Siegmund Hellmann

Siegmund Hellmann, urkundlich Sigmund[1] (* 19. März 1872 in München; † 7. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt) war ein deutscher Historiker.

Leben und Wirken

Siegmund Hellmann war der Sohn des Bankiers Heinrich Hellmann und der Zerlina Karl, seine Schwester war die Schriftstellerin Carry Brachvogel. Er verbrachte seine Jugend in München. Er besuchte das Maximiliansgymnasium München. Ab 1890 studierte er Jura, ab 1892 Geschichte an der Universität München. Seine akademischen Lehrer waren unter anderem Karl Theodor von Heigel, Hermann von Grauert, Gerhard Seeliger und Henry Simonsfeld. Hellmann wurde besonders nachhaltig von Ludwig Traube geprägt und wandte sich dadurch den literarischen Quellen des frühen Mittelalters zu. Mit der Arbeit Die sogenannten Memoiren de Grandchamps und ihre Fortsetzung und die Memoiren des Marquis de Sassenage wurde er 1896 bei Heigel in München promoviert. Seine Habilitation erfolgte 1899 ebenfalls dort mit der Arbeit Grafen von Savoyen und das Reich bis zum Ende der staufischen Periode. Von 1899 bis 1909 lehrte er als Privatdozent an der Universität München.

Im Jahr 1909 erhielt er in München den Titel eines außerordentlichen Professors und lehrte bis 1923 in München. Der linksliberal gesinnte Hellmann wurde durch die sächsische SPD-Regierung gegen den Widerstand der Fakultät auf den Leipziger Lehrstuhl berufen. Die Umstände seiner Berufung brachten ihm bittere Feindschaften ein. An der Universität Leipzig lehrte er von 1923 bis 1933 als ordentlicher Professor für mittlere Geschichte und Historische Hilfswissenschaften. Zu seinen Schülern gehörte unter anderem Helmut Beumann. Er schrieb viele tagespolitische Artikel in der Frankfurter Zeitung, dem Hamburger Fremdenblatt und dem Berliner Tageblatt.[2] Als nach 1914 Berufener wurde Hellmann gemäß dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ 1933[3] als Jude entlassen und lebte fortan wieder in München, wo er an einer „Deutschen Geschichte“ schrieb. Größere Bedeutung hatten für Hellmann Karl von Amira, Karl Vossler, Karl Rothenbücher und Max Weber.

Hellmann wohnte ab 1936 zurückgezogen bei seiner Schwester in München.[4] Er wurde am 22. Juli 1942 zusammen mit ihr[5] in das KZ Theresienstadt deportiert. Beide starben infolge der dortigen Haftbedingungen. Seine 1500 Bände umfassende Bibliothek wurde von der Geheimen Staatspolizei konfisziert. Sie gilt heute als verschollen.[6] Sein Forschungsschwerpunkt war die Zeit des Frankenreiches. Die fränkische Geschichte von Gregor von Tours übersetzte er neu ins Deutsche. Im Jahr 1923 gab er zusammen mit Melchior Palyi die Vorlesungen von Max Weber über „Wirtschaftsgeschichte“ heraus. Sein sozialgeschichtlich ausgerichtetes Hauptwerk wurde Das Mittelalter bis zum Ausgange der Kreuzzüge und ist dem von ihm besonders geschätzten Karl Wilhelm Nitzsch gewidmet. Bedeutend wurde auch seine Abhandlung Wie studiert man Geschichte? (1920).

Der zum Protestantismus konvertierte Hellmann war mit Emma Richter verheiratet, sie hatten eine Tochter.

Schriften (Auswahl)

  • Die Grafen von Savoyen und das Reich bis zum Ende der Staufischen Periode. Wagner’schen Universitäts-buchhandlung, Innsbruck 1900, OCLC 33061901.
  • Wie studiert man Geschichte? Duncker & Humblot, Leipzig 1911; 2., erweiterte Auflage 1920, urn:nbn:de:bsz:15-0011-210250.
  • Machtpolitik und Idealpolitik. Duncker & Humblot, München 1918, OCLC 83831321.
  • Deutschland und Amerika. Duncker & Humblot, Leipzig, München 1917, urn:nbn:de:bsz:15-0011-129247.
  • Das Mittelalter bis zum Ausgange der Kreuzzüge. Perthes, Gotha 1920.
    • Das Mittelalter bis zum Ausgange der Kreuzzüge. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1969 (Unveränderter reprographischer Nachdruck der Ausgabe der 2. Auflage, Gotha 1924).

Literatur

Weblinks

Wikisource: Siegmund Hellmann – Quellen und Volltexte

Anmerkungen

  1. Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. München 2002, S. 68.
  2. Hermann Heimpel: Aspekte. Alte und neue Texte. Hrsg. von Sabine Krüger. Göttingen 1995, S. 148.
  3. Endlich kaltgestellt. In: Der Freiheitskampf. Amtliche Tageszeitung der NSDAP, Gau Sachsen. Stadtausgabe Dresden, 5. Mai 1933, S. 1, urn:nbn:de:bsz:14-db-id417177860-193305053 (Digitalisat).
  4. Abriss der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Mit- und Nachschriften 1919/20. Max Weber. Herausgegeben von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Joachim Schröder. Tübingen 2011, S. 61.
  5. Carry Brachvogel. In: Deutsches Literatur-Lexikon, Das 20. Jahrhundert. Biographisch-bibliographisches Handbuch. Begründet von Wilhelm Kosch. Hrsg. von Lutz Hagestedt. Berlin/Boston, Band 3, 2001, Sp. 510.
  6. Abriss der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Mit- und Nachschriften 1919/20. Max Weber. Herausgegeben von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Joachim Schröder. Tübingen 2011, S. 62.