Schweizer Parlamentswahlen 1939

1935Gesamterneuerungswahlen
des Nationalrats 1939
1943
Wahlbeteiligung: 74,3 %
 %
30
20
10
0
25,93
20,72
16,98
14,74
7,07
4,48
2,73
1,76
1,66
3,93
Bundeshaus in Bern:
Sitz des Schweizer Parlaments

Die Schweizer Parlamentswahlen 1939 fanden am 29. Oktober 1939 statt. Dabei waren alle 187 Mandate des Nationalrats sowie 24 von 43 Mandaten im Ständerat neu zu vergeben. Diese 31. Legislaturperiode dauerte vier Jahre bis Oktober 1943.

Wegen der Mobilmachung infolge des Beginns des Zweiten Weltkriegs waren viele Männer nicht an ihren Wohnorten stationiert. Aus Rücksicht darauf kam es in neun Kantonen zu Stillen Wahlen (gleich viele Kandidaten wie Sitze = keine Wahl). Deshalb sind die Resultate nicht gleich zu gewichten wie bei Wahlen in Friedenszeiten.

Grosser Wahlverlierer waren die Sozialdemokraten (SPS). Sie mussten 5 ihrer 50 Sitze abgeben. Vier dieser Sitze gingen alleine an die Féderation socialiste suisse um Léon Nicole, die wegen ihrer Befürwortung des Hitler-Stalin-Pakts aus der SPS ausgeschlossen worden war. Die Deutschschweizer Kommunisten verloren dagegen ihren beiden Sitze. Weitere Verlierer waren die Jungbauern und die Parteien der Frontenbewegung, die nicht einmal zur Wahl antraten. Die Evangelische Volkspartei erreichte ebenfalls keinen Nationalratssitz – das erste und bisher einzige Mal seit Einführung des Proporzwahlrechtes 1919. Die traditionell-bürgerlichen Parteien FDP, KVP, BGB und DP sowie der Landesring konnten je um ein bis zwei Sitze zulegen.[1]

Im Ständerat kam es nur zu unbedeutenden Verschiebungen.

Die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei den Nationalratswahlen 1939 sank stark auf 74,3 %, mit kantonalen Werten zwischen 41,7 % in Obwalden und 89,1 % im Aargau.[2]

Wahlmodus

Nationalrat

Die Nationalräte werden seit 1919 nach dem Proporzwahlsystem gewählt, d. h. die Sitze werden nach dem Wähleranteil der Parteilisten in den einzelnen Kantonen verteilt und erst innerhalb der Liste gemäss den Personenstimmen. Die Anzahl Sitze pro Kanton werden anhand der Einwohnerzahl bestimmt.

Ausführlicher hierzu: Nationalrat (Schweiz) – Wahlverfahren

Ständerat

Jeder Kanton wählt seit 1848 zwei Vertreter für den Ständerat (ehemalige Halbkantone: einen Vertreter). Die Ständeratswahlen richten sich nach kantonalem Recht. In den meisten Kantonen wurde am 25. Oktober auch die Ständevertretung gewählt. In den Kantonen Appenzell Innerrhoden, Glarus, Nidwalden und Obwalden wählten die Landsgemeinden im Frühjahr die Ständeräte. Die Kantone hatten nicht nur abweichende Wahltermine, sondern auch noch verschieden lange Amtsperioden (1–4 Jahre). In den Kantonen Bern (Novembersession), Freiburg (1 Person in der Maisession, 1 Person in der Novembersession), Neuenburg (gleichentags mit den Nationalratswahlen) und St. Gallen (in der Frühjahrssession) wurden die Ständeräte vom Kantonsparlament gewählt. In allen anderen Kantonen wurden die Ständeräte bei Urnenwahlgängen ermittelt, normalerweise am gleichen Tag wie die Nationalratswahlen. Abweichend davon wählten die Stimmberechtigten in den Kantonen Graubünden (erster Sonntag im März), Tessin (letzter Sonntag im Februar) und Zug (im November).

Ausführlicher hierzu: Ständerat – Wahlverfahren

Resultate Nationalrat

Anmerkungen zu den Wählerzahlen

In den Mehrpersonenwahlkreisen hat jeder Wähler so viele Stimmen, wie in seinem Kanton Sitze zu vergeben sind (im Kanton Bern 34, im Kanton Zug 2). Diese Stimmen kann er an beliebige Kandidaten der sich zur Wahl stellenden Listen vergeben (Panaschieren). Eine Stimme für einen Kandidaten ist gleichzeitig eine Stimme für dessen Partei. Hat ein Wähler nicht alle seine Stimmen an Kandidierende vergeben, gehen diese Stimmen als sogenannte „Zusatzstimmen“ an die von ihm gewählte Liste. Wenn der Wähler keine Liste auswählt, sondern einen so genannten „Wahlzettel ohne Parteibezeichnung“ – auch Blankoliste genannt – verwendet, verfallen nicht benutzte Stimmen (sog. Leere Stimmen).

Um zu überkantonal vergleichbaren Ergebnissen zu kommen, muss zuerst die Anzahl fiktiver Wähler pro Kanton und Partei berechnet werden. Und die Summe aller fiktiven Wähler der einzelnen Kantone sind dann die Wähler auf Landesebene (z. B. SP auf 160'377 Wähler gerundet). Ein Aargauer "Wähler" kann aber auch aus 12 Personen bestehen, die nur je einen Kandidaten der betreffenden Partei auf ihrer Liste aufgeführt haben.

Das Bundesamt für Statistik benutzt daher den Begriff "fiktiver Wähler" für den Wähler, da ein effektiver Wähler auch nur ein Teilwähler sein kann. Die Zahl der Wähler entspricht der Anzahl gültiger Wahlzettel. Auf Kantonsebene ist die Summe aller Parteistimmen (Summe der Kandidatenstimmen von Kandidierenden einer Partei plus Zusatzstimmen = leere Felder einer Parteiliste) Berechnungsgrundlage. Beispiel: Partei A erzielt im Kanton X 12000, Partei B 27000 und Partei C 48000 von 87000 Parteistimmen. Die Anzahl gültiger Wahlzettel beträgt 25000. Somit hat Partei A in diesem Kanton 3448,28 (12000:87000 × 25000), Partei B 7758,62 (27000:87000 × 25000) und Partei C 13793,10 (48000:87000 × 25000) fiktive Wähler. Alle drei Parteien zusammen total 25000 Wähler.

Die gewählten Mitglieder des Nationalrats sind im Bundesblatt Nr. 48 vom 29. November 1939 aufgelistet.[3]

Parteien, Wähler, Sitze

Resultate aus den Kantonen finden sich unter Schweizer Parlamentswahlen 1939/Resultate Nationalratswahlen. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Luzern, Neuenburg, Schwyz, Solothurn, Tessin, Waadt, Wallis und Zug fanden stille Wahlen statt. Aus diesem Grund geben untenstehende Zahlen ein verzerrtes Bild der Wählerschaft. Der Wähleranteil von Parteien mit Hochburgen in den genannten Kantonen (insb. Katholisch-Konservative und Liberale) wird unterschätzt, derjenige der Parteien, die in den restlichen Kantonen stark waren (BGB, LdU, Jungbaueren), dementsprechend überzeichnet. Die Prozentwerte sind nicht mit vorhergehenden oder nachfolgenden Wahlen vergleichbar.

Insgesamt 187 Sitze
ParteiWähler%Sitze(+/-)
Sozialdemokratische Partei160'37725,93 %45−5
Freisinnig-Demokratische Partei128'16320,72 %49+1
Konservative Volkspartei105'01816,98 %43+1
Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei91'18214,74 %22+1
Landesring der Unabhängigen43'7357,07 %9+2
Jungbauernbewegung27'7084,48 %3−1
Demokratische Partei16'8912,73 %5+2
Schweizerischer Freiwirtschaftsbund (ZH,BE,BS,BL)10'8651,76 %1+1
Liberale Partei der Schweiz10'2411,66 %6±0
Fédération socialiste suisse7'9981,29 %4+4
Kommunistische Partei der Schweiz7'9641,29 %0−2
Evangelische Volkspartei5'7260,93 %0−1
Baselbieter Bauernpartei, Freie Demokraten und Parteilose (BL)2'2160,36 %0±0
Aktionskomitee für die Brechung der Zinsknechtschaft (BL)650,01 %0±0
Vereinzelte Stimmen in Einerwahlkreisen3840,06 %0±0
Total618'533100 %187±0

Wähleranteile in den Kantonen (mit mehreren Sitzen)

Wählerzahlen, Prozente kleinerer Parteien und Namen der Gewählten unter Schweizer Parlamentswahlen 1939/Resultate Nationalratswahlen. Für die Kantone, in denen stille Wahlen stattfanden, können naturgemäss keine Wähleranteile angegeben werden.

KantonSPFDPKVPBGBLdUDPV1KP/FSSJBFWBLPSEVP
Kanton Aargau Aargau33,7 %16,3 %21,9 %14,7 %4,4 %5,4 %3,5 %
Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft27,3 %23,8 %12,7 %12,8 %2,3 %4,0 %16,7 %
Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt33,2 %13,1 %10,3 %6,1 %14,1 %9,3 %13,9 %
Kanton Bern Bern30,1 %15,0 %6,0 %31,6 %3,8 %0,6 %10,2 %2,7 %
Kanton Freiburg Freiburg26,6 %61,1 %12,3 %
Kanton Genf Genf10,7 %32,7 %13,8 %25,7 %17,2 %
Kanton Glarus Glarus29,5 %27,8 %42,6 %
Kanton Graubünden Graubünden9,7 %17,4 %34,0 %38,9 %
Kanton Schaffhausen Schaffhausen44,0 %35,1 %20,8 %
Kanton St. Gallen St. Gallen16,3 %26,9 %40,0 %7,5 %4,9 %4,5 %
Kanton Thurgau Thurgau27,5 %20,5 %20,6 %23,7 %7,8 %
Kanton Zürich Zürich31,4 %20,6 %6,9 %13,8 %17,4 %2,4 %2,5 %2,7 %2,3 %
Schweiz25,9 %20,7 %17,0 %14,7 %7,1 %3,1 %2,6 %2,1 %1,0 %3,2 %0,9 %
V1 inkl. die Liste "Bauernpartei, Freie Demokraten und Parteilose" (BL)

Sitzverteilung in den Kantonen

Wählerzahlen, Prozente kleinerer Parteien und Namen der Gewählten unter Schweizer Parlamentswahlen 1939/Resultate Nationalratswahlen.[4]

KantonTotalFDPSPKVPBGBLdULPSDemFSSJBFWBKPSFrontS1EVPAVLS2
Kanton Aargau Aargau1225+1320−1
Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden3211
Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden11
Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft41−11−11+11+1
Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt712−112+210−1
Kanton Bern Bern315+110−12+110−113
Kanton Freiburg Freiburg724−11+1
Kanton Genf Genf83+11−2112+20−1
Kanton Glarus Glarus21S41
Kanton Graubünden Graubünden612−13+1
Kanton Luzern LuzernS39315
Kanton Neuenburg NeuenburgS36231
Kanton Nidwalden Nidwalden11
Kanton Obwalden Obwalden11
Kanton Schaffhausen Schaffhausen211
Kanton Schwyz SchwyzS3312
Kanton Solothurn SolothurnS37322
Kanton St. Gallen St. Gallen13426+110−1
Kanton Tessin TessinS372S5−1131S5+1
Kanton Thurgau Thurgau61212
Kanton Uri Uri11
Kanton Waadt WaadtS31562−2232+2
Kanton Wallis WallisS36114
Kanton Zug ZugS3211
Kanton Zürich Zürich286+110+125+150−10−10−1
Schweiz18749+145−543+122+19+26±05+24+43−11+10−20−20−10−1
S1 Die Parteien der Frontenbewegung (Union nationale und Nationale Front) traten 1939 nicht an.
S2 "Allgemeine Volksliste"; AVL-Nationalrat Jakob Nüesch kandidierte 1939 erfolglos auf der Liste des "Bunds freier Demokraten".
S4 Hans Trümpy war für die DP gewählt worden, trat im Nationalrat jedoch nicht der Fraktion von DP und Jungbauern bei, sondern jener der FDP.[5]
S5 Wie schon 1935 erhielten die eigentlichen Freisinnigen ("Partito Liberale Radicale") zwei Nationalratssitze und die FDP-Linksabspaltung des "Partito Liberale Radicale Democratico" (RLRD) einen. Die Sitzverschiebung liegt darin begründet, dass der PLRD 1935 noch zur nationalen FDP gehört hatte, inzwischen jedoch mit der schweizerischen Demokratischen Partei verbunden war.

Ergebnisse der Ständeratswahlen

Die gewählten Mitglieder des Ständerats sind im Bundesblatt Nr. 48 vom 29. November 1939 aufgelistet.[6] Der zweite Ständerat des Kantons Zürich wurde erst 1940 gewählt. Den Sitz gewann Hans Bernhard von der BGB.

Sitzverteilung

Insgesamt 43 Sitze
ParteiWahlen 1939Wahlen 1935
SPS33
KVP1919
LPS22
FDP1415
DP22
BGB33

Gewählte Ständeräte

Kanton1. Ständeratssitz2. Ständeratssitz
Kanton Aargau AargauHans Fricker, KVP (bisher)Gottfried Keller, FDP (bisher)
Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell AusserrhodenWalter Ackermann, FDP (neu)nur ein Sitz
Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell InnerrhodenArmin Locher, KVP (neu)nur ein Sitz
Kanton Basel-Landschaft Basel-LandschaftWalter Schaub, SP (bisher)nur ein Sitz
Kanton Basel-Stadt Basel-StadtGustav Wenk, SP (bisher)nur ein Sitz
Kanton Bern BernHenri Mouttet, FDP (bisher)Rudolf Weber, BGB (bisher)
Kanton Freiburg FreiburgJoseph Piller, KVP (bisher)Bernard Weck, KVP (bisher)
Kanton Genf GenfAlbert Malche, FDP (bisher)Auguste-Edouard-Frédéric Martin, LPS (bisher)
Kanton Glarus GlarusMelchior Hefti, DP (neu)Joachim Mercier, FDP (neu)
Kanton Graubünden GraubündenAlbert Lardelli, DP (bisher)Josef Vieli, KVP (neu)
Kanton Luzern LuzernGotthard Egli, KVP (bisher)Albert Zust, KVP (bisher)
Kanton Neuenburg NeuenburgErnest Béguin, FDP (bisher)Marcel de Coulon, LPS (bisher)
Kanton Nidwalden NidwaldenRemigi Joller, KVP (neu)nur ein Sitz
Kanton Obwalden ObwaldenWalter Amstalden, KVP (bisher)nur ein Sitz
Kanton Schaffhausen SchaffhausenHans Käser, FDP (bisher)Johannes Winzeler, BGB (bisher)
Kanton Schwyz SchwyzFritz Stähli, KVP (neu)Adolf Suter, KVP (bisher)
Kanton Solothurn SolothurnIwan Bally, FDP (neu)Paul Haefelin, FDP (neu)
Kanton St. Gallen St. GallenErnst Löpfe, FDP (bisher)Johann Schmuki, KVP (neu)
Kanton Tessin TessinArnaldo Luigi Bolla, FDP (bisher)Antonio Luigi Riva, KVP (bisher)
Kanton Thurgau ThurgauPaul Altwegg, FDP (bisher)Erich Ullmann, BGB (neu)
Kanton Uri UriLeo Meyer, KVP (bisher)Ludwig Walker, KVP (bisher)
Kanton Waadt WaadtNorbert Bosset, FDP (bisher)Louis Chamorel, FDP (bisher)
Kanton Wallis WallisPierre Barman, KVP (bisher)Raymond Evéquoz, KVP (bisher)
Kanton Zug ZugAlphons Iten, KVP (bisher)Alois Müller, KVP (bisher)
Kanton Zürich ZürichEmil Klöti, SP (bisher)vakant

Fraktionen in der 31. Legislaturperiode

Fraktionen sind Zusammenschlüsse der Abgeordneten einer oder mehrerer Parteien.[7] Untenstehende Tabelle gibt den Stand zu Beginn der Legislaturperiode wieder.

FraktionGesamtNationalratStänderat
Radikal-Demokratische Gruppe (FDP)F1635114
Katholisch-Konservative614318
Sozialdemokraten48453
Bauern-, Gewerbe und Bürgerfraktion26224
unabhängige Fraktion (LdU)990
Liberal-Demokratische Fraktion862
Freie und Demokratische Fraktion (DP, JB)F2660
ohne Fraktionszugehörigkeit853
F1 inkl. Nationalrat Hans Trümpy (DP, Glarus)
F2 ohne Nationalrat Trümpy sowie die beiden DP-Ständeräte Hefti und Lardelli

Weblinks

Einzelnachweise

  1. «Nationalratswahlen: Mandatsverteilung nach Parteien, 1919–2015»
  2. Tabelle «Nationalratswahlen: Wahlbeteiligung, 1919–2015»
  3. Mitglieder des Nationalrats, Seiten 675–731
  4. Nationalratswahlen: Mandatsverteilung nach Parteien und Kanton. Bundesamt für Statistik, 1. Dezember 2015, abgerufen am 4. Mai 2022.
  5. Schweizerische Bundesversammlung, Datenbank aller Ratsmitglieder seit 1848, Suche nach «Hans Trümpy»
  6. Mitglieder des Ständerats, Seiten 732–734
  7. Fraktionen seit 1912

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