Pylorusstenose

Klassifikation nach ICD-10
K31.1Hypertrophische Pylorusstenose beim Erwachsenen
K31.3Pylorospasmus, anderenorts nicht klassifiziert
Q40.0Angeborene hypertrophische Pylorusstenose
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Pylorusstenose oder Pförtnerverengerung, auch Magenausgangsstenose, beschreibt eine Verengung im Bereich des Magenausganges. Diese kann angeboren oder erworben sein. Sie führt zu einer gestörten Fortleitung des Mageninhalts in den Zwölffingerdarm und somit zu unstillbarem Erbrechen. Die Behandlung besteht in der Regel in einer operativen Korrektur der Engstelle.[1]

Angeborene Pylorusstenose

Beim Magenpförtnerkrampf oder Pylorospasmus (Pylorusmyohypertrophie; englisch: Pylorospasm) öffnet sich der Pylorus, der Muskel, der den Magen zum Zwölffingerdarm abschließt, dauerhaft nicht und lässt den Mageninhalt nicht mehr passieren. Die andauernde Verkrampfung bewirkt über die Zeit eine Verdickung des Muskels.

Vorkommen und Ursachen

Die bereits Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Krankheitsbild gelegentlich beschriebene Erkrankung erlangte erst 1887 mit einem Vortrag des dänischen Kinderarztes Harald Hirschsprung[2] vor der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde vermehrte Aufmerksamkeit.[3] Die Pylorusstenose ist bereits mit der Geburt angelegt und kommt familiär gehäuft vor (evtl. erblich). Die Ursachen sind bislang ungeklärt. Zu finden ist die Krankheit vor allem bei West- und Nordeuropäern mit einer Häufigkeit von 1:300, selten bei Asiaten und fast nie bei Afrikanern. Der Erkrankungsgipfel liegt bei drei Wochen nach der Geburt. Die Krankheit tritt besonders bei den erstgeborenen Jungen auf (Verhältnis Jungen : Mädchen: 4-5 : 1).

Symptome

Der Säugling erbricht (nicht gallig) etwa eine halbe Stunde nach der Mahlzeit die Nahrung schwallartig teilweise oder vollständig. Durch die Magenreizung können sich im Erbrochenen Blutfäden befinden. Danach sucht er wieder nach Nahrung. Direkt nach einer Mahlzeit können gesteigerte Magenbewegungen (Peristaltik) auf der Bauchoberfläche im Oberbauch beobachtet werden. Teilweise ist der vergrößerte Pylorus tastbar. Die betroffenen Kinder sind durch die behinderte Nahrungspassage unterernährt, untergewichtig, ständig hungrig und entsprechend unzufrieden. Sie setzen Hungerstühle von geringer Masse in hoher Frequenz ab.

Risiken

Die fehlende Nahrungsaufnahme und das wiederholte Erbrechen kann zu ausgeprägten Entgleisungen des Stoffwechsels (z. B. „Coma pyloricum“) und Austrocknung führen. Daher ist oftmals eine Zuführung von Flüssigkeiten durch Infusion erforderlich.

Diagnose

Die Diagnose wird anhand der Symptome und mittels Ultraschall, der den hypertrophen Pylorusmuskel sichtbar macht, gestellt.[4] Infolge des Erbrechens besteht wegen des Magensaftverlustes ein Chloridmangel, der zu einer Störung des Säure-Basen-Haushaltes im Sinne einer metabolischen Alkalose führt. Aufgrund der Alkalose wird vermehrt Kalium aus dem Blut in Zellen aufgenommen, sodass es zu einer Hypokaliämie kommt.

In klinisch unklaren Fällen kann eine Röntgen-Diagnostik durchgeführt werden. Auf der Abdomen-Übersichtsaufnahme ist eine große Magenblase auffällig. Die Diagnose zur Abgrenzung ähnlicher Erkrankungen lässt sich durch Magen-Darm-Passage von Kontrastmittel sichern.

Therapie

Vertikale Operationsnarbe 30 Stunden nach OP
Horizontale Operationsnarbe 10 Tage nach OP

Konservativ

Bis zur definitiven operativen Therapie erfolgt die Korrektur der bei chronischem Erbrechen häufigen Austrocknung und der Alkalose. Weiterhin Spasmolytika und kleine Mahlzeiten.

Operativ

Die Pylorusstenose wird fast ausschließlich operativ behandelt. Die erste erfolgreiche[5] Operation der Erkrankung wurde 1898 von W. Abel[6] mit Anlage einer Gastroenterostomie durchgeführt.[7] Bei dem seit 1910[8][9] verbesserten Eingriff wird heute der Magenpförtner bis zur Mukosa, die erhalten bleibt, längs gespalten (Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt[10]). Bereits einige Stunden nach der OP kann der Säugling wieder an die normale Ernährung gewöhnt werden.[11]

Differentialdiagnose

Abzugrenzen sind andere Veränderungen mit Behinderung der Magenentleerung, z. B. duodenale Obstruktion, im Rahmen einer Malrotation des Darmes oder seltener eine Pylorusatresie.[12] Eine Erkrankung mit ähnlichen Symptomen ist das adrenogenitale Syndrom (AGS). Das Erbrechen ist jedoch meistens „schlaff“. Im Gegensatz zur Pylorusstenose ist beim AGS der Kaliumwert im Blut jedoch normal oder erhöht.

Erworbene Pylorusstenose

Ursachen

Eine erworbene Pylorusstenose oder -striktur[13] kann durch Entzündungen, Magen- bzw. Duodenalulzera oder Tumore des Magens und auch angrenzender Organe entstehen. In der Regel entsteht die jedoch idiopathisch, d. h. ohne erkennbare Ursache. Es besteht eine deutlich höhere Inzidenz bei Jungen, sodass eine genetische Komponente wahrscheinlich ist.

Symptome

Stase des Speisebreis, Foetor, Erbrechen, Exsikkose, hypochlorämische Alkalose, deutliche Magenperistaltik, Schwäche, Marasmus beziehungsweise Kachexie

Diagnose

Meist wird die Diagnose anhand der sehr typischen Symptomkonstellation sowie einer anschließenden Ultraschalluntersuchung gestellt. Hierbei erfolgt eine Messung der Wanddicke sowie der Länge des Pylorus und eine Beurteilung der Peristaltik im Magen, die bei Vorliegen einer Pylorushypertrophie eine retrograde, also rückwärtsgerichtete, Bewegung des Speisebreis im Magen zeigt. Zusätzlich wird eine Bestimmung der Elektrolyte im Blut durchgeführt, wobei vor allem der Chloridspiegel sowie der Basenüberschuss entscheidend ist. Kommt eine sekundäre Ursache in Betracht, so ist oft eine Gastroduodenoskopie (Magenspiegelung) oder ein anderes bildgebendes Verfahren zu wählen, vorzugsweise die Kernspintomographie.

Therapie

Entsprechend der zugrundeliegenden Krankheit stehen unterschiedliche operative Verfahren zur Verfügung (Pyloroplastik, Resektionen, Gastrektomie, kephale Duodenopankreatektomie).

Siehe auch

Literatur

  • Hans Adolf Kühn: Krankheiten des Magens und Zwölffingerdarmes. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 767–804, hier: S. 796–798.
  • C. Stern: Über Pylorusstenose beim Säugling nebst Bemerkungen über die chirurgische Behandlung. In: Deutsche medizinische Wochenschrift. 1898, S. 601 ff.
  • A. J. Stiles: Pyloric stenosis in infants. In: British medical Journal. Band 4, 1906, S. 943 ff.
  • C. Stern: Zur Frage der sogenannten Pylorusstenose und ihre Behandlung. In: Wiener Klinische Wochenschrift. 1898, S. 1024 ff.
  • Franz X. Sailer: Die Pylorusstenose beim Säugling. In: Chirurgie historisch gesehen: Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Hrsg. von Franz X. Sailer und Friedrich W. Gierhake, Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 61 f.
  • S1-Leitlinie Hypertrophe Pylorusstenose der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). In: AWMF online (Stand 2013)
  • M. Pfaundler: Pylorusstenose im Säuglingsalter. In: Meinhard Pfaundler, Arthur Schlossmann (Hrsg.): Handbuch der Kinderheilkunde. 4 Bände. F. C. W. Vogel, Leipzig 1906.
  • F. C. Sitzmann: Kinderheilkunde. Diagnostik – Therapie – Prophylaxe. 6. Auflage, Hippokrates 1988, ISBN 3-7773-0827-7.

Einzelnachweise

  1. Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch Walter de Gruyter, 265. Auflage (2014), ISBN 3-11-018534-2.
  2. Vgl. Harald Hirschsprung: Fälle von angeborener Pylorusstenose, beobachtet bei Säuglingen. In: Jahrbuch für Kinderheilkunde. Band 28, 1888, S. 61 ff.
  3. Franz X. Sailer: Die Pylorusstenose beim Säugling. 1973, S. 61.
  4. V. Hofmann, K. H. Deeg, P. F. Hoyer: Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Lehrbuch und Atlas. Thieme, 2005, ISBN 3-13-100953-5.
  5. Vgl. etwa Fronmüller: Operation der Pylorusstenose. Medizinische Dissertation, Fürth 1886.
  6. W. Abel: Erster Fall von erfolgreicher Gastro-Enterostomie wegen angeborener Pylorushypertrophie bei einem achtwöchigen Säugling. In: Münchener medizinische Wochenschrift. 1899, S. 1607 ff.
  7. Franz X. Sailer: Die Pylorusstenose beim Säugling. In: Franz X. Sailer, Friedrich W. Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen: Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 61 f.
  8. Wilhelm Weber: Über eine Technische Neuerung bei Operation der Pylorusstenose des Säuglings. In: Berliner Klinische Wochenschrift. Band 17, 1910, S. 17 ff.
  9. Vgl. auch J. H. Nicoll: Several patients from a further series of cases of congenital obstriction of the pylorus treated by operation. In: Glasgow medicial Journal. April 1906, und Ref. in Zentralblatt für Chirurgie. Band 33, 1906, S. 685.
  10. Vgl. Conrad Ramstedt: Zur Operation der angeborenen Pylorusstenose. In: Medizinische Klinik. Band 42, 1912, S. 1702 ff.
  11. M. Bettex, N. Genton, M. Stockmann (Hrsg.): Kinderchirurgie. Diagnostik, Indikation, Therapie, Prognose. 2. Auflage, Thieme (1982), ISBN 3-13-338102-4.
  12. W. Schuster, D. Färber (Hrsg.): Kinderradiologie. Bildgebende Diagnostik. Springer, 1996, ISBN 3-540-60224-0.
  13. Vgl. Anton von Eiselsberg: Über Ausschaltung inoperabler Pylorusstrukturen nebst Bemerkungen über die Jejunostomie. In: Archiv für Klinische Chirurgie. Band 50, 1895, S. 919 ff.

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Pylorusstenose Operationsnarbe 30 Stunden nach Operation. Die Pylorusstenose ist eine Verengung im Bereich des Magenausganges (Pylorus). Diese kann angeboren oder erworben sein. Sie führt zu einer gestörten Fortleitung des Mageninhalts in den Zwölffingerdarm und somit zu unstillbarem Erbrechen. Die Behandlung besteht in der Regel in einer operativen Korrektur der Engstelle. Beim Magenpförtnerkrampf (engl.: Pylorospasm) öffnet sich der Muskel, der den Magen zum Zwölffingerdarm abschließt (Pylorus) dauerhaft nicht und lässt den Mageninhalt nicht mehr passieren. Die andauernde Verkrampfung bewirkt über die Zeit eine Verdickung des Muskels.
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Horizontaler Schnitt 10 Tage nach der Operation (Pylorusstenose) an einem 4 Wochen alten Baby.