Shoshana Zuboff

Shoshana Zuboff am 6. November 2019 zu Gast bei einem Vortrag am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft

Shoshana Zuboff (* 18. November 1951) ist eine US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin und emeritierte Professorin für Betriebswirtschaftslehre der Harvard Business School in Cambridge, Massachusetts.[1]

Leben und Wirken

Nach ihrem Studium der Philosophie an der University of Chicago, das Shoshana Zuboff mit dem Bachelor of Arts abschloss, und ihrer Promotion in Sozialpsychologie in den 1970er Jahren an der Harvard University arbeitete sie zunächst als Beraterin im Bereich organisatorische Veränderungen[2], bis sie im Jahr 1981 einen Lehrauftrag als Charles Edward Wilson Professor of Business Administration an der Harvard Business School erhielt. Sie war damit die jüngste und eine der ersten Frauen an der angesehenen akademischen Bildungseinrichtung, die diesen Stiftungslehrstuhl innehatte.[1] Sie spezialisierte sich früh auf das Thema Informationstechnologie in der Arbeitswelt, mit dem sie 1978 begann und zehn Jahre später mit dem Werk In the Age of the Smart Machine: The Future of Work and Power zu ihrer ersten Buchveröffentlichung führte.[3]

Ihre Forschung überzeugte sie zunehmend davon, dass – in Abwesenheit eines neuen ökonomischen und sozialen Paradigmas – die neuen Informationsflüsse in Unternehmensbereichen Kontrolle, Überwachung, Substitution von Arbeit und Kostensenkung erzeugen würden.[3] In den späten 1990er Jahren stellte sie daher ihren Lehrauftrag an der Harvard Business School weitgehend ein, da sie, wie sie in einem Interview mit dem Magazin strategy+business sagte, nicht mehr Harvards Betriebswirtschaftsprogramm lehren konnte, weil sie große Teile des Lehrplans für einen Teil des Problems und nicht Teil der Lösung hielt, für die sie sich zunehmend im Bereich der Digitalwirtschaft öffentlich äußerte.[2] Danach wechselte sie zum 1998 gegründeten Berkman Klein Center for Internet & Society an der Harvard Law School, wo sie als assoziierte Forscherin mitwirkte.

Zuboff widmete sich zunehmend der Veröffentlichung von Büchern, Essays und Schriften, schrieb unter anderem einige Gastbeiträge für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und trat als Gastrednerin zu ihrem Thema in unterschiedlichen Veranstaltungen auf. Einige ihrer Kolumnen erschienen auf BusinessWeek.com und im Magazin Fast Company. Dort kritisiert sie die Sammlung von personenbezogenen Daten durch Internetkonzerne wie Google, Facebook und Co. In diesem Zusammenhang prägte sie 2014 auch den Begriff Überwachungskapitalismus. Damit zieht sie einen Vergleich mit der Entwicklung im Industriekapitalismus und der Massenproduktion. An die Stelle der Massenproduktion sei heute die massenhafte Sammlung von Daten getreten, was unter dem Begriff Big Data zusammengefasst werde. Sie sieht darin ein Geschäftsmodell großer Konzerne – nicht nur aus der Technologie-Branche – zum Erzielen gigantischer Gewinne und nennt dies „Überwachungsdividende“. Trotz der ungeheuren Wissensansammlung durch das „Ausschlachten privater Daten“ werde aber keines unserer existentiellen Probleme gelöst, was sie als „gigantisches Marktversagen“ betrachtet.[4] Ihre Ausführungen gipfeln in der Aussage, der „Überwachungskapitalismus zerstöre die innere Natur des Menschen“.

Am 24. Juni 2013 rief sie dann die Öffentlichkeit dazu auf, „der Arroganz des Silicon Valley etwas entgegenzusetzen“. Der Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Juni 2013 wurde folglich mit dem Titel Seid Sand im Getriebe veröffentlicht[5] und in der Ausgabe des Stern vom 2. März 2019 wurde Empört euch! Harvard-Professorin Shoshana Zuboff hält das Geschäft der Internetkonzerne mit unseren Daten für Überwachungskapitalismus – und ruft zum Widerstand auf getitelt.[6]

In einer Besprechung ihres Buches Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus (2018) kritisierte Harald Welzer, dass sie zwar „philosophische Übermütter und -väter“ wie Hannah Arendt „gern und oft“ zitiere, „selbst gesellschaftstheoretisch aber schwach“ bleibe. Außerdem biete ihr Buch, „und das ist wirklich maximal enttäuschend, überhaupt keine Perspektive auf eine Politisierung des Phänomens, gar auf gesellschaftlich wirksame Gegenwehr.“[7]

Im November 2019 wurde Shoshana Zuboff in Berlin mit dem Axel Springer Award ausgezeichnet.[8]

Familie

1987 traf sie James (Jim) Maxmin, einen Berater internationaler Unternehmen, den sie später heiratete. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor, der 1995 geboren wurde.[2]

Werke

  • In the Age of the Smart Machine: The Future of Work and Power. Basic Books, New York 1988, ISBN 0-465-03212-5 (englisch).
  • zus. mit James Maxmin: The Support Economy: Why Corporations are Failing Individuals and the Next Episode of Capitalism. Viking Press, New York 2002, ISBN 0-670-88736-6 (englisch).
  • Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Campus Verlag, Frankfurt / New York 2018, ISBN 978-3-593-50930-3 (englisch: The Age of Surveillance Capitalism. New York. Übersetzt von Bernhard Schmid, in der englischen Fassung im Januar 2019 erschienen). (Online-Rezension: Die Verdatung der Welt von Dirk Hohnsträter auf Soziopolis).

Artikel

  • Heroic Work. In: American Prospect. Januar 1993 (englisch).
  • The Emperor’s New Workplace. In: Scientific American. September 1995 (englisch).
  • Creating Value in the Age of Distributed Capitalism. In: McKinsey Quarterly. Nr. 4, 2010, S. 45–55 (englisch).
  • Seid Sand im Getriebe! In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 25. Juni 2013 (faz.net – englisch: Be the friction – Our Response to the New Lords of the Ring. Frankfurt. Übersetzt von Matthias Fienbork).
  • NSA – Obama, Merkel, and the Bridge to an Information Civilization. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. Januar 2014 (englisch, faz.net).
  • Die neuen Massenausforschungswaffen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 13. Februar 2014 (faz.net – englisch: The New Weapons of Mass Detection. Frankfurt. Übersetzt von Michael Bischoff).
  • Unsere Zukunft mit „Big Data“ – Lasst euch nicht enteignen! In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 14. September 2014 (faz.net – englisch: A Digital Declaration. Frankfurt. Übersetzt von Gero Guttzeit).
  • Big other: surveillance capitalism and the prospects of an information civilization. In: Journal of Information Technology. Band 30, 2015, S. 75–89, doi:10.1057/jit.2015.5 (englisch).
  • Sharing Economy und Europa – Die Vorteile der Nachzügler. In: Frankfurter Allgemeine. Frankfurt 23. März 2015 (faz.net – englisch: Disruption’s Tragic Flaw. Frankfurt. Übersetzt von Michael Bischoff).
  • Überwachungskapitalismus – Wie wir Googles Sklaven wurden. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. März 2016 (faz.net – englisch: Google as a Fortune Teller: The Secrets of Surveillance Capitalism. Frankfurt. Übersetzt von Michael Bischoff).
  • Shoshana Zuboff: The coup we are not talking about. We can have democracy, or we can have a surveillance society, but we cannot have both, The New York Times, 29. Januar 2021

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Shoshana Zuboff. Harvard Business School, abgerufen am 14. Juli 2019 (englisch).
  2. a b c Andrea Gabor: Post-capitalism’s Drop-out Prophet. In: strategy+business. PricewaterhouseCoopers International, 25. August 2004, abgerufen am 14. Juli 2019 (englisch).
  3. a b Shoshana Zuboff. Berkman Klein Center for Internet & Society at Havard University, 2. September 2015, abgerufen am 14. Juli 2019 (englisch).
  4. Elisabeth von Thadden: Shoshana Zuboff: Ist das Private wirklich Privatsache? In: Die Zeit. 16. Dezember 2019, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 28. Dezember 2019]).
  5. Shoshana Zuboff: Seid Sand im Getriebe! In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 25. Juni 2013 (englisch, faz.net [abgerufen am 14. Juli 2019]).
  6. Philipp von Ditfurth: Digitale Überwachung: Harvard-Professorin erklärt, wie Facebook, Google und Co. den freien Willen killen. Empört euch! Harvard-Professorin Shoshana Zuboff hält das Geschäft der Internetkonzerne mit unseren Daten für Überwachungskapitalismus – und ruft zum Widerstand auf. In: Stern. Hamburg 2. März 2019 (stern.de – Interview mit Shoshana Zuboff).
  7. taz Futurzwei Nr. 7/2018, S. 68.
  8. Florian Gehm: Die Professorin, der es reicht. In: Die Welt, 9. November 2019, S. 9. Online-Version, abgerufen am 10. November 2019.

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Autor/Urheber: Alexander von Humboldt Institut for internet and society, Lizenz: CC BY 3.0
Shoshana Zuboff: Surveillance capitalism and democracy

The collection and analysis of data is changing the way economies operate. Are these changes so fundamental that they can be said to have led to the emergence of a new form of capitalism – surveillance capitalism? If people’s behaviour is made increasingly transparent, do we become a society in which trust is no longer necessary? Are individuals a mere appendage to the digital machine, objects of new mechanisms which reward and punish according to the determinations of private capital? How is social cohesion affected when people become dispensable as a labour force, while their data continues to provide function as a source of value in lucrative new markets that trade in predictions of human behaviour? How should we understand the new quality of power that arises from these unprecedented conditions? What kind of society does it aim to create? And what ramifications will these developments have for the principles of liberal democracy? Will privacy law and anti-trust law be enough? How can we tame what we do not yet understand?

Shoshana Zuboff is a social scientist and author of three books, each of which has been recognised as the definitive signal of a new epoch in technological society. Her latest book, The Age of Surveillance Capitalism reveals a world in which technology users are no longer customers but the raw material for an entirely new economic system. Zuboff is the Charles Edward Wilson Professor Emerita at Harvard Business School and was a Faculty Associate at the Berkman Klein Center for Internet and Society at Harvard Law School from 2014 until 2016.

Making Sense of the Digital Society The current rapid pace of technological change creates enormous uncertainties – and thus the need for explanations that help us better understand our situation and shape the future. The Alexander von Humboldt Institute for Internet and Society (HIIG) and the Federal Agency for Civic Education (bpb) are therefore continuing the Lecture Series Making Sense of the Digital Society that was launched in 2017. The aim of the format is to develop a European perspective on the current processes of transformation and its societal impact. The first speaker of this year’s series was sociologist Eva Illouz, followed by Dirk Baecker, José van Dijck and Louise Amoore. The event with Shoshana Zuboff on 6 November is part of the Berlin Science Week 2019 and the keynote of the DigiKomm conference 2019.

More information about the event and the lecture series: https://www.hiig.de/en/events/shoshan...

Photo credit: Falling Walls Foundation

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