Roma quadrata

Innerhalb des annähernd quadratischen Grundrisses (dunkelbraune Linie) wird der ursprüngliche Siedlungskern Roms vermutet.

Als Roma quadrata wird der (legendäre) erste Siedlungskern Roms bezeichnet. Die Bezeichnung wird in der Forschung oft verwendet, um eine archäologisch nur ungenau nachweisbare, meist ins 10./9. Jahrhundert v. Chr. datierte frühe Siedlung auf dem Gipfel des Germalo, einer der drei Erhebungen des Palatin, zu benennen.

Die ursprüngliche Form des Geländes lässt sich durch Analogiebildungen und anhand von geologischen Befunden dieser und anderer Stellen des Tibertals erschließen. Die Landschaft war durch relativ hohe Hügel gekennzeichnet, die teilweise sehr steil sein konnten und sich durch zerklüftete Flanken und eine in der Regel flache Kuppe auszeichneten. Diese abgeflachten Kuppen boten gute Möglichkeiten für die Errichtung von Siedlungen, die aus Sicherheitsgründen eher auf solchen Anhöhen als in den darunter liegenden Tälern als Siedlungskerne angelegt wurden. Die Besonderheit der Palatinkuppe war ihre trapezähnliche Form, die diesem ersten Rom möglicherweise den Beinamen „quadrata“ (latein.: viereckig) verschaffte.

Zur Verteidigung dieser ersten städtischen Siedlungen wurde, soweit möglich, die natürliche Form der Landschaft ausgenutzt, so dass etwa Mauern oder Befestigungen nur dort errichtet wurden, wo das Gefälle des Hügels nicht steil genug war, um unerwünschten Zugang zum Gipfel zu verhindern. Oft wurde an der Außenseite der Mauer zusätzlich ein Graben angelegt, um die Angreifbarkeit auf natürlicherseits ungeschützten Seiten weiter zu verringern.

Der laut der Sage angeblich von Romulus gezogene Graben hatte mutmaßlich die Funktion des Pomerium, also einer auch sakral relevanten Grenze. Eine andere Erklärung des erst viel später bezeugten Namens quadrata bieten Sextus Pompeius Festus und Properz, nach denen er sich auf den Mondus beziehen könne, also jenen Graben, der im genauen Mittelpunkt des Pomeriums gegraben und mit allen Kult- und Orakelgegenständen gefüllt wurde, welche die Priester bei der Einweihungszeremonie der neuen Stadt verwandt hatten.

Archäologisch nachgewiesen wurde allerdings bislang nichts von alledem, daher bleibt vieles Spekulation. Der Schutzwall zwischen Germalo und Palatin ist wenig mehr als eine Vermutung auf der Grundlage einer etwas zu stark erscheinenden Vertiefung zwischen den beiden Erhebungen. Angesichts der antiken Ausformung des Hügels ist es sehr wahrscheinlich, dass eine erste Mauer und der sie begleitende Graben – wenn überhaupt – lediglich auf der Seite zwischen Germalo und Palatin errichtet wurden, zur Verteidigung der schwächsten Seite, auch wenn das Pomerium in seiner Bedeutung als heilige Stadtgrenze sicherlich die gesamte bewohnte Fläche umschloss.

Die sagenumwobene Roma quadrata, die einige der späteren Autoren – Dionysios von Halikarnassos, Plutarch, Cassius Dio, Festus und Solinus – erwähnen, soll dagegen beide Erhebungen mit Ausnahme der Velia umfasst haben. Ob diese Jahrhunderte später entstandenen Berichte einen historischen Kern haben und worin dieser ggf. besteht, ist umstritten. Cassius Dio fand in seinen eigenen Quellen offenbar nur vage Informationen über die Roma quadrata. Bemerkenswert ist aber, dass er schreibt, es habe sich um eine Siedlung gehandelt, die mit dem späteren Rom nichts zu tun gehabt habe: Vielmehr sei die Roma quadrata lange vorher von einem Paar gegründet worden, das zufällig ebenfalls Romulus und Remus geheißen habe.[1] Dies mag darauf hinweisen, dass es neben der später kanonisch gewordenen Tradition zur Gründung Roms ursprünglich auch noch andere Sagen gegeben hat. Tacitus liefert hingegen einige Hinweise auf eine erste Umfriedung der Stadt,[2] mithilfe derer sich der folgende hypothetische Verlauf von etwa 1,5 km ergibt: von der Basilika Sant’Anastasia längs der Südseite des Palatins bis zur Kirche San Gregorio Magno, dann Richtung Konstantinsbogen, weiter zum Titusbogen und zur Basilika Santa Francesca Romana, um dann, dem Verlauf der heutigen Via di S. Teodoro folgend, durch das Velabrum zum Ausgangspunkt, der Kirche Sant’Anastasia al Palatino, hin abzufallen. Es ist offensichtlich, dass einige Teile dieses Verlaufs von den natürlichen Gegebenheiten profitiert und daher keine Mauer benötigt hätten.

Ob die mutmaßliche Mauer die Stadt nun vollständig oder nur stellenweise umschloss: sie muss in jedem Fall Tore besessen haben. Schon die bereits genannten Autoren der Kaiserzeit, die mit sechs bis acht Jahrhunderten Abstand schrieben, konnten darüber keine genauen Angaben machen, weder was die Anzahl noch was die Namen dieser Tore betraf. Als Beispiel mag der in solchen Dingen normalerweise sehr genaue Plinius der Ältere dienen, dem zufolge es „drei oder vielleicht vier“ Tore in einem Mauerstück zwischen Palatin und Kapitol gab.[3] Diese „historische“ Notiz enthält bereits eine andere Ungenauigkeit, da die Einbeziehung des Kapitols in das Stadtgebiet erst einige Jahrhunderte nach Entstehung der ursprünglichen Roma quadrata erfolgte. Die weitestverbreiteten Hypothesen vermuten, den Hinweisen Varros folgend,[4] die Existenz einer Porta Mugionia, die sich in der Nähe des Titusbogens befunden haben könnte, einer Porta Romana oder Romanula in der Nähe des Velabrum sowie eines dritten Tores (vielleicht Ianuaria, Ianualis, Trigonia), dessen Standort völlig unklar ist.

Die sich in der Folgezeit und bis zur Errichtung der Servianischen Mauer im Jahr 378 v. Chr. entwickelnde urbane Struktur war dezentral organisiert. Die einzelnen Erhebungen, aus denen die Stadt bestand, bildeten dabei keine Verteidigungseinheit, sondern besaßen jede für sich voneinander unabhängige militärische Strukturen, die stärker von den Menschen abhingen als von Befestigungsanlagen. Erst die Einnahme Roms durch die Gallier im Jahr 390 v. Chr. stellte dieses System in Frage und zeigte die Notwendigkeit einer einheitlichen Befestigung auf. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte offenbar die orographische Anlage der Hügel, gegebenenfalls von Mauern oder Gräben unterstützt, ausreichend Schutz und Verteidigungsmöglichkeiten geboten.

Literatur

  • Samuel Ball Platner, Thomas Ashby: A Topographical Dictionary of Ancient Rome. Oxford University Press, London 1929, S. 374–377 (online).
  • Laura G. Cozzi: Le porte di Roma. F. Spinosi Ed., Roma, 1968.
  • Mauro Quercioli: Le mura e le porte di Roma. Newton Compton, Roma, 1982.

Einzelnachweise

  1. Cassius Dio, Römische Geschichte 1,5,1.
  2. Tacitus, Annales 12,24.
  3. Plinius der Ältere, Naturalis historia 3,66–67.
  4. Marcus Terentius Varro, De lingua Latina 5,164.

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Rome in 753 BC. Colors show topography, with green lowlands and red highlands. The Latin names of hills are included in all caps.