Quasiintegrierbarkeit

Quasiintegrierbarkeit ist in der Mathematik eine Eigenschaft, die messbaren Funktionen und Zufallsvariablen zukommen kann, dementsprechend spricht man auch von quasiintegrierbaren Funktionen und quasiintegrierbaren Zufallsvariablen. Somit ist sie der Maßtheorie und der Stochastik zuzuordnen. Die Quasiintegrierbarkeit ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg von dem Riemann-Integral zu einem allgemeineren Integralbegriff, dem Lebesgue-Integral.

Definition

Quasiintegrierbare Funktion

Sei

eine messbare numerische Funktion auf dem Maßraum sowie

der Positiv- bzw. Negativteil der Funktion. Dann heißt die Funktion -quasiintegrierbar oder quasiintegrierbar bezüglich , wenn mindestens eines der beiden Integrale

endlich ist. Ist klar, um welches Maß es sich handelt, so wird auf die Angabe im Allgemeinen verzichtet.

Quasiintegrierbare Zufallsvariable

Sei eine Zufallsvariable von dem Wahrscheinlichkeitsraum nach . Es sei wie oben

der Positiv- und der Negativteil der Zufallsvariable. Die Zufallsvariable heißt dann -quasiintegrierbar oder quasiintegrierbar bezüglich , wenn mindestens einer der beiden Erwartungswerte

endlich ist. Ist klar, welches Wahrscheinlichkeitsmaß gemeint ist, wird meist auf die Angabe verzichtet.

Bemerkungen

  • Faktisch stimmen die beiden Definitionen überein, bloß sind sie in der Notation zweier unterschiedlicher Teilbereiche der Mathematik formuliert. Einziger Unterschied ist der, dass bei der quasiintegrierbaren Zufallsvariable nur Wahrscheinlichkeitsmaße und nicht beliebige Maße zugelassen sind.
  • Der Erwartungswert einer Zufallsvariable lässt sich für quasiintegrierbare Zufallsvariablen definieren, kann dann aber eventuell den Wert annehmen. In der Literatur existieren verschiedene Versionen der Aussage „der Erwartungswert existiert“. Manche fordern, dass er endlich ist, andere lassen wiederum zu, dass er die Werte annimmt. Hier ist auf die genaue Definition des Lehrbuches zu achten.

Verwendung

Quasiintegrierbare Funktionen spielen eine wichtige Rolle bei der Konstruktion des Lebesgue-Integrals.

Zuerst wird das Integral nur für die Klasse der positiven einfachen Funktionen definiert und dann durch ein Approximationsargument auf positive messbare Funktionen verallgemeinert. Um das Integral für beliebige messbare Funktionen zu definieren, zerlegt man messbare Funktionen in ihren Positiv- und Negativteil

und definiert das Integral über die Funktion als die Summe von Positiv- und Negativteil

.

Nun können aber durchaus die Ausdrücke und beide den Wert annehmen, was zu der nicht definierten Aussage

führen würde. Um dies zu vermeiden, fordert man die Quasiintegrierbarkeit, die garantiert, dass stets nur eines der Integrale unendlich wird. In diesem Sinne existieren Integrale über quasiintegrierbare Funktionen, sind also mathematisch wohldefiniert, können aber durchaus den Wert oder annehmen.

Literatur

  • David Meintrup, Stefan Schäffler: Stochastik. Theorie und Anwendungen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2005, ISBN 978-3-540-21676-6, doi:10.1007/b137972.
  • Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 6., korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-89727-9, doi:10.1007/978-3-540-89728-6.