Reichswirtschaftsgericht

Siegelmarke Reichsschiedsgericht für Kriegswirtschaft

Das Reichswirtschaftsgericht war ein deutsches Gericht mit Sitz in Berlin.

Geschichte

Das Reichswirtschaftsgericht entstand 1915 als Reichsschiedsgericht für Kriegsbedarf aufgrund der Verordnung zur Sicherstellung von Kriegsbedarf vom 24. Juni 1915.[1] Das Gericht war in Streitfällen für die Ermittlung des Übernahmepreises bei kriegsbedingten Enteignungen zuständig. Besetzt waren die Senate jeweils mit einer Person mit Befähigung zum Richteramt als Vorsitzenden und vier Beisitzern aus dem Handelsstand.

1917 wurde das Gericht in Reichsschiedsgericht für Kriegswirtschaft, nach Ende des Ersten Weltkriegs in Reichswirtschaftsgericht[2] umbenannt. Sitz wurde 1922 das Gebäude des ehemaligen Reichsmilitärgerichts.[3] Gleichzeitig wurde die Zuständigkeit vielfach erweitert. Es handelte sich um ein Verwaltungsgericht.[4]

Das Reichswirtschaftsgericht trat in der zweiten Hälfte des Jahres 1921 unter Vorsitz des Senatspräsidenten Schneider u. a. auch als Rechtsmittelinstanz gegen Bescheide in „Unruheschadenssachen“ auf, die bei den sog. Ausschüssen zur Feststellung von Entschädigungen für Aufruhrschäden ergingen. Diese Kommissionen waren im Frühjahr 1920 insbesondere in den Kreisen und Kommunen des Ruhrgebietes nach den kriegerischen „Märzunruhen“ unter Beteiligung von Freikorps, Reichswehr und Roter Ruhr-Armee eingerichtet worden. Auf diese Weise sollte in einem speziellen Verwaltungsverfahren Privatparteien zeitnahe Schadensregulierung nach den materiellen Zerstörungen, Zwangsmaßnahmen und gewaltsamen Requisitionen von März/April 1920 gewährt werden. Rechtsgrundlage für Entscheidungen über private Entschädigungsansprüche gegenüber der öffentlichen Hand war das von der verfassunggebenden Nationalversammlung erlassene sog. Tumultschadengesetz[5] nebst Durchführungsvorschriften.

Von 1923[6] bis 1938[7] bestand aufgrund der Kartellverordnung das Kartellgericht beim Reichswirtschaftsgericht.

Am 1. Mai 1941 wurde das Gericht als eigenständige Institution aufgelöst und in das Reichsverwaltungsgericht integriert.

Richter

Präsidenten:

  • Georg Lucas, Präsident 1915–1930
  • Georg Bogatsch, Präsident 1931–1934
  • Carl Willecke, Präsident 1934–1941

Weitere Richter:

  • Karl Andres, Beisitzer
  • Eduard Benfey, Reichswirtschaftsgerichtsrat 1922 ff., Senatspräsident 1926–1935
  • Karl Bernard, Richter 1920–1929
  • Max Fleischmann, Senatspräsident 1921–1922
  • Friedrich Guttstadt, Reichswirtschaftsgerichtsrat 1923–1935[8]
  • Ernst Joerges, Richter
  • Hans Klinger, Richter
  • Paul Königsberger, Richter 1921–1927
  • Fritz Lentze, Senatspräsident
  • Richard Lepsius, Richter
  • Theodor Paeth, Beisitzer
  • Max von der Porten, Beisitzer
  • Josef Roeckerath, Richter
  • Otto Strauß, Beisitzer
  • Karl Wollenberg, Richter 1941
  • Kurt Zweigert, Richter 1919–1941

Literatur

  • Sammlung von Entscheidungen und Gutachten des Kartellgerichts (1.1924–14.1937/38; ZDB-ID 717712-4)
  • Reichstumultschadengesetz: Reichsgesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden vom 12. Mai 1920 nebst den Ausführungsbestimmungen mit Erläuterungen von Arthur Liebrecht, München Verlag Franz Vahlen 1921
  • Knut Wolfgang Nörr: Zwischen den Mühlsteinen. Eine Privatrechtsgeschichte der Weimarer Republik. Mohr, Tübingen 1988, S. 223 f.
  • Hans Klinger: Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht. In: H. Külz (Hrsg.): Staatsbürger und Staatsgewalt (Band 1). 1963, S. 103 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Hans Klinger: Die Zuständigkeitsgebiete des Reichswirtschaftsgerichts. Industrieverlag Spaeth & Linde, Berlin 1922 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Entscheidungen des Reichswirtschaftsgerichts (1.1923–2.1924; [N.S.] 1.1940–2.1942; ZDB-ID 216349-4)
  • Joachim Jahn: Das Reichswirtschaftsgericht. 1940.

Einzelnachweise

  1. RGBl. 1915 S. 357, Neufassung RGBl. 1917 S. 375; Verfahrensordnung: RGBl. 1915 S. 469, 1916 S. 1021
  2. RGBl. 1919 S. 469; Verordnung über das Reichswirtschaftsgericht vom 21. Mai 1920 (RGBl. 1920 S. 1167)
  3. berlin.de: Ehemaliges Reichsmilitärgericht, Reichskriegsgericht, Kammergericht
  4. RGZ 106, 406, 409 (1923)
  5. Gesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden vom 12. Mai 1920 (RGBl. S. 941)
  6. § 11 der Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen vom 2. November 1923 (RGBl. I S. 1067); Verordnung über das Verfahren vor dem Kartellgericht auf Grund der Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen vom 2. November 1923 (RGBl. I S. 1071)
  7. Gesetz über das Reichswirtschaftsgericht vom 25. Februar 1938 (RGBl. I S. 216)
  8. Gabriele Guttstadt: Friedrich Guttstadt. Abgerufen am 21. Juni 2018.

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Siegelmarke
Titel: Reichsschiedsgericht für Kriegswirtschaft Berlin
Beschreibung: grün, weiß, geprägt
Ort: Berlin

Größe: 4 cm