Reumannhof

Die Front mit Ehrenhof des Gebäudes vom Gürtel aus gesehen
Durchgang mit Bautafel der mitwirkenden Berufe
Vor dem Kindergarten finden sich zugehörige Plastiken

Der Reumannhof ist ein Gemeindebau in Wien-Margareten. Die Anlage befindet sich am Margaretengürtel 100–110.

Baubeschreibung

Straßenfront des Reumannhofs
Lageplan, um 1927

Der Reumannhof wurde in den Jahren 1924/26 vom Architekten Hubert Gessner als städtische Wohnhausanlage errichtet. Er wurde nach dem ersten sozialdemokratischen Bürgermeister der Stadt Wien Jakob Reumann benannt.

Die mittlerweile denkmalgeschützte[1] Anlage bestand aus 478 Wohnungen, 19 Geschäftslokalen und einigen weiteren Einrichtungen. Nach den Plänen des Architekten Hubert Gessner hatten die Wohneinheiten eine Größe von 25–60 m².[2] Diese Größe war für die Zeit der Entstehung dieses Bauwerks klassisch. So betrugen dreiviertel aller bis 1927 errichteten Gemeindebauwohnungen die Größe von 38 m².[3] Auf dieser geringen Wohnungsfläche sollten allerdings Familien von bis zu vier Mitgliedern beherbergt werden.[4] Heute hat sich die Anzahl der Wohnungen im Reumannhof zugunsten der Wohnungsgröße reduziert, so beträgt nun die Wohnfläche 41–90 m².[5]

Die Hauptfassade ist zum Margaretengürtel hin ausgerichtet. Die 180 Meter lange Wohnhausanlage besteht aus drei Baukörpern, die durch Wege, entlang der Quer- und Längsachsen sowie durch einen großen Mittelhof miteinander verbunden sind. Die Fassade ähnelt einer Schloss- oder Palastanlage, wobei auch bei Stiftshöfen und Freihäusern Anleihen genommen wurde. Diese Mischung aus heroischen Fassaden im Stil älterer Bauformen in Verbindung mit der tatsächlichen Kleinheit der Wohnungen brachte dem Architekten auch einiges an Kritik ein.[6]

Das Herzstück der Anlage ist der Ehrenhof, welcher aufwendig mit einem schwarz-weißen Bogenmuster gepflastert ist, und mit einem Hochstrahlbrunnen und der Reumann-Büste, einer Bronzeplastik vom Bildhauer Franz Seifert, einen repräsentativen Eindruck erweckt. Pergolen schirmen den Platz vom stark befahrenen Gürtel ab. Hinter dem Ehrenhof sticht der achtstöckige Mittelblock hervor. Ursprünglich hätte dieser Mittelblock 16 Stockwerke umfassen sollen, wegen Kostengründen wurden nur 8 Stockwerke errichtet. In der Detailgestaltung der Anlage wurde Bezug auf das „Rote Wien“ genommen, so sind die Gittertore, Geländer, Zäune und Lampen in einem satten Rot gehalten. Dieser Farbton ist auch in den Majolika Reliefs an den Toren wiederzufinden. Der Reumannhof am stark befahrenen Gürtel gelegen zählt zu den bemerkenswerten Bauten der Zwischenkriegszeit. Mit den Anlagen des 12. Bezirks, Leopoldine Glöckel-Hof und Haydn-Hof sowie den Höfen im 5. Bezirk, Julius Popp-Hof, Herwegh- und Matteottihof, dem Metzleinstaler- und Reumann-Hof und dem Franz-Domes-Hof entstand in diesem Gürtelabschnitt die „Ringstraße des Proletariats“ und ein richtungsweisendes Architekturensemble des Roten Wiens.

Rolle im Bürgerkrieg

Während des österreichischen Bürgerkriegs 1934 war der Reumannhof, auf Grund seiner gut situierten Lage, ein Hauptstützpunkt des Republikanischen Schutzbundes und wurde deswegen lange Zeit vom Schutzbund gehalten. Am 12. Februar 1934 brachen gegen 14 Uhr die Kämpfe beim Reumannhof aus sie endeten mit dem Zusammenbruch des Generalstreiks um 20 Uhr. Daraufhin kapitulierten die im Gebäude verschanzten Schutzbündler.

Eine Gedenktafel am Reumannhof erinnert an dieses Ereignis.

Infrastruktur

Ursprünglich befanden sich im Reumannhof 11 Ateliers, 19 Geschäftslokale, Werkstätten, eine Zentralwäscherei, ein Kindergarten und ein hauseigenes Cafe Reumannhof. Von den zahlreichen Ateliers und Geschäftslokalen werden nur mehr wenige aktiv genutzt, die meisten sind freistehend und/oder als Werbefläche in Verwendung. Auch heute noch gibt es ein Kulturcafé Reumannhof im Haus. Das 2020 eingerichtete Kulturcafé Reumannhof ist im Mieterbeiratsraum situiert. Es steht als kultureller Treffpunkt für alle Bewohner und Besucher des Reumannhofes zur Verfügung und soll den kulturellen Austausch durch wechselnde Ausstellungen und Kulturveranstaltungen fördern.[7] Außerdem gibt es Fahrradräume sowie eine hauseigene Garage. Zusätzlich zeichnet sich der Gemeindebau heute durch eine gute Verkehrsanbindungen aus.

Wohnen im Reumannhof

Im Zuge der Diplomarbeit „Wohnqualität im Gemeindebau“ von Irene Sassik 2011 wurde eine Befragung der Bewohner und Bewohnerinnen zur Wohnqualität im Reumannhof durchgeführt. Die Mehrheit lebt sehr gerne in dieser Anlage und ist mit der Architektur und dem Zustand zufrieden[8]. In dem Buch „Living rooms“ von Bettel, Moreau und Rosenberger wurde 2012 mit dem „wandelbaren Wohnzimmer“ der soziologische und kulturelle Aspekt betrachtet und anhand der Einrichtungsansätze von verschiedenen Bewohnergruppen die verschiedenen demographischen und ethnologischen Sichtweisen in einem Kunstprojekt dargestellt.[9]

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Konrad, Hundert Jahre Rotes Wien, Wien 2019.
  • Irene Sassik, Wohnqualität im Gemeindebau, Wien 2011. (Diplomarbeit Universität Wien), urn:nbn:at:at-ubw:1-29992.46748.239564-9
  • Johanna Leiter, Laubengänge im Karl-Marx-Hof, Mehr Licht, Luft, Raum und Zusammengehörigkeit für seine Bewohner, Wien 2011. (Diplomarbeit)
  • Hans Hautmann, Rudolf Hautmann: Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934. Schönbrunn, Wien 1980, ISBN 3-8536-40631-0.
  • Inge Podbrecky: Rotes Wien. gehen & sehen. 5 Routen zu gebauten Experimenten. Von Karl-Marx-Hof bis Werkbundsiedlung. Falter-Verlag, Wien 2003, ISBN 978-3-85439-295-8, (Falter’s city walks 4).
  • Florian Bettel, Julia Mourano Permoser, Sieglinde Rosenbergerliving rooms – Politik der Zugehörigkeiten im Wiener Gemeindebau, Springer, Wien / New York 2012, ISBN 978-3-7091-1224-3, doi:10.5281/zenodo.5573783.

Einzelnachweise

  1. Wien – unbewegliche und archäologische Denkmale unter Denkmalschutz. (Memento vom 28. Mai 2016 im Internet Archive; PDF) Bundesdenkmalamt, Stand: 26. Juni 2015 (PDF).
  2. Reumannhof – Open House Wien. Abgerufen am 24. Juni 2020.
  3. Johanna Leiter: Laubengänge im Karl-Marx-Hof, Mehr Licht, Luft, Raum und Zusammengehörigkeit für seine Bewohner. Wien 2011.
  4. Helmut Konrad: Hundert Jahre Rotes Wien. Wien 2019.
  5. Irene Sassik: Wohnqualität im Gemeindebau: Eine soziologische Analyse zu BewohnerInnenstruktur und Wohnqualität im Reumannhof. Wien 2011.
  6. Reumannhof. In: dasrotewien.at – Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPÖ Wien (Hrsg.)
  7. Kulturcafé Reumannhof. Abgerufen am 24. Juni 2020.
  8. Irene Sassik: Wohnqualität im Gemeindebau: Eine soziologische Analyse zu BewohnerInnenstruktur und Wohnqualität im Reumannhof. Wien 2011.
  9. Florian Bettel, Julia Permoser, Sieglinde Rosenberger: living rooms – Politik der Zugehörigkeiten im Wiener Gemeindebau. Wien/ Springer/ New York 2012, ISBN 978-3-7091-1224-3, doi:10.5281/zenodo.5573783.

Weblinks

Commons: Reumannhof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch

Koordinaten: 48° 10′ 58″ N, 16° 20′ 52″ O

Auf dieser Seite verwendete Medien

Reumannhof, Wien.jpg
Autor/Urheber: Thomas Ledl, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Diese Datei zeigt den Wiener Gemeindebau mit der ID 93.
Reumannhof, Durchgang mit Bautafel.jpg
Autor/Urheber: Thomas Ledl, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Reumannhof, Durchgang mit Bautafel
Reumannhof Plastik 1.JPG
Autor/Urheber: Thomas Ledl, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Dieses Foto zeigt das im digitalen Kulturgüterverzeichnis der Gemeinde Wien (Österreich) unter der Nummer 78169 (commons, de) aufgeführte Objekt.
Bauten der Gemeinde Wien am Margaretengürtel, um 1927 (cropped).jpg
Gezeichneter Lageplan von vier benachbarten "Gemeindebauten" im 5. Wiener Gemeindebezirk, erschienen in einer Broschüre des Wiener Stadtbauamtes um 1927
Gemeindebau Margaretenguertel-2.jpg
Gemeindebauten am Margaretengürtel - Teil 2