Scheinarchitektur
Scheinarchitektur spiegelt dem Betrachter das Vorhandensein baulicher Elemente und Einrichtungen vor.
Illusionsmalerei
In der Malerei wird häufig die Fluchtpunktperspektive gewählt, um räumliche Tiefe vorzutäuschen. Beispielhaft hierfür ist die Deckenmalerei des Barocks. Dem am Boden stehenden Betrachter öffnet sich das Gewölbe einer Kirche beim Blick nach oben zum Himmel. Die Ränder der Öffnung werden u. a. von geschickt gemalten, perspektivisch verzerrten Balustraden begrenzt. Diese Illusion funktioniert allerdings nur von einem bestimmten Punkt aus einwandfrei, von dem aus die Zentralperspektive ihre Wirkung entfaltet und den Raum illusionistisch erweitert. Bei einem Verlassen dieses „Ideal“-Punktes verändern sich die Fluchtlinien und die Architektur scheint zu kippen. Daher eignen sich vorwiegend hohe Decken mit einem gewissen Abstand zum Betrachter, der naturgemäß die ideale Betrachtungsposition erweitert, wie auch Kuppeln oder gewölbte Deckenansätze, die den Übergang von der Realität in die Illusion unterstützen, für diese Art der Bemalung. In modernen Profanbauten ist die Dekorierung von Decken mit Scheinarchitektur wegen des Fehlens der erforderlichen Höhe nur noch selten und beschränkt sich dort meist auf die malerische Öffnung von Wänden (Darstellung der Öffnungslaibung) oder die Darstellung eines Scheinmauerwerks.
Das Barockzeitalter ist beispielhaft auch für die scheinarchitektonische Fassadengliederung. Mächtige Säulenkapitelle, Steinlagen, Fenster oder Gesimse, die der Betrachter wahrzunehmen glaubt, bestehen in diesem Fall lediglich aus Farbe, Stuck oder flachen Reliefs, die über Mauerwerk aus unbehauenen Steinen oder Ziegelsteinen angebracht wurden.
Gewölbefresko der Kirche Santa Maria della Carità in Brescia
Scheinarchitektur eines Freskos in Neresheim
Villa in Brescia mit Scheinfassade
Scheinarchitektur im Kaiserhof der Münchner Residenz
Gebaute Scheinarchitekturen
Indien
Bereits in den aus dem 3./4. Jahrhundert stammenden buddhistischen Chaitya-Hallen Westindiens (Karli-, Bhaja-, Aurangabad-Höhlen) finden sich imposante Scheingewölbe und Blendarchitekturen. Überhaupt kann die Felsbaukunst insgesamt mit einigem Recht als Scheinarchitektur bezeichnet werden (z. B. Felsenkirchen, Höhlentempel).
Vor allem in der Pallava-Architektur Südindiens (7.–9. Jh.), in der zeitlich und stilistisch nachfolgenden Chola-Architektur (9.–12. Jh.) und der darauf fußenden Baukunst des Vijayanagar-Reiches finden sich Scheinarchitekturen. Bedeutendste Beispiele sind die Fünf Rathas in Mamallapuram sowie die stufenförmig angeordneten pyramidalen Tempel- oder Gopuram-Türme im gesamten Südosten des indischen Subkontinents (Kanchipuram, Thanjavur, Madurai etc.).
Europa
Auch die künstlichen Ruinenbauten des 18. und 19. Jahrhunderts in Europa sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
Siehe auch
- Lüftlmalerei
- Blindfenster
- Trompe-l’œil
- Ornament
- Blendsäule
- Quadraturmalerei
- Palazzo Spada
- Santa Maria presso San Satiro
- Stargarder Blende
Weblinks
Auf dieser Seite verwendete Medien
Autor/Urheber: =Rainer Halama, Lizenz: CC BY 2.5
Mural (Wandmalerei) der Brooklyn Bridge, New York City (Aufnahme 1981), mit der echten Brücke im Hintergrund
(c) I, Manfred Heyde, CC BY-SA 3.0
Church Santa Maria del Corlo, located in the town of Lonato near Lake Garda in Italy
Autor/Urheber: Jürgen Hornschuh, Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Scheinarchitektur in Fresken (Kloster Neresheim) / Ort: Kloster Neresheim
Autor/Urheber: Manfred Heyde, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Mansion in Brescia/Italy - false architecture
Autor/Urheber: Manfred Heyde, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Church Santa Maria della Carità in Brescia/Italy - false architecture
Autor/Urheber: Benjamín Preciado Centro de Estudios de Asia y África de El Colegio de México, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Aurangabad Caves, Maharashtra, India