Portolankarte






Die Portolankarte ist ein historischer Typ der Seekarte. Die frühen Portolankarten umfassten hauptsächlich das Mittelmeer und das Schwarze Meer. Die Bezeichnung ist von Portolan abgeleitet. Portolane sind mittelalterliche Seebücher des Mittelmeerraums.
Die Bezeichnungen Rumbenkarte und Windstrahlenkarte beziehen sich auf ein besonderes Merkmal dieser Karten, die sogenannten Rumbenlinien (auch „Windstrahlen“ genannt). Dies sind feine Linien, die die Portolankarten in bis zu 32 Richtungen der Windrose durchziehen und ein orientierendes Liniennetz bilden.
Portolane
Der Begriff Portolan oder Portulan (italienisch portolano) ist von lateinisch portus „Hafen“ abgeleitet. Portolane sind ursprünglich mittelalterliche Bücher mit nautischen Informationen etwa zu Landmarken, Leuchttürmen, Strömungen und Hafenverhältnissen. Sie gehen auf antike Umschiffungsbeschreibungen zurück (siehe Periplus).
Die Verwendung des Begriffs Portolan ist erstmals für das Jahr 1285 belegt. Ab dem 16. Jahrhundert bestanden Portolane nicht nur aus Text, sondern enthielten auch Seekarten. Im 19. Jahrhundert begannen Gelehrte, alle alten Seekarten als Portolane zu bezeichnen. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschränken Spezialisten den Begriff Portolan auf den Text und sprechen bei Seekarten eines bestimmten Typs von Portolankarten.
Entstehung
Die älteste überlieferte Portolankarte, die Carta Pisana („Pisaner Karte“), stammt aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Sie entstand ungefähr zur selben Zeit wie der älteste erhaltene Portolan, der Compasso da navigare. Dieser ist als Pergament-Kodex aus dem Jahr 1296 überliefert. Der Text ist jedoch älter, er wurde auf das Jahr 1250 datiert.[1]
Material
Portolankarten des 13. und 14. Jahrhunderts sind auf Pergament gezeichnet. Bei den größerformatigen Einzelkarten wurde zumeist der Beschreibstoff Tierhaut beibehalten (siehe Abbildungen). Meist handelt es sich um einzelne Karten. Portolankarten konnten jedoch auch Bestandteile von Atlanten sein.
Rumbenlinien
Ein wesentliches Merkmal der Portolankarten ist das sichtbare Liniennetz, das zur Kursbestimmung mittels Kompass dient. Dieses Liniennetz besteht aus verschiedenfarbigen Geraden, den Rumbenlinien, die sowohl vom Zentrum der Karte als auch von 16 gleichmäßig auf einer Kreislinie verteilten Punkten ausstrahlen. Die Linien der jeweils vier Haupt- und Zwischenhimmelsrichtungen sind schwarz, die der Halb-Winde grün, die der Viertel-Winde rot eingetragen. Diese traditionelle Farbgebung wurde mehr als vier Jahrhunderte hindurch unverändert beibehalten.
Verwendung
Die Portolankarten weisen eine unterschiedliche Orientierung auf und sind nicht immer genordet. Der Seemann, der die Karte benutzte, drehte sie in die Richtung des jeweils verfolgten Kurses.
Gefährliche Passagen waren in der Karte hervorgehoben und mit Eintragungen wie „Gib acht!“ oder „Öffne das Auge“ kommentiert. Die Anlegeplätze wurden in verschiedenfarbiger Tinte, je nach ihrer Wichtigkeit, eingetragen. Wenn ihm die auf der Karte enthaltenen Angaben nicht ausreichten, konnte der Seemann den Text des Portolans mit seinen detaillierteren Angaben zur Hand nehmen.
Siehe auch
- Portolankarte des Albino de Canepa
- Portolankarte des Angelino Dulcert
- Katalanischer Weltatlas
Literatur
- Ingrid Baumgärtner, Stefan Schröder: Weltbild, Kartographie und geographische Kenntnisse. In: Johannes Fried, Ernst-Dieter Hehl (Hrsg.): WBG Weltgeschichte. Band 3: Weltdeutungen und Weltreligionen 600 bis 1500. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-20106-8, S. 57–83. Darin: Neue Visualisierungen des Raumes – Regional- und Portulankarten (S. 76–80); kartdok.staatsbibliothek-berlin.de (PDF).
- Uta Lindgren: Portulan. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 7. LexMA-Verlag, München 1995, ISBN 3-7608-8907-7, Sp. 122 f. (Entstehung zwischen 1150 und 1250).
- Monique de La Roncière, Michel Mollat Du Jourdin u. a.: Les Portulans: cartes marines du XIIIe au XVIIe siècle. Paris u. a. 1984, ISBN 2-09-290538-4.
- Konrad Kretschmer: Die italienischen Portolane des Mittelalters. Ein Beitrag zur Geschichte der Kartographie und Nautik. Hildesheim 1962. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1909.
- Peter Mesenburg: Portolankarten belegen hohe Kunst der Ingenieure im Mittelalter. In: Essener Universitätsberichte, 2, 1988, S. 16–21.
- Helmut Minow: Rätsel der mittelalterlichen Seekarten. In: Deutsches Schiffahrtsarchiv, 1998, 21, S. 411–428; dsm.museum (PDF; 2,3 MB).
- Rätselhafte Portolankarten. Wie und wann sind sie entstanden? 2. Auflage. Europäische Gesellschaft für Frühgeschichtliche Technologie und Randgebiete der Wissenschaft, Hohenpeißenberg 1996; DNB 960070451.
Weblinks
- Portolankarte. Spektrum.de
- Portolan chart. In: Encyclopædia Britannica. (englisch).
- Veröffentlichungen zu portolan*. In: Opac der Regesta Imperii.
- Veröffentlichungen zu portulan*. In: Opac der Regesta Imperii.
Einzelnachweise
- ↑ Francesco Attanasio: Nel 1250, ‘lo Compasso de navigare’, il più antico portolano conosciuto. 2017; saprirovinata.wordpress.com
Auf dieser Seite verwendete Medien
Portolan chart signed by Majorcan cartographer Gabriel de Vallseca, dated 1447, held by the Bibliothèque nationale de France in Paris, France.
Reproduction of Jorge de Aguiar's chart of the Mediterranean, Western Europe and African Coast (1492). Size of the original: 1030 × 770 mm.
Map made by Juan de la Cosa in 1500, first representation of the New World
Anonymous nautical chart in portolan style probably drawn in Genoa.
Covers Mediterranean Sea from the Balearic Islands to the Levantine coast; also covers western part of Black Sea.
Oldest original cartographic artifact in the Library of Congress.
Title from printed label on box in which the map is housed.
Pen-and-ink (red/green/brown).
Matted and mounted between sheets of transparent lucite.
Sheet cut into the shape of an irregular rectangle.
Imperfect: Vertically fold-lined at center, cracked, annotated in pencil on verso. Includes bar scale with unidentified divisions. The green rhumb lines on the recto are also visible on the verso. Scale [ca. 1:5,500,000].Vesconte Maggiolo, Portolankarte (1541)