriumchlorid (Speisesalz) die Ursache von Krämpfen. Natriumchlorid wird bei sportlicher Aktivität durch den Schweiß vermehrt abgesondert. Ein Ausgleich ist unbedingt notwendig, weil ein Elektrolytmangel gegenüber dem extrazellulären Raum die Funktion der Nervenzellen stark beeinträchtigen kann.

Ebenso kann auch ein Mangel an Kalium (beispielsweise durch übermäßiges Ausschwitzen) zum Entstehen von Krämpfen mit beitragen. Als wichtiger Elektrolyt ist es für die Steuerung der Muskeltätigkeit von Bedeutung (Kaliummangel, siehe Hypokaliämie).

Es wird alternativ die Hypothese eines neuromuskulären Ursprungs zur Entstehung von Muskelkrämpfen von zahlreichen Medizinern vertreten. Sporadisch auftretende nächtliche Muskelkrämpfe beispielsweise werden anscheinend von Motoneuronen ausgelöst.[8] In gewissen Fällen könnte zudem der Aspekt der Ermüdung (lokal oder zentral) eine ganz entscheidende Rolle spielen. Sowohl die genauen Ursachen des Muskelkrampfes wie auch die der dabei entstehenden Schmerzen sind nicht vollkommen erforscht.

Nach einer Untersuchung von 2004[9] könnte die Ursache des Muskelkrampfes bei Sportlern nicht wie in der Literatur vermutet an einem Mangel an Elektrolyten liegen, sondern auf dem Boden einer neuronalen Dysfunktion in den Zielmuskel-Muskelspindeln und den Golgi-Sehnenorganen entstehen.

Behandlung

Die bei Muskel- und Gelenksverletzungen empfohlene PECH-Regel (Pause, Eis, Compression, Hochlagern) ist bei Muskelkrämpfen eher ungeeignet. Insbesondere die Kühlung wird zur Behandlung eines Muskelkrampfes nicht empfohlen. Pause und Hochlegen dagegen können zu einer Schmerzlinderung und Regenerierung beitragen.

Zur Behandlung des Krampfes soll das Bewegungsausmaß des Gelenks ausgeschöpft werden, damit sich der Muskel verkürzen kann, um erneutes Auslösen des Sehnenreflexes zu verhindern. Auch eine sanfte Lockerungsmassage oder eine Wärmebehandlung kann gegen den akuten Muskelschmerz helfen.

Ein Krampf lässt sich vielfach beenden, indem der betroffene Muskel gestreckt wird. Beim Wadenkrampf kann dies beispielsweise geschehen, indem der Vorderfuß des betroffenen Beins auf einer Erhöhung positioniert oder das Bein nach hinten gestreckt und belastet wird.[10] Krämpfe im Oberschenkel lassen sich manchmal durch eine kreisende Massage des Muskels lösen. Bei einem beginnenden Krampf kann auch die Erschütterung beim kräftigen Aufstampfen des Fußes helfen. Krämpfe an der Innen- und Rückseite des Oberschenkels lassen sich oft jedoch kaum lösen.

Zur Vermeidung von Krämpfen während oder nach körperlicher Betätigung wird vielfach empfohlen, vor, während und nach dem Sport ausreichend Flüssigkeit einzunehmen.[10] Kalkhaltiges Trinkwasser enthält genügend Calcium, kann dem Körper jedoch nicht alle mit dem Schweiß ausgeschiedenen Salze und Mineralien wieder zuführen. Dies geschieht in der Regel über eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Fruchtsäfte und Mineralwässer können für einen schnellen Ausgleich sorgen, wenn sie genügend Natrium(chlorid), Kalium und Magnesium enthalten.[11] Auch bei sogenannten isotonischen Getränken ist auf den Gehalt an diesen Stoffen zu achten. Sportgetränke erreichen eine kurzfristige Besserung des Befindens oft lediglich durch den enthaltenen Zucker. Die Aufnahme von isolierten Zuckern verursacht jedoch oft eine Schwankung des Blutzuckerspiegels, die auch kontraproduktiv wirken kann (siehe Physiologie im Artikel Elektrolyt).

Da die Ursachen-Zusammenhänge von Krämpfen infolge körperlicher Betätigung noch nicht geklärt sind, können Krämpfe beim Sport vorläufig nur ausgeschlossen werden, indem ungewöhnliche Belastungen vermieden werden. Das heißt, die Belastung darf (auch bei Wettkämpfen) nicht andersartig oder wesentlich intensiver ausfallen als beim regelmäßigen Training.[12]

Dass die Einnahme von Calcium oder Magnesium bei Krämpfen (oder anderen Muskelproblemen) auch kurzfristig hilft, wird gelegentlich berichtet, ist wissenschaftlich jedoch nicht belegt.[13] Durch Trinken von verdünntem Essig oder „Gurkenwasser“ (die essighaltige Flüssigkeit, in der Gurken eingelegt sind) kann einer US-amerikanischen Studie zufolge dagegen die Krampfdauer um fast die Hälfte auf durchschnittlich 85 Sekunden verkürzt werden.[14]

Die Wirksamkeit von Chinin ist zwar wissenschaftlich hinreichend belegt, es sollte allerdings wegen möglicher Nebenwirkungen nur unter strenger ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden.[15] Die Tagesdosis zur Behandlung von Krämpfen sollte 200–400 mg nicht überschreiten.[5] Bei älteren Personen treten oft nächtliche Wadenkrämpfe auf. Vorbeugend wirken eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, eine ausgewogene, magnesiumreiche Ernährung, leichte und regelmäßige Bewegung und Dehngymnastik.

Medikamente mit diuretischer Wirkung, wie z. B. viele blutdrucksenkende Mittel, tragen zum Verlust von Salzen aus dem Körper bei und können dadurch Krämpfe begünstigen.[11]

Krampftypen

Weitere Krampftypen sind die zerebralen Krampfanfälle. Rasch aufeinanderfolgende Krämpfe wie bei einem Krampfanfall werden auch Konvulsionen genannt. Sie sind typisch für die Epilepsie.

Tonische Krämpfe (lang anhaltende) werden beim Wundstarrkrampf, beim tonischen Fazialiskrampf, beim Torticollis und gelegentlich bei der Hysterie beobachtet.

Meist stark schmerzhafte Krämpfe der glatten Muskulatur an Hohlorganen (z. B. Gallenblase, Darm, Harnblase, Niere) werden als Koliken bezeichnet. Im Zusammenhang mit Blutgefäßen, Bronchien und dem Kehlkopf spricht man auch von Spasmen, etwa dem Vasospasmus, Bronchospasmus oder Laryngospasmus.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Krampf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Alphabetisches Verzeichnis zur ICD-10-WHO Version 2019, Band 3. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, 2019, S. 474
  2. KRAMPF, m.. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 11: K – (V). S. Hirzel, Leipzig 1873 (woerterbuchnetz.de).
  3. H. C. Diener, K. Westphal: Differential diagnosis and treatment of cramps. In: MMW Fortschr Med. 155 Suppl 3, 10. Okt 2013, S. 83–86.
  4. Jennifer G. Hensley: Leg Cramps and Restless Legs Syndrome During Pregnancy. In: Journal of Midwifery & Women’s Health. 54, 2009, S. 211, doi:10.1016/j.jmwh.2009.01.003.
  5. a b Crampi/Muskelkrampf. AWMF-Leitlinie, 2008, S. 654 ff.
  6. H. Mörl In: H. Mörl (Hrsg.): Muskelkrämpfe. Springer-Verlag, 1987, S. 59–66.
  7. Klaus Golenhofen: Physiologie heute. Lehrbuch, Kompendium, Fragen und Antworten. 1. Auflage. Urban & Fischer, München 1997, ISBN 3-437-42480-7, S. 60–61.
  8. Rainer Klinke, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Lehrbuch der Physiologie. 4. Auflage. Thieme, Stuttgart 2003, S. 94.
  9. M. P. Schwellnus u. a.: Serum electrolyte concentrations and hydration status are not associated with exercise associated muscle cramping (EAMC) in distance runners. In: Br. J. Sports. Med. 38, 2004, S. 488–492.
  10. a b Dehnung des Wadenmuskels, Darstellung auf der Internetseite der Mayo Klinik.
  11. a b Beschreibung der Ursachen von Krämpfen auf der Internetseite der Mayo Klinik.
  12. siehe hierzu auch die Einzelnachweise im Artikel über Muskelkrämpfe beim Sport in der englischen Wikipedia.
  13. Magnesium beim Sport – Krampf lass nach? Verbraucherzentrale, Stand: 11. Januar 2017
  14. K. C. Miller, G. W. Mack, K. L. Knight, J. T. Hopkins, D. O. Draper, P. J. Fields, I. Hunter: Reflex inhibition of electrically induced muscle cramps in hypohydrated humans. In: Medicine and science in sports and exercise. Band 42, Nummer 5, Mai 2010, S. 953–961, doi:10.1249/MSS.0b013e3181c0647e, PMID 19997012.
  15. Nebenwirkungen von Chinin. arznei-telegramm