Rust Belt

Verbreitung des Manufacturing/Rust Belt

Der Rust Belt („Rostgürtel“), früher Manufacturing Belt, ist die älteste und größte Industrieregion der USA.[1] Er erstreckt sich im Nordosten der USA entlang der Großen Seen von Chicago über Detroit, Cleveland, Cincinnati und Pittsburgh bis an die Ostküste zu den Ausläufern der Metropolregionen Boston, Washington, D.C. und New York City. Damit umfasst er Teile der Staaten Illinois, Indiana, Michigan, Ohio, Pennsylvania, New York (Upstate New York) und New Jersey, teilweise wird auch noch West Virginia hinzugezählt, das ein Zentrum des Kohlebergbaus war. Seltener werden auch Teile Iowas und Wisconsins zum Rust Belt gezählt.

Industrialisierung

Die Industrialisierung setzte nach der Unabhängigkeitserklärung 1776 ein. Die erste Manufaktur war eine von einem Einwanderer aus England 1790 gegründete Baumwollspinnerei. Bald folgten weitere textilverarbeitende Betriebe, die meist an den Flüssen Neuenglands errichtet wurden. Die Hafenstädte an der Ostküste waren damals Einfallstore für die europäischen Einwanderer und wichtige Handelsplätze, aber sie gehörten nicht zum Rust Belt, der viel mehr durch Schwerindustrie, Eisen, Kohle und Stahl als durch Textilien und Handel geprägt ist.

Durch die Erschließung der Steinkohle- und Erzreviere in den Appalachen ab 1893 sowie der Eisenerzvorkommen am Ohio River ab 1865 verlagerte sich das Wachstum in das westliche Pennsylvania. Die beginnende Erdölförderung in Titusville (Pennsylvania) ab 1859, die die Grundlage für die spätere Standard Oil Company bildete, beschleunigte den Vorgang zusätzlich.[2] Vorangetrieben wurde die Entwicklung des Manufacturing Belt vom starken Ausbau des Eisenbahnnetzes der USA. Es entwickelte sich eine Verbundindustrie. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte der Manufacturing Belt seine volle Größe entfaltet; die am westlichen Ende gelegenen Großstädte Chicago und Milwaukee waren in dieser Zeit Zentrum der Lebensmittelindustrie, während sich die aufkommende Automobilindustrie auf Detroit und die Stahlindustrie auf Pittsburgh konzentrierte. Bis in die frühen 1970er Jahre war die Region das mit Abstand größte Industriegebiet der Vereinigten Staaten und eines der größten weltweit.

Krise

Stillgelegtes Werksgelände des Automobilherstellers Packard in Detroit

Seit der Krise der 1970er Jahre begann der Übergang vom Manufacturing Belt zum Rust Belt (Rust wegen der niedergegangenen alten Stahlindustrie), die wirtschaftliche Bedeutung der Region nahm rapide ab. Erste Anzeichen für einen Niedergang oder zumindest für eine strukturelle Krise gab es bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als ein Großteil der Eisenerzförderung an den Oberen See verlegt wurde. In den 1960er Jahren begann mit der Abwanderung der Schwerindustrie in die billiger produzierenden Entwicklungsländer der eigentliche Niedergang, Arbeitsplätze in Bergbau und Schwerindustrie verschwanden. An die Stelle des Manufacturing Belts als wachstumsstärkste Region ist heute der Sun Belt im Süden des Landes getreten. Dieser Strukturwandel wirkte sich regional unterschiedlich aus: Städte wie Cincinnati oder Pittsburgh zogen Technologie- und Dienstleistungsunternehmen an, in denen zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, andere wie Detroit oder Youngstown[3] verloren seit den 1960er Jahren über 60 Prozent ihrer Bevölkerung und sind von hoher Arbeitslosigkeit, Kriminalität und urbanem Verfall geprägt.

Bevölkerungsveränderung in Städten des Rust Belt
Vereinigte StaatenVereinigte Staaten
Stadt, Bundesland
Bevölkerung absolutÄnderungHöchststand
Jahr
2000
Jahr
2015[4]
Jahr
2020
2000
2015
2015
2020
Detroit, Michigan *)951.270677.116639.111−28,8 %−5,6 %1950: 1.849.568
Gary, Indiana102.74677.15669.093−24,9 %−10,5 %1960: 0.178.320
Flint, Michigan124.94398.31081.252−21,3 %−17,4 %1960: 0.196.940
Youngstown, Ohio82.02664.62860.068−21,2 %−7,1 %1950: 0.168.330
Saginaw, Michigan61.79949.34744.202−20,1 %−10,4 %1960: 0.098.265
Cleveland, Ohio478.403388.072372.624−18,9 %−4,0 %
Dayton, Ohio166.179140.599137.644−15,4 %−2,1 %
Niagara Falls, New York **)55.59348.91648.671−12,0 %−0,5 %1960: 0.102.394
Buffalo, New York292.648258.071278.349−11,9 %+7,9 %
Canton, Ohio80.80671.88570.872−11,0 %−1,4 %
Toledo, Ohio313.619279.789270.871−10,8 %−3,2 %
Lakewood, Ohio56.64650.65650.942−10,6 %+0,6 %
Decatur, Illinois81.86073.25470.522−10,5 %−3,7 %
Cincinnati, Ohio331.285298.550309.317−9,9 %+3,6 %1950: 0.503.998
Pontiac, Michigan66.33759.91761.606−9,7 %+2,8 %
St. Louis, Missouri348.189315.685301.578−9,3 %−4,5 %
Akron, Ohio217.074197.542190.469−9,0 %−3,6 %
Pittsburgh, Pennsylvania334.563304.391302.971−9,0 %−0,5 %1950: 0.676.806
Springfield, Ohio65.35859.68058.662−8,7 %−1,7 %
Lorain, Ohio68.65263.64765.211−7,3 %+2,5 %
Charleston, West Virginia53.42149.73648.864−6,9 %−1,8 %
Parma, Ohio85.65579.93781.146−6,7 %+1,5 %1970: 0.100.216
Chicago, Illinois2.896.0162.720.5462.746.388−6,1 %+0,9 %1950: 3.620.962
South Bend, Indiana107.789101.516103.453−5,8 %+1,9 %1960: 0.132.445

Zum Vergleich die Entwicklung kanadischer Städte:

Bevölkerungsveränderung in kanadischen Städten in unmittelbarer Nähe des Rust Belt
Kanada
Stadt, Bundesland
Bevölkerung absolutÄnderungStand 1951
Jahr
2001
Jahr
2016
Jahr
2021
2001
2016
2016
2021
St. Catharines, Ontario129.170133.113136.803+3,1 %+2,8 %1951: 0.037.984
Windsor, Ontario *)208.402217.188229.660+4,2 %+5,7 %1951: 0.120.049
Toronto, Ontario2.481.4942.731.5712.794.356+10,0 %+2,3 %1951: 1.117.470
Niagara Falls, Ontario **) 78.81588.07194.415+11,7 %+7,2 %1951: 0.022.874

**) Detroit (Michigan) und Windsor (Ontario) grenzen direkt aneinander, nur getrennt durch den Detroit River.
**) Niagara Falls (New York) und Niagara Falls (Ontario) grenzen direkt aneinander, nur getrennt durch den Niagara River.

Politik

Durch die durch Industriearbeiter geprägte Bevölkerungsstruktur galten vor allem die urbanen Zentren des Rust Belt als Hochburg der Demokratischen Partei und damit Teil der sogenannten „blue wall“ (dt.: Blaue Mauer). Donald Trumps Wahlsieg 2016 war maßgeblich darauf zurückzuführen, dass es ihm gelang, die Wähler in den Staaten Pennsylvania, Michigan und Wisconsin anzusprechen.[5] Das Buch Shattered: Inside Hillary Clinton’s Doomed Campaign schildert die Mühe von Hillary Clinton, die von der wirtschaftlichen Entwicklung enttäuschten Industriearbeiter mit glaubwürdigen politischen Botschaften zu motivieren.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Daniel R. Dennison, Stuart L. Hill: Revival in the rust belt. Tracking the evolution of an urban industrial region. A report on the 1st year of the Oakland County business survey. University of Michigan Press, Ann Arbor 1987, ISBN 0-87944-322-7 (Lokalstudie).
  • Tracy Neumann: Remaking the Rust Belt: The Postindustrial Transformation of North America. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 2019, ISBN 978-0-8122-2438-2.
  • Steven Henry Lopez: Reorganizing the Rust Belt. An inside study of the American labor movement. University of California Press, Berkeley 2004, ISBN 0-520-23565-7.
  • Chad Broughton: Boom, Bust, Exodus: The Rust Belt, the Maquilas, and a Tale of Two Cities. Oxford University Press, New York 2015, ISBN 978-0-19-976561-4.
  • Steven High: Industrial sunset. The making of North America’s rust belt, 1969–1984. University of Toronto Press, Toronto 2003, ISBN 0-8020-3738-0.

Einzelnachweise

  1. wisegeek.com What is the Rust Belt?
  2. Titusville, Pennsylvania, 1896. In: World Digital Library. 1896, abgerufen am 17. Juli 2013.Vorlage:Cite web/temporär
  3. 1960 Census of Population, Vol. I. Characteristics of the Population. (ZIP; 182 MB) Teil 37 Ohio; Kapitel 2 Number of inhabitants. census.gov, abgerufen am 21. Oktober 2019 (englisch).
  4. Annual Estimates of the Resident Population for Incorporated Places: April 1, 2010 to July 1, 2015. Abgerufen am 2. Juli 2016.Vorlage:Cite web/temporär
  5. Artikel in der Washington Post. 9. November 2016.
  6. Jonathan Allen, Amie Parnes: Shattered: Inside Hillary Clinton’s Doomed Campaign. Crown, New York 2017, ISBN 9780553447088.

Auf dieser Seite verwendete Medien