Psychiater

Ein Psychiater („Seelenarzt“; aus griechisch ψυχή psychē „Seele, Leben“ und ἰατρός iatros „Arzt“) bzw. eine Psychiaterin hat ein Medizinstudium absolviert und zusätzlich eine mehrjährige Facharztausbildung in Psychiatrie und Psychotherapie abgeschlossen. Nach der Facharztprüfung können Psychiater als ärztliche Psychotherapeuten arbeiten, oder sich mit der medizinischen Diagnose, Behandlung oder Erforschung von psychischen Störungen beschäftigen. Psychiater sind Ärzte und berechtigt, Medikamente wie Neuroleptika und Antidepressiva zu verschreiben und haben die Möglichkeit, die Einweisung von Patienten in Psychiatrien zu veranlassen.[1]

Abgrenzungen

Die Behandlung psychischer Störungen erfolgt durch Psychiater und Psychotherapeuten. Unter Laien werden die Berufsbezeichnungen Psychotherapeut, Psychologe und Psychiater fälschlicherweise häufig gleichgesetzt und synonym verwendet.[2] Diese Berufsgruppen unterscheiden sich in Ausbildung und Berufsbild jedoch deutlich voneinander.

Unterschied Psychiater – Psychotherapeut – Psychologe in Deutschland

  • Psychologen sind Personen, die ein Studium der Psychologie mit einem Diplom- oder Masterabschluss erfolgreich beendet haben.[6] Die Berufsbezeichnungen Psychologe, Diplom-Psychologe, sowie diverse „Bindestrich-Psychologen“ (z. B. Sozialpsychologe) sind seit 1985 in Deutschland geschützt.[6][7] Psychologen mit akademischem Abschluss müssen eine Ausbildung zum Psychotherapeuten an ihr Studium anschließen und eine Approbation erwerben, wenn sie heilkundliche Psychotherapie gem. Psychotherapeutengesetz ausüben wollen. Sie können aber auch auf zahlreichen anderen Berufsfeldern tätig werden (wie z. B. in der Wirtschaft, im Personalbereich, in der Forschung, als Verkehrspsychologe oder in Beratungsstellen).[8]

Frühere bzw. auslaufende Berufsbezeichnungen

Eine historische Bezeichnung des Berufes ist Irrenarzt, in Deutschland entstand später die Bezeichnung Nervenarzt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie wurde 1988 zunächst abgeschafft. Bei Inkrafttreten der neuen Weiterbildungsordnungen für Ärzte im Jahr 1989 galten folgende Übergangsbestimmungen:[9] Wer die Bezeichnung „Psychiater“ oder „Arzt für Psychiatrie“ oder „Arzt für Neurologie und Psychiatrie“ führte, konnte sie beibehalten. Auf Antrag erhielt er das Recht, die Facharztbezeichnung „Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“ zu führen, wenn er die Zusatzbezeichnung „Psychotherapie“ führen durfte, die eine entsprechende Weiterbildung vorausgesetzt hat. 1992 wurde der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie wieder eingeführt.

Wer die Facharztbezeichnung für „Kinder- und Jugendpsychiatrie“ und die Zusatzbezeichnung „Psychotherapie“ führte, erhielt auf Antrag das Recht, die Facharztbezeichnung „Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ zu führen. Wer bei Inkrafttreten der Weiterbildungsordnung die Subspezialisierungsbezeichnung Kinderneuropsychiatrie in Verbindung mit der Facharztbezeichnung Neurologie und Psychiatrie oder der Facharztbezeichnung Kinderheilkunde und außerdem die Bezeichnung Facharzt für Psychotherapie führte, erhielt auf Antrag das Recht, die Bezeichnung „Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ zu führen.

Wer bei Inkrafttreten der Weiterbildungsordnung die Zusatzbezeichnungen „Psychoanalyse“ oder „Psychotherapie“ führte, konnte sie beibehalten. Er erhielt auf Antrag das Recht, die Bezeichnung „Facharzt für Psychotherapeutische Medizin“ zu führen, wenn er nach Erwerb der Zusatzbezeichnung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren überwiegend Psychotherapie ausgeübt hat.

Forensische Psychiatrie

Ein Teilgebiet der Psychiatrie wie der Rechtsmedizin ist die forensische Psychiatrie, die sich mit dem Grenzgebiet von Psychiatrie und Recht befasst. Dazu gehören juristische Fragen wie die Beurteilung der Schuldfähigkeit von Straftätern, aber auch Gutachten im Hinblick auf die Unterbringung in geschlossenen Anstalten oder die Betreuung von (mutmaßlich) psychisch Kranken.

Bekannte Psychiater

Namegeb. gest.OrtLandBemerkungen
Philippe Pinel1745–1826FR„Irrenbefreier“, Mitbegründer der wissenschaftlichen Psychiatrie
Johann Christian Reil1759–1813DEBegründer der Allgemeinen und Integrativen Psychiatrie und Psychotherapie
Jean-Étienne Esquirol1772–1840FRSchüler Pinels, Begründer der Monomanielehre
Ernst Gottlob Pienitz1777–1853DEPsychiatriereformer
Peter Willers Jessen1793–1875DEin Schleswig Direktor des ersten psychiatrischen Krankenhauses im deutschsprachigen Raum, zwangfreie Behandlung
Heinrich Hoffmann1809–1894DEAutor des Struwwelpeters
Wilhelm Griesinger1817–1868BurghölzliCHnaturwissenschaftliche Psychiatrie
Karl Ludwig Kahlbaum1828–1899DEneue Gliederung der Krankheitsbilder
Richard von Krafft-Ebing1840–1902DESadismus und Masochismus
Paul Flechsig1847–1929LeipzigDENeuroanatomie
Auguste Forel1848–1931BurghölzliCH
Paul Näcke1851–1913DENarzissmus, Homosexualität keine Krankheit
Emil Kraepelin1856–1926DE
Otto Binswanger1852–1929JenaDE
Eugen Bleuler1857–1939BurghölzliCH
Julius Wagner-Jauregg1857–1940AT
Alois Alzheimer1864–1915DEAlzheimersche Krankheit
Alfred Hoche1865–1943DE
Karl Bonhoeffer1868–1948DE
Hans Berger1873–1941JenaDEElektroenzephalographie
Karl Wilmanns1873–1945DE
Carl Gustav Jung1875–1961BurghölzliCHAnalytische Psychologie
Oswald Bumke1877–1950DENachfolger von Alzheimer in Breslau, Kraepelin in München und Flechsig in Leipzig; Bruder von Erwin Bumke
Edmund Forster1878–1933DE
Karl Jaspers1883–1969DE
Johannes Heinrich Schultz1884–1970DE
Hans Prinzhorn1886–1933DE
Arthur Kronfeld1886–1941DE
Kurt Schneider1887–1967DE
Théophile Alajouanine1890–1980FR
Walter Ritter von Baeyer1904–1987DE
Viktor Frankl1905–1997WienATLogotherapie und Existenzanalyse
Eric Berne1910–1970USATransaktionsanalyse
Heinz Kohut1913–1981USASelbstpsychologie
Detlev Ploog1920–2005DE
Thomas Szasz1920–2012USAradikaler Kritiker psychiatrischer Zwangsinterventionen
Erwin Ringel1921–1994AT
Leo Navratil1921–2006ATKunst von Patienten in geschlossenen psychiatrischen Kliniken
Franco Basaglia1924–1980VenedigITbetrieb die Schließung der Irrenanstalten in Italien
Hanns Hippius1925–2021MünchenDEKompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie
Frantz Fanon1925–1961FR
Elisabeth Kübler-Ross1926–2004CHSterbebegleitung
Ronald D. Laing1927–1989UK
Otto F. Kernberg1928–USANarzissmus, Objektbeziehungstheorie, Borderline
Ambros Uchtenhagen1928–2022BurghölzliCHSozialpsychiatrie
Alexander Friedmann1948–2008RO
Wiktor Skumin1948–RU

In anderem Zusammenhang bekannt gewordene Psychiater

  • Radovan Karadžić (* 1945; wurde vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Völkermord zu 40 Jahre Gefängnis verurteilt)
  • John Karl Friedrich Rittmeister (1898–1943), hingerichtet im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee, als einziger deutscher Psychiater und Therapeut wegen seiner aktiven Widerstandstätigkeit gegen die Nationalsozialisten
  • Hoimar von Ditfurth (1921–1989), Professor für Psychiatrie und Fernsehjournalist (Querschnitte mit dem Physiker Volker Arzt), Autor zahlreicher populärwissenschaftlicher Bestseller (Am Anfang war der Wasserstoff u. v. a. m.)

Literatur

  • Johannes Pantel: Neurologie, Psychiatrie und Innere Medizin. Verlauf und Dynamik eines historischen Streites. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, Band 11, 1993, S. 77–99.
  • Theodor Kirchhoff (Hrsg.): Deutsche Irrenärzte. Einzelbilder ihres Lebens und Wirkens. Hrsg. mit Unterstützung der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München sowie zahlreicher Mitarbeiter. 2 Bände. Berlin 1921–1924.
  • Kurt Kolle (Hrsg.): Große Nervenärzte. 3 Bände. Stuttgart: Thieme 1956–1963; 2. Auflage ebenda 1970.
  • Karl Seidel, H. A. F. Schulze, Gerhard Göllnitz, Hans Szewczyk (Hrsg.): Neurologie und Psychiatrie einschließlich Kinderneuropsychiatrie und Gerichtliche Psychiatrie. Studentenlehrbuch. Berlin 1977; 4. Auflage ebenda 1988.
Commons: Psychiater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Psychiater – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Psychologe, Psychiater, Psychotherapeut Stiftung Gesundheitswissen, aufgerufen am 14. März 2022
  2. Vgl. auch Kirsten von Sydow: Das Image von Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern in der Öffentlichkeit. Ein systematischer Forschungsüberblick. In: Psychotherapeut. Band 52, 2007, S. 322–333.
  3. Christian Heinrich: Beruf Spezial: Psychiatrie: Zuwendung im Akkord. In: Die Zeit (Hrsg.): Die Zeit Online. Nr. 24, 5. Juni 2014 (zeit.de [abgerufen am 10. Juni 2018]).
  4. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie). Abgerufen am 31. März 2014.
  5. Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland (Memento desOriginals vom 11. Februar 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gesetze-im-internet.de Abgerufen am 31. März 2014.
  6. a b BDP - FAQ: Titelanerkennung und Berufsausübung in Deutschland. 30. Dezember 2008, archiviert vom Original am 30. Dezember 2008; abgerufen am 17. Juni 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bdp-verband.org
  7. Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V: Geschichte und Meilensteine des BDP. Abgerufen am 7. Juni 2019 (englisch).
  8. Berufs-Chancen-Check Psychologe, Psychologin. Bildung und Wissen, Nürnberg 1999, ISBN 3-8214-8244-3.
  9. Weiterbildungsordnung vom (Memento desOriginals vom 10. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aekb.de hier der Ärztekammer Berlin.