Rodulfus Glaber

Rodulfus Glaber, auch Radulfus Glaber oder Raoul Glaber, (lat. glaber „der Kahle“; * um 985 im Burgund; † um 1047 in Saint-Germain d’Auxerre) war ein burgundischer Benediktiner-Mönch, Historiker und Hagiograph.

Leben

Rodulfus wurde als Zwölfjähriger von seinem Onkel, einem Mönch, der ihn erzog, wegen Ungehorsamkeit dem Kloster Saint-Léger-de-Champeaux übergeben, wo er jedoch bald verjagt wurde, da er sich dem Klosterleben nicht unterordnete und als streitsüchtig galt. Sein wechselhafter Lebenslauf führte ihn mit der Zeit in eine Reihe burgundischer Klöster. Jedoch ist nicht überliefert, wann er in welchem Kloster lebte. Es gibt Nachweise für seine Anwesenheit in den Klöstern Moutiers-Saint-Jean, Saint-Bénigne à Dijon, Cluny, Moutier und Saint-Germain d'Auxerre.

Um 1028 reiste er mit Wilhelm von Volpiano, dem Abt von Saint-Bénigne, nach Italien. Von Wilhelm angeregt, begann er sein Hauptwerk, die „Historiae“, ein Geschichtswerk, das die Zeit von etwa 900 bis etwa 1040 behandelt. Besonderer Schwerpunkt waren die Jahre um 1000 und um 1033, die er für besonders bedeutsam hielt. In diesem fünfbändigen Geschichtswerk schildert Rodulfus insbesondere seltsame oder grauenerregende Begebenheiten, Häresien, Teufelswerk, Wunder, Visionen und Verfall der Sitten. Er berichtet auch über Hungersnöte und sogar Kannibalismus im Burgund. Dies interpretierte er als endzeitliche Vorzeichen des bevorstehenden Weltuntergangs. Diese Chronik widmete er Odilo von Cluny. Heute sind einige wenige Handschriften der „Historiae“ erhalten, darunter auch ein Autorenexemplar.

Als zweites erhaltenes Werk verfasste Rodulfus eine Vita des Wilhelm von Volpiano, die wahrscheinlich kurz nach dessen Tod im Jahre 1031 entstand.

Rodulfus gehörte Kreisen von Anhängern der Kirchenreformen des 11. Jahrhunderts an, was sich an seiner sehr parteilichen Darstellung von Ereignissen und Personen erkennen lässt. Insbesondere gilt seine Sympathie den in Reformerkreisen beliebten Herrschern Heinrich II., Heinrich III. und Robert II. von Frankreich. Negativ beurteilt werden in der Chronik jedoch Konrad II. und reformfeindliche und sittenlose Päpste wie z. B. Benedikt IX. Als Quelle für Ereignisse ist das Werk aufgrund seiner chronologischen und geographischen Unzulänglichkeit von beschränktem Wert, jedoch ist es als kulturhistorisches Dokument für Moral und Sitten des 11. Jahrhunderts bedeutsam.

Rodulfus verfasste seine Werke in Mittellatein, das jedoch ohne literarischen Anspruch verwendet wird. Eine Wertung der Ereignisse nach ihrer Wichtigkeit findet nicht statt, so dass Trivialitäten gleichwertig neben wichtigen Ereignissen erwähnt werden.

Werke

  • Historiarum libri quinque ab anno incarnationis DCCCC usque ad annum MXLIV oder Historiae (Titel nicht zeitgenössisch überliefert)
    • Auszüge in: Georg Heinrich Pertz u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 7: Chronica et gesta aevi Salici. Hannover 1846, S. 48–72 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
    • Lateinisch-englische Ausgabe in: Rodulfus Glaber: Historiarum libri quinque. Hrsg. von John France (Oxford Medieval Texts). Clarendon Press, Oxford 1989.
  • Wilhelmi abbatis gestorum liber

Literatur

  • Michael Frassetto: Heretics and Jews in the early eleventh century. The writings of Rodulfus Glaber and Ademar of Chabannes. In: Ders. (Hrsg.): Christian attitudes toward the Jews in the middle ages. A casebook, New York 2007, S. 43–59.
  • Hermann von Lindheim: Rodulfus Glaber. Seine Persönlichkeit, sein Geschichtswerk und sein Verhältnis zu den geistigen Strömungen seiner Zeit. Diss. phil. Leipzig 1942.
  • Margarete Vogelsang: Rodulfus Glaber. Studien zum Problem der cluniazensischen Geschichtsschreibung. München 1952.
  • Marco Mostert: De Vijf Boeken der Historiën van Rodulfus Glaber. In: Jaarboek voor Nederlandse boekgeschiedenis 6 (1999), S. 13–29.
  • John France: War and Christendom in the thought of Rodulfus Glaber. In: Studia monastica 30 (1988), S. 105–119.
  • Heinrich Kuypers: Studien über Rudolf den Kahlen: (Rodulfus Glaber), Goch 1891.
  • Kaspar Elm: Rodulfus Glaber und die Ketzer. Über den Kampf gegen Satan und Dämonen oder über das Verhältnis von Klerikern und Laien zu Beginn des 11. Jahrhunderts. In: Eckart Conrad Lutz/Ernst Tremp (Hrsg.): Pfaffen und Laien – ein mittelalterlicher Antagonismus?, Freiburg, Schweiz 1999, ISBN 3-7278-1130-7, S. 9–32.
  • Richard Landes: Radulphus Glaber's Quinque libri historiarum, in: Speculum 68 (1993), S. 247–249.
  • John France: Rodulfus Glaber and the Cluniacs. In: The Journal of Ecclesiastical History 39 (1988), S. 497–508.
  • Bengt Löfstedt: Sprachliche Notizien zu Rodulfus Glaber. In: Aevum 64 (1990), S. 199–201.
  • Neithard Bulst: Rodulfus Glabers Vita domni Willelmi abbatis. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, S. 450–487.
  • Margarete Vogelgsang: Der cluniacensische Chronist Rodulfus Glaber. Ein Beitrag zur cluniazensischen Geschichtsschreibung. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 71 (1960), S. 151–185.
  • Jan Prelog: Rodulfus Glaber. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 7. LexMA-Verlag, München 1995, ISBN 3-7608-8907-7, Sp. 933.

Weblinks