Prometheoarchaeum syntrophicum

Prometheoarchaeum syntrophicum

Protheoarchaeum syntrophicum, künstlerische Nachbildung in Plastilin.

Systematik
Archaeen (Archaea)
Reich:„Proteoarchaea“
Überabteilung:„Asgard“
Abteilung:Lokiarchaeota
Gattung:Prometheoarchaeum
Art:Prometheoarchaeum syntrophicum
Wissenschaftlicher Name
Prometheoarchaeum syntrophicum
Imachi et al. 2020

Candidateus Prometheoarchaeum syntrophicum (kurz Prometheoarchaeum syntrophicum, mit Referenzstamm MK-D1) ist eine vorgeschlagene Spezies von Archaeen (früher: Archaebakterien) aus dem Stamm (Phylum) Lokiarchaeota. Diese Archaeenart geht mit Alphaproteobacterien der Gattung Halodesulfovibrio (Ordnung Desulfovibrionales) und weiteren Archaeen der Gattung Methanogenium (Euryarchaeota) eine symbiotische Beziehung zwischen drei Partnern ein.[1]

Die symbiontische Beziehung zwischen dem Lokiarchaeoten Prometheoarchaeum syntrophicum und dem Alphaproteobacterium Halodesulfovibrio ähnelt der symbiotischen Beziehung zwischen dem Zellplasma und den Mitochondrien in den kernhaltigen Zellen der Kernzeller (Eukaryonta), zu denen auch der Mensch gehört. Die Mitochondrien sind die Kraftwerke der Kernzeller.

Nach heutigem Stand sind die nächsten Vorfahren des Zellplasmas der Kernzeller die Heimdallarchaeoten und die nächsten Vorfahren der Mitochondrien der Kernzeller die Rickettsien. Wie der Zellkern der Kernzeller entstand ist ungeklärt.

Name

Der Name Prometheoarchaeum spielt auf den Titanen Prometheus ("der Vorausdenkende") an, der der griechischen Sage zufolge, das Feuer aus dem Wohnsitz der griechischen Götter, dem Olymp, den Menschen auf die Erde brachte. Die Bezeichnung Archaeum verweist auf die Urbakterien, die Archaebakterien, die heute Archaeonten, zu deutsch "ursprünglich Seiende", genannt werden. Der Namenszusatz syntrophicum bedeutet sich gemeinsam, also zusammen mit dem anderen Cosymbionten, sich ernährend.

Lokiarchaeota

Der Stamm der Lokiarchaeota wurde erst 2005 während einer Expedition zu Lokis Schloss, einer Gruppe von fünf aktiven hydrothermalen Schloten (Rauchern) in der Nähe des Mittelatlantischen Rückens am 73° Breitengrad in 2352 m Tiefe zwischen Grönland und Norwegen, entdeckt.[2]

2015 entdeckte man bei diesem Stamm DNA-Fragmente, die auf eine nahe Verwandtschaft mit den Kernzellern (Eukaryonta) hindeuteten. Zu den Genen, die beiden Gruppen gemeinsam sind, gehören die Gene für Membrantransport, Vesikelbildung, Vesikeltransport, Ubiquitin und Zellskelett.

Die Lokiarchaeota gehören zum Überstamm (Superphylum) der Asgardarchaeota, die nach der Heimstätte der Asen dem Asgard in der Nordischen Mythologie benannt sind. Zu den Asgardarchaeota gehören alle Stämme, die nach Göttern der nordischen Mythologie benannt sind, wie Thor, Odin, Loki, Heimdall und Hel.

Kultur

REM-Fotos der isolierten Lokiarchaeota Prometheoarchaeum syntrophicum Archaeenstämme MK-D1 inklusive „Tentakel“ und Partnermikroben aus dem Jahr 2019.[1]

2019 gelang es nach 12-jähriger Anstrengung einer japanischen Forschungsgruppe unter Masaru K. Nobu vom National Institute of Advanced Industrial Science and Technology in Tsukuba ein in Methan haltigem Schlamm wachsendes Archaeon dauerhaft im Labor zu züchten. Zuvor hatte man 6 Jahre lang die Wachstumsbedingungen untersucht und dann das Archaeon zusammen mit seinen symbiotischen Partnern allmählich angereichert, bis man schließlich eine Kultur aus 13 % Prometheoarchaeum, 85 % Halodesulfovibrio und 2 % Methanogenium erhielt.

Habitat

Prometheoarchaeum wächst natürlicherweise in Lagerstätten aus Methanhydrat in 2533 m Tiefe am Boden des Nankai-Trogs vor der Halbinsel Kii in Japan.

Aussehen

Prometheoarchaeum besitzt einen kugelförmigen Körper von 300 bis 750 nm Durchmesser. Von diesem sprießen lange, gelegentlich verzweigte Fortsätze von 80 bis 100 nm Durchmesser, die direkten Kontakt zu dem Symbionten Halodesulfovibrio aufnehmen.

Lebensweise

Prometheoarchaeum wächst in natürlicher Umgebung in 2500 m Tiefe bei 10° Celsius Umgebungstemperatur unter Ausschluss von Sauerstoff (Anaerobie) im Schlamm von Lagerstätten aus Methanhydrat. Methan ist bei diesen Druckverhältnissen in Kristallkäfigen (Clathraten) aus erstarrtem Wasser als Gashydrat (Methanhydrat) eingeschlossen und entweicht nur sehr langsam. Das Methan wird nicht von Prometheoarchaeum, sondern von den Cosymbionten Halodesulfovibrio und Methanogenium konsumiert. Prometheoarchaeum ist dabei nicht auf einen bestimmten Partner angewiesen, sondern kommt außer mit Halodesulfovibrio und Methanogenium, auch noch mit Methanobacterium zurecht (Symbionten-Promiskuität).

Prometheoarchaeum selbst ernährt sich durch Hydrolyse von Aminosäuren und Peptiden unter Freisetzung von Protonen p+, die auch Protia H+ (Singular: Protium) genannt werden. Protia sind sehr beweglich und aktiv, da sie keine Elektronenhülle besitzen.

In der Kultur wuchs Prometheoarchaeum am besten bei 20° Celsius und einem Nährmedium aus Caseinhydrolysat und Milchpulver.

Vermehrung

Prometheoarchaeum wächst auch unter optimalen Bedingungen nur sehr langsam und teilt sich alle 2 bis 4 Wochen einmal, im Durchschnitt also alle 20 Tage einmal.

Versklavung des Cosymbionten

E3-Modell der Eukaryogenese[1]

Das Lokiarchaeon Promethoarchaeum verbindet sich unter sauerstoffarmen (anaeroben) Bedingungen mit einem Alphaproteobacterium, wie Halodesulfovibrio, wobei die vom Promethoarchaeum durch Hydrolyse von Aminosäuren und Peptiden freigesetzten Protonen vom Alphaproteobacterium zur Synthese energiereicher Verbindungen genutzt werden, die dann wieder vom Lokiarchaeon genutzt werden. Dabei entsteht aus dem Protium H+ (= Proton) von Promethoarchaeum und dem Hydrogensulfid HS- von Halodesulfovibrio Schwefelwasserstoff H2S.

Ähnlich muss dann unter sauerstoffreicheren (aeroberen) Bedingungen ein Asgardarchaeon Protonen an ein Alphaproteobacterium abgegeben haben, wobei aus dem Protium H+ des Asgardarchaeon und dem Hydrogenoxid HO- (= Hydroxid) des Alphaproteobacterium Wasser H2O entstand, ähnlich wie dies auch heutzutage noch zwischen Zellplasma und Mitochondrien, genauer gesagt zwischen Intermembranraum und Innenraum der Mitochondrien, geschieht.

Nach der Umschling, Umhüll, Versklav Hypothese (engl. Entangle, Engulf, Enslave Hypothesis E3) nahmen Asgardarchaeoten zunächst (1.) Kontakt mit dem Symbionten auf, (2.) Umschlangen ihn, um den Kontakt zu sichern, (3.) Umhüllten ihn dann, um die Kontaktfläche zu vergrößern, (4.) verschlangen ihn anschließend, um ihn zu versklaven und sich (5.) zuletzt seine Gene allmählich einzuverleiben, sprich vom Symbionten ins Zellplasma zu transportieren. Auf diese Weise entstanden so allmählich die Mitochondrien, die der Zelle als Kraftwerke dienen. Einige Proteine der Mitochondrien werden auch heute noch auf mitochondrialen Plasmiden mtDNA gespeichert und von mitochondrialen Ribosomen im hergestellt.

Als die Nachfahren dieser Archaeoten dann zu einem Zellkern kamen, wurden diese Gene dann in den Zellkern transportiert. Archaeoten selber besitzen keinen Zellkern.

Nach heutigem Stand sind die nächsten Vorfahren des Zellplasmas der Kernzeller die Heimdallarchaeoten und die nächsten Vorfahren der Mitochondrien der Kernzeller die Rickettsien.

Die Versklavung der Rickettsien durch Heimdallarchaeoten ereignete sich vor rund 2,4 Milliarden Jahren im Huronium, als es durch die ständige Freisetzung von Sauerstoff durch Cyanobakterien zum Großen Sauerstoffanstieg kam.

E3-Modell der Eukaryogenese

Der Fakt, dass der Stamm (en. strain) MK-D1 von Prometheoarchaeum syntrophicum lange „Tentakel“ hat, in denen Partnermikroben (Bakterien) nisten die ihm womöglich als „Protomitochondrien“ verbesserte Überlebenschancen bei steigendem Sauerstoff ermöglichen, Nach dem E3-Modell der Eukaryogenese konnten so Bakterien als Vorfahren der Mitochondrien umschlossen und endogenisiert wurden.[3][1][4][5]

Einzelnachweise

  1. a b c d Hiroyuki Imachi, Masaru K. Nobu, Nozomi Nakahara, Yuki Morono, Miyuki Ogawara, Yoshihiro Takaki, Yoshinori Takano, Katsuyuki Uematsu, Tetsuro Ikuta, Motoo Ito, Yohei Matsui, Masayuki Miyazaki, Kazuyoshi Murata, Yumi Saito, Sanae Sakai, Chihong Song, Eiji Tasumi, Yuko Yamanaka, Takashi Yamaguchi, Yoichi Kamagata, Hideyuki Tamaki & Ken Takai: Isolation of an archaeon at the prokaryote–eukaryote interface. In: Nature. Band 577, 2020, S. 519–525, doi:10.1038/s41586-019-1916-6 (nature.com). Dazu:
  2. Carl Zimmer: This Strange Microbe May Mark One of Life’s Great Leaps. New York Times, 15. Januar 2020, abgerufen am 16. Januar 2020 (englisch).
  3. nytimes.com
  4. Jonathan Lambert: Scientists glimpse oddball microbe that could help explain rise of complex life. In: Nature. Band 572, 2019, S. 294 (nature.com).
  5. Daniel B. Mills, Richard A. Boyle, Stuart J. Daines, Erik A. Sperling, Davide Pisani, Philip C. J. Donoghue, Timothy M. Lenton: Eukaryogenesis and oxygen in Earth history. In: Nature Ecology & Evolution, 21. April 2022; doi:10.1038/s41559-022-01733-y. Dazu:

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Protheoarchaeum syntrophicum, künstlerische Nachbildung in Plastilin.
Microscopy characterization and lipid composition of MK-D1.webp
Autor/Urheber: Authors of the study: Hiroyuki Imachi, Masaru K. Nobu, Nozomi Nakahara, Yuki Morono, Miyuki Ogawara, Yoshihiro Takaki, Yoshinori Takano, Katsuyuki Uematsu, Tetsuro Ikuta, Motoo Ito, Yohei Matsui, Masayuki Miyazaki, Kazuyoshi Murata, Yumi Saito, Sanae Sakai, Chihong Song, Eiji Tasumi, Yuko Yamanaka, Takashi Yamaguchi, Yoichi Kamagata, Hideyuki Tamaki & Ken Takai, Lizenz: CC BY 4.0
Candidatus Prometheoarchaeum syntrophicum aka Lokiarchaeota sp. MK-D1.
"a–c, SEM images of MK-D1. Single cell (a), aggregated cells covered with EPS-like materials (b) and a dividing cell with polar chains of blebs (c). d, Cryo-electron tomography image of MK-D1. The top-right inset image shows a magnification of the boxed area to show the cell envelope structure. e, Cryo-EM image of large membrane vesicles attached to and surrounding MK-D1 cells. f, Ultrathin section of an MK-D1 cell and a membrane vesicle. The bottom-right inset image shows a magnified view of the membrane vesicle. g, h, SEM images of MK-D1 cells producing long branching (g) and straight (h) membrane protrusions. i, Ultrathin section of a MK-D1 cell with protrusions. j, A total ion chromatogram of gas chromatography–mass spectrometry (GC–MS) for lipids extracted from a highly purified MK-D1 culture. The chemical structures of isoprenoids and their relative compositions are also shown (Supplementary Fig. 2). Scale bars, 1 μm (b, c, g, h), 500 nm (a, d, e, i) and 200 nm (f). a–c, g, h, SEM images are representative of n = 122 recorded images that were obtained from four independent observations from four culture samples. d, e, Cryo-EM images are representative of n = 14 recorded images that were taken from two independent observations from two culture samples. f, i, The ultrathin section images are representative of n = 131 recorded images that were obtained from six independent observations from six culture samples. White arrows in the images indicate large membrane vesicles. The lipid composition experiments were repeated twice and gave similar results. Detailed iTAG-based community compositions of the cultures are shown in Supplementary Table 1."
Proposed hypothetical model for eukaryogenesis.webp
Autor/Urheber: Authors of the study: Hiroyuki Imachi, Masaru K. Nobu, Nozomi Nakahara, Yuki Morono, Miyuki Ogawara, Yoshihiro Takaki, Yoshinori Takano, Katsuyuki Uematsu, Tetsuro Ikuta, Motoo Ito, Yohei Matsui, Masayuki Miyazaki, Kazuyoshi Murata, Yumi Saito, Sanae Sakai, Chihong Song, Eiji Tasumi, Yuko Yamanaka, Takashi Yamaguchi, Yoichi Kamagata, Hideyuki Tamaki & Ken Takai, Lizenz: CC BY 4.0
"a, The syntrophic/fermentative host archaeon is suggested to degrade amino acids to short-chain fatty acids and H2, possibly by interacting with H2-scavenging (and indirectly O2-scavenging) SRB (orange; see Supplementary Note 6). b, The host may have further interacted with a facultatively aerobic organotrophic partner that could scavenge toxic O2 (the future mitochondrion; red). Continued interaction with SRB could have been beneficial but not necessarily essential; dotted arrows indicate the interaction; see Supplementary Note 7. c, Host external structures could have interacted (for example, mechanical or biological fusion with the aerobic partner to enhance physical interaction and further engulf the partner for simultaneous development of endosymbiosis and a primitive nucleoid-bounding membrane. d, After engulfment, the host and symbiont could have continued the interaction shown in b as a primitive type of endosymbiosis. e, Development of ADP/ATP carrier (AAC) by the endosymbiont (initial direction of ATP transport remains unclear; see Supplementary Note 9). f, Endogenization of partner symbiosis by the host through delegation of catabolism and ATP generation to the endosymbiont and establishment of a symbiont-to-host ATP channel."