Possehl-Stiftung

Emil Possehl
Gebäude der Possehl-Stiftung in der Beckergrube (2005)

Die Possehl-Stiftung entstand 1919 aus dem Nachlass Emil Possehls mit dem Stiftungszweck, die öffentliche Wohlfahrt Lübecks, deren deutsch-patriotischen Geist sowie deren Jugend zu fördern.

Geschichte

Während Emil Possehl im hamburgischen Gefängnis auf seinen Landesverratsprozess wartete, legte er die Stiftungsgründung testamentarisch fest. Nach seinem Tode wurde die Stiftung, was per Senatsdekret vom 17. Mai 1919 rechtskräftig war, alleinige Gesellschafterin der Firma L. Possehl & Co. Die erste Sitzung der Stiftung fand am 11. Juni 1919 in Possehls Haus in der Musterbahn statt. Den Vorsitz führte bis 1928 Julius Vermehren. Seine Anwesenheit und die der anderen Mitglieder hatte Possehl testamentarisch[1] festgelegt. Die Grundzüge der hier verabschiedeten Satzung waren zuvor vom Stifter bereits erarbeitet worden.

Die Inflation minderte den Wert der zu Verfügung gestellten 1,5 Millionen Mark beträchtlich, und es dauerte drei Jahre, bis die Stiftung diesen Aufgaben nachkommen konnte. Die zweite Ausschüttung erfolgte erst wieder 1927. Wie die bis 1934 aufgebrachten Zuwendungen wurde sie vor allem für soziale Zwecke genutzt. Ab 1929 war die Stiftung als Muttergesellschaft des Konzerns tätig und aus dem einstigen Handelshaus wurde ein sich in Handel und Produktion engagierender Mischkonzern. Nach der Gleichschaltung der Stiftung forderte der Senat im September 1933 die Umbesetzung des Stiftungsrats. Die bisherige Satzung wurde unter Hans Böhmcker, dem neuen Vorsitzenden der Stiftung, im August 1934 revidiert. Es entfiel die Ergänzung der Ausschüsse und des Vorstandes durch Wahlverfahren. Sämtliche Gremien wurden reduziert und deren Mitglieder fortan „berufen“. Die Stiftung hatte ihre Eigenständigkeit verloren. Seit 1937 berief der Bürgermeister den Vorstand und nach dem Groß-Hamburg-Gesetz lag die Stiftungsaufsicht beim Regierungspräsidenten in Schleswig. Die Stiftungsgelder flossen seitdem in die Kassen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) oder des WHWs. Mit Mitteln der Stiftung wurde 1937 die Possehl-Siedlung für „treue Volksgenossen“ begonnen.

(c) Debauchery alias Stefan Kähmzow, CC BY-SA 3.0
Seehund

In der Nachkriegszeit unterstützte die Stiftung vor allem Wohlfahrtsverbände.[2] In den 1960er Jahren finanzierte sie neben der Jugendarbeit von Sportvereinen auch den Bau eines Bezirksjugendheimes, die Einrichtung des Christlichen Jugenddorfwerkes und die Fertigstellung zweier Studentenwohnheime. Der Possehl-Musikpreis wurde 1962 auf kulturellem Gebiet ins Leben gerufen und 1963 erstmals vergeben.[3] Die Aktivitäten reichen seitdem von der Förderung eines Kindertanztheaters bis zur Finanzierung der Präparation eines Walskeletts, von der Übernahme der Druckkosten für die Zeitschrift für Lübeckische Geschichte bis zur Schenkung von Plastiken (wie 1990 den bronzenen Seehund von Christa Baumgärtel) im öffentlichen Raum. Man ermöglichte Ankäufe von Museen, den Bau eines Wohnheims der Bundesvereinigung Lebenshilfe (1979) oder Die Brücke (1993). Kaufmannshäuser wurden erworben. Die Stiftung beteiligte sich am Bau der Musik- und Kongresshalle und finanzierte auch das auf deren Dach stehende ehemalige documenta-Exponat Die Fremden von Thomas Schütte. Für ihre Verdienste im Wiederaufbau und der Sanierung der Stadt erhielt die Possehl-Stiftung 1979 vom Nationalkomitee für Denkmalschutz den Deutschen Preis für Denkmalschutz. Anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens wurde die Stiftung im Jahr 2019 für ihre „außerordentlichen Verdienste für das Gemeinwesen der Stadt“ mit der höchsten Auszeichnung der Hansestadt Lübeck, der Gedenkmünze Bene Merenti, ausgezeichnet.[4] Bisher wohl größtes Fördergeschenk an die Stadt Lübeck war die Kunsthalle St. Annen als Anbau an das St.-Annen-Kloster unter Einbeziehung der verbliebenen Bausubstanz der ehemaligen St.-Annen-Kirche. Als eigene Projekte betreibt die Stiftung das Europäische Hansemuseum und das Theaterfigurenmuseum Lübeck.

Seit Januar 2016 ist der Unternehmer Max Schön als Nachfolger der Apothekerin Renate Menken Vorsitzender des Vorstands der Stiftung.

Zwecke der Stiftung (heute)

Hinweis an einem Lübecker Haus

Die gemeinnützigen Zwecke und Ziele der Possehl-Stiftung sind in der Satzung festgeschrieben:

  • Verschönerung der Stadt Lübeck und ihrer öffentlichen Anlagen
  • Unterstützung gemeinnütziger städtischer Einrichtungen, insbesondere solcher, die sich der Jugendförderung widmen
  • Förderung von Kunst und Wissenschaft
  • Förderung von Handel, Schifffahrt, Industrie und Gewerbe zur Ausbildung Jugendlicher
  • Förderung der Wohlfahrt, insbesondere für Kriegsinvaliden und -hinterbliebene

Die Ziele der Stiftung sind unter Berücksichtigung der heutigen Kriterien für Gemeinnützigkeit im Wesentlichen unverändert geblieben.

Auszeichnungen

Anlässlich des 50-jährigen Firmenjubiläums, führte Emil Possehl 1897 ein Reisestipendium ein, das Lübecker Lehrlingen das Erlernen der russischen Sprache ermöglichte. Ebenso richtete er einen Stipendienfonds ein, der junge schwedische Kaufleute und Techniker in die Lage versetzte, in Deutschland zu studieren. Den Gedanken der Förderung unterschiedlichster Fähigkeiten und Visionen hat die Possehl-Stiftung aufgegriffen und weiterentwickelt.[5]

Possehl-Musikpreis

Gemeinsam mit der Musikhochschule Lübeck vergibt die Stiftung seit 1963 jährlich den Possehl-Musikpreis. Er wird an besonders herausragende Musikerinnen und Musiker vergeben, die in Lübeck an der Musikhochschule studieren. Zu den bisherigen Preisträgern zählen die Klarinettistin Shirley Brill und die Geigerin Sinn Yang. 2019 vergab die Stiftung erstmals zusätzlich einen Possehl-Musikpreis in der Kategorie „Neue musikalische Aufführungskonzepte“.[3]

Possehl-Preis für Kunst

Seit 2018 stellen zwei Possehl-Preise für Kunst zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler in den Fokus. 2018 wurde erstmalig der Possehl-Preis für Lübecker Kunst vergeben und seit 2019 vergibt die Stiftung – im Rhythmus von drei Jahren – den Possehl-Preis für Internationale Kunst. In den Jahren, in denen es keinen Possehl-Preis für Internationale Kunst gibt, wird auf lokaler Ebene der Possehl-Preis für Lübecker Kunst vergeben.

Preisträger 2018 - 2023

2018: Janine Gerber

2019: Doris Salcedo (Preis für internationale Kunst)

2020: Sebastian Schröder

2021: Heinke Both

2022: Matt Mullican (Preis für internationale Kunst)

2023: Sabine Egelhaaf[6]

Possehl-Stipendium für Architektur

Die Possehl-Stiftung vergibt seit 2019 alle zwei Jahre die Possehl-Stipendien für Architektur an Studenten und Bachelor-Absolventen der Studiengänge Architektur und Städtebau-Ortsplanung der Technischen Hochschule Lübeck, die wegen ihrer Begabung, ihrer Leistungen, der architektonischen Qualität ihrer Arbeiten oder ihres Engagements im Studium eine besondere Anerkennung und Förderung verdienen. Die Stipendien werden in Form von Reisestipendien und Reisekostenzuschüssen vergeben und sollen den Studierenden Reisen oder Aufenthalte außerhalb Lübecks ermöglichen. In der Jury sitzen, neben Professoren der Technischen Hochschule und einem Vertreter der Possehl-Stiftung, Vertreter des Architekturforums Lübeck sowie des Bundes Deutscher Architekten.[7]

Possehl-Ingenieurpreis

Seit 1983 zeichnet die Stiftung Absolventen der Technischen Hochschule Lübeck für hervorragende Abschlussarbeiten mit dem Possehl-Ingenieurpreis aus. Er ist mit 5000 Euro dotiert und umfasst auch Förderprämien mit 2500 Euro.[8] Bis heute wurden über 70 Preise und Prämien im Rahmen des Possehl-Ingenieurpreises vergeben.[9]

Literatur

  • Axel Schildt: Possehl: Geschichte und Charakter einer Stiftung. München: Haufe Lexware 2019, ISBN 978-3-648-13340-8
  • Jan-Jasper Fast: Vom Handwerker zum Unternehmer. Die Lübecker Familie Possehl. Schmidt-Römhild, Lübeck 2000, ISBN 3-7950-0471-3.

Weblinks

Commons: Possehl-Stiftung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Possehl Stiftung: Das Testament Emil Possehls, abgerufen am 11. Mai 2022 (PDF; 407 kB).
  2. Doris Mührenberg: Meiner geliebten Vaterstadt. 75 Jahre Possehl-Stiftung 1919–1994, Verlag Schmidt-Römhild, Lübeck 1994
  3. a b Possehl-Musikpreis
  4. Possehl-Stiftung bekommt Ehrendenkmünze der Hansestadt. In: LN Online. Abgerufen am 18. Dezember 2019.
  5. Auszeichnungen der Possehl-Stiftung – Possehl-Stiftung – Lübeck. Abgerufen am 9. Oktober 2023.
  6. Possehl-Preis für Lübecker Kunst 2023: Sabine Egelhaaf ausgezeichnet - Unser Lübeck - Kultur-Magazin. Abgerufen am 9. Oktober 2023.
  7. Possehl-Stipendium für Architektur – Possehl-Stiftung – Lübeck. Abgerufen am 9. Oktober 2023.
  8. Possehl-Preis für die Digitalisierung in Krankenhäusern. In: hl-live.de. 14. Dezember 2021, abgerufen am 30. Mai 2022.
  9. Auszeichnungen der Possehl-Stiftung – Possehl-Stiftung – Lübeck. Abgerufen am 9. Oktober 2023.

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Gebäude der Possehlstiftung Lübeck
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Christa Baumgärtel, Seehund, Geschenk der Possehl-Stiftung 1990 vor dem Lübecker Natur- und Umweltmuseum
Emil possehl.jpg
Senator Emil Possehl.
Anmerkungen:Nachruf auf Johannes Maaß war u. a. in den Lübeckischen Blättern vom 7. Dezember 1930 abgedruckt. Ergo [heute()-70]>[Sterbedatum] und alle sind zufrieden.
Wurde hier geklärt.
Possehl01.JPG
(c) Debauchery, CC BY-SA 3.0
Schild mit Hinweis auf Possel-Stiftung an Lübecker Haus