Reproduktionsklavier

Steinway-Duo-Art-Reproduktionsflügel von 1920

Das Reproduktionsklavier ist ein automatisches Klavier, das von einem Pianisten in einem speziellen Aufnahmestudio eingespielte Musikstücke inklusive der Anschlagsdynamik weitestgehend authentisch wiedergeben kann, eben reproduziert.

Innenansicht des Welte-Mignon Kabinett Reproduktionsklaviers
Hupfeld Tri-Phonola Reproduktionsklavier

Diese zuerst pneumatisch gesteuerten Instrumente benutzen als Tonträger Lochstreifen aus Papier, die sogenannte „Notenrolle“ oder „Klavierrolle“. Das erste Reproduktionsklavier kam 1905 mit dem Welte-Mignon genannten Instrument der Firma M. Welte & Söhne auf den Markt. Weitere Hersteller von Reproduktionsklavieren waren in Deutschland die Leipziger Ludwig Hupfeld AG 1908 mit einem DEA genannten Instrument, das später vom verbesserten Modell Triphonola abgelöst wurde. Ebenfalls 1908 präsentierte die J. D. Philipps A.G. in Frankfurt am Main das Modell „DUCA“ zur Leipziger Messe. In den Vereinigten Staaten entwickelte die Aeolian Company in New York City das Duo-Art-Klavier, das ab 1913 verkauft wurde und die American Piano Company ebenfalls in New York City, 1913 ein nach seinem Entwickler Charles F. Stoddard benanntes Modell Stoddard-Ampico.

Das Kunstspielklavier benötigte zur ansatzweise künstlerischen Wiedergabe eine Person zur Bedienung, den Pianolisten, das Elektrische Klavier bzw. das Pianola ist ohne Pianolisten dazu gar nicht in der Lage.

Von 1986 an produzierte der Klavierhersteller Bösendorfer in Wien den „Computerflügel“ Bösendorfer SE290. Dieser konnte durch eine elektronische Aufnahmeeinrichtung das Spiel eines Pianisten aufnehmen und reproduzieren. Die Aufnahmen konnten anschließend elektronisch editiert werden.

Aufnahmeverfahren

Aufnahme für das Reproduktionsklavier Hupfeld DEA
Edvard Grieg bei Hupfeld
Notenrolle für Welte-Mignon Reproduktionsklavier

Die benutzten Aufnahmeverfahren sind unterschiedlich und nur zum Teil dokumentiert, im Falle des Welte-Mignon gar nicht, da es geheim gehalten wurde. Im Museum für Musikautomaten in Seewen (Schweiz) ist ein Teil der Aufnahmetechnik für Welte Orgeln erhalten und ausgestellt – Experten gehen davon aus, dass die Piano-Aufnahmeapparatur sehr ähnlich gewesen sein muss. Eine ausführliche Dokumentation des Aufnahmeverfahrens ist erhalten für die AMPICO Technik. Zahlreiche Schilderungen der Pianisten in Tagebüchern und Referenzen, die auf den verschiedenen Systemen aufgenommen haben, geben Eindrücke von dem Ablauf der Aufnahme und Nachbearbeitung.

Bauformen

Das Reproduktionsklavier wurde in vier verschiedenen Bauformen angeboten, als Vorsetzer zum Betrieb an einem vorhandenen Klavier, als reines Wiedergabeinstrument Kabinett ohne Klaviatur, eingebaut in Klaviere und eingebaut in Flügel. Die Reproduktion konnte vollautomatisch auf Knopfdruck erfolgen, oder durch den Pianolisten anhand der auf den Notenrollen vorhandenen Angaben bezüglich Pedalisierung und Betonung.

Disklavier

Im Jahr 1987 brachte die Firma Yamaha das Disklavier auf den Markt, das Aufzeichnung und Wiedergabe aller Spielparameter über Disketten ermöglichte. Das Instrument ist auch über MIDI mit entsprechender Peripherie verbindbar. Heute werden auch Instrumente von Bösendorfer mit diesem System angeboten.

Spirio

Seit 2017 vertreibt Steinway & Sons die Flügelmodelle O, B und D gegen Aufpreis mit dem Reproduktionssystem „Spirio“. Dieses spielt mechanisch Daten aus einer elektronischen Steinway-Bibliothek ab, die in speziellen Studios in Hamburg bzw. New York erstellt wurde. Jeder Käufer eines Spirio-Flügels hat Zugriff auf die Bibliothek. Die Auflösung ist mit über 1000 Dynamikstufen detaillierter als die MIDI-Norm mit 127 Lautstärkestufen. Die zeitliche Auflösung erreicht nach Herstellerangaben bis zu 800 Signale pro Sekunde, die Dämpferabhebung wird in 256 Stufen moduliert. Das System muss beim Bau des Flügels mit eingebaut werden, eine Nachrüstung wird nicht angeboten.[1]

Literatur

  • Christine Mange: Le Piano reproducteur Welte-Mignon: son histoire, sa conception, son répertoire. Strasbourg, 1982
  • Gerhard Dangel und Hans-W. Schmitz: Welte-Mignon Klavierrollen: Gesamtkatalog der europäischen Aufnahmen 1904–1932 für das Welte-Mignon Reproduktionspiano/Welte-Mignon piano rolls: complete library of the European recordings 1904–1932 for the Welte-Mignon reproducing piano. Stuttgart 2006. ISBN 3-00-017110-X
  • William Braid White: The player-piano up-to-date: a comprehensive treatise … New York 1914.
  • Hermann Gottschewski: Die Interpretation als Kunstwerk: musikalische Zeitgestaltung und ihre Analyse am Beispiel von Welte-Mignon-Klavieraufnahmen aus dem Jahre 1905. Laaber: Laaber-Verlag 1996. ISBN 3-89007-309-3
  • Quirin David Bowers: Encyclopedia of automatic musical instruments: Cylinder music boxes, disc music boxes, piano players and player pianos... Incl. a dictionary of automatic musical instrument terms. Vestal, N. Y.: The Vestal Press, 1988
  • Peter Hagmann: Das Welte-Mignon-Klavier, die Welte-Philharmonie-Orgel und die Anfänge der Reproduktion von Musik. Bern [u. a.]: Lang, 1984. Online-Version 2002
  • Jürgen Hocker: Faszination Player Piano – Das selbstspielende Klavier von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bergkirchen 2009. ISBN 978-3-937841-80-9
  • Automatische Musikinstrumente aus Freiburg in die Welt – 100 Jahre Welte-Mignon: Augustinermuseum, Ausstellung vom 17. September 2005 bis 8. Januar 2006 / [Hrsg.: Augustinermuseum]. Mit Beitr. von Durward R. Center, Gerhard Dangel, … [Red.: Gerhard Dangel]. Freiburg: Augustinermuseum, 2005.
  • Gerhard Dangel: Geschichte der Firma M. Welte & Söhne Freiburg i. B. und New York. Freiburg: Augustinermuseum 1991.
  • Sigfrid Karg-Elert: Die bewegliche Maus und Paul Harms in: Zeitschrift für Instrumentenbau 31 (1910/11), S. 1107f

Siehe auch

Das Pianola Museum in Amsterdam mit mehr als 20.000 Notenrollen und circa 50 Musikinstrumente.

Weblinks

  • Wissenswertes zu Pianola, Website von FaszinationPianola mit Details zu allen Reproduktionsklavier-Typen und -Notenrollen

Einzelnachweise

  1. Steinway Spirio: Wie von Zauberhand. Tastenwelt, 10. März 2017, abgerufen am 8. Mai 2022.

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DD-TS-Hupfeld-2.jpg
Technische Sammlungen Dresden: Musikaufnahme bei der Hupfeld AG, hier mit Edward Grieg
07 Hupfeld Eigenes Phonola a.jpg
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meachnischer Musikautomat Hupfeld Phonola mit Fußbedienung
Eugen d'Albert im Aufnahmesalon Hupfeld für das Meisterspiel-Klavier DEA, 1909.jpg
Der Pianist Eugen d'Albert (1864-1932) im Aufnahmesalon Hupfeld für das Meisterspiel-Klavier DEA, 1909
Steinway piano - Duo-Art.ogv
Harold Bauer playing Saint-Saëns' Piano Concerto No. 2 in G minor, Op. 22, excerpt of 3rd movement. Duo-Art recording 5973-4 played on a Steinway & Sons grand piano model XR 6'2" Duo-Art from 1920.
Piano Welte Mignon-Maison de la musique mécanique (détail).jpg
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* Piano Welte Mignon
  • Piano pneumatique expressif
  • Fribourg, Allemagne, 1905
  • Rouleau à papier perforé et moteur électrique
  • Maison de la musique mécanique et de la dentelle de Mirecourt (Vosges).
Rotlle de Welte-Mignon, Granados.jpg
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Valenciana, Danse espagnole, Enric Granados played himself, artist piano roll