Dioskuren

Dioskuren-Statuen am Ende der Treppe zum Kapitol in Rom
Rom, Tempel von Kastor und Pollux. Blick von Westen. Zeichnung von Giovanni Battista Piranesi. Mitte des 18. Jahrhunderts

Unter den Dioskuren (altgriechisch ΔιόσκουροιDióskouroi, deutsch ‚Söhne des Zeus‘) versteht man in der griechischen Mythologie die Halb- und Zwillingsbrüder Kastor und Polydeukes (ΚάστωρKástōr und ΠολυδεύκηςPolydeúkēs). Häufig werden sie mit ihren lateinischen Namen Castor und Pollux bzw. Kastor und Pollux genannt, in welcher Form sie darüber hinaus Namensgeber eines hellen Sternpaares im Wintersternbild der Zwillinge sind. Ihr zweiter Hauptname Tyndariden, der in älterer Zeit und namentlich am ursprünglichen Sitz ihres Kultus, in Lakonien, der wichtigste gewesen zu sein scheint, bezeichnet sie als Söhne des Tyndareos.[1]

Indogermanisches Erbe

Die Dioskuren werden in der vergleichenden Religionswissenschaft als indogermanisches Erbe betrachtet und mit den altindischen Ashvins sowie den baltischen Dieva dēli verglichen.

Sterblichkeit und Unsterblichkeit

Polydeukes, der Faustkämpfer, war der Sohn von Leda und Zeus, der sie in Gestalt eines Schwans verführt hatte. Über Kastors Abstammung herrschte unter den Griechen Uneinigkeit. Für die einen galt er als der Sohn der Leda und ihres Gatten Tyndareos und wurde in derselben Nacht wie Polydeukes gezeugt. Da sie in derselben Nacht empfangen wurden, sind sie Zwillinge und unzertrennlich, allerdings war Polydeukes als Zeus’ Sohn ein Halbgott, Kastor, der Rossebändiger, aber ein Sterblicher. Für die anderen war Kastor wie sein Bruder ebenfalls ein Sohn des Zeus. Oft werden jedoch beide ihrem Namen entsprechend als Söhne des Zeus bezeichnet, die beide unsterblich gewesen seien und mit Helena, ihrer Schwester und ebenfalls einer Tochter des Zeus, aus einem Ei oder als Brüderpaar aus einem zweiten Ei gesprungen seien. Sie gelten als der Stolz Spartas. Als Geburtsort wird das bei Sparta gelegene Therapne genannt.[2]

Beide nahmen an der Fahrt des Iason und der Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies teil. Sie begleiteten Herakles auf dem Weg zu den Amazonen.

Das Ende der Dioskuren wurde durch einen von Kastor vom Zaun gebrochenen Streit mit seinem Cousin Idas eingeleitet. Idas erschlug (den sterblichen) Kastor, daraufhin tötete Polydeukes Idas’ Bruder Lynkeus. Zeus griff ein, indem er Idas mit einem Blitz vernichtete. Der – aufgrund seiner Abstammung – unsterbliche Polydeukes trauerte fortan um seinen Bruder. Er bat seinen Vater, er möge ihm die Unsterblichkeit nehmen, um zu seinem Bruder in das Totenreich gehen zu können.

Gerührt von so viel Liebe, ließ Zeus seinen Sohn wählen, entweder ewig jung zu bleiben und unter den Göttern zu wohnen oder mit Kastor jeweils einen Tag im unterirdischen Reich des Hades (Reich der Toten) und einen Tag im Olymp bei den Göttern zu weilen und dabei zu altern und letztlich zu sterben. Ohne zu überlegen, wählte Polydeukes die zweite Variante und wanderte von da an mit seinem Bruder zwischen dem Olymp und dem Hades.[3]

Verehrung

Als Sternbild hatten sie besondere Beziehungen zur Seefahrt und waren dort helfende Gottheiten, die man in Seenot anrief. Der Dioskurenkult verbreitete sich zunächst über die ganze Peloponnes und über das hellenistische Kleinasien, auf Samothrake (vor den Dardanellen) hatten sie ein bedeutendes Heiligtum. Auch in der etruskischen Mythologie spielten sie eine wichtige Rolle.

In Rom, wo sie der Sage nach bei der Schlacht am Regillus lacus (um 500 v. Chr.) auf Seiten der Römer gegen die Latiner eingriffen, bestand ein ausgeprägter Dioskurenkult. Auf dem Forum Romanum befindet sich ein Tempel der Dioskuren.

Römische Goldmünze (Stater) aus der Zeit 225–214 v. Chr. mit der Darstellung der Dioskuren als doppelgesichtiger Kopf

Teilweise wurden die Dioskuren auch mit den Schutzgöttern (Penaten) des römischen Volkes gleichgesetzt. Dies könnte dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass sie nach der Einführung einer geregelten römischen Münzprägung auf den Rückseiten (Reversen) der meisten Silbermünzen, vor allem der Denare, abgebildet wurden.[4] Es wurde jedoch auch vermutet, dass diese Motivwahl zusätzlich damit zusammenhängen könnte, dass in den beiden Jahren 212 und 211 v. Chr., die für die Einführung dieses Münzsystems in Frage kommen, jeweils einer der beiden Konsuln aus dem Geschlecht der Fulvier stammte, in deren Heimatstadt Tusculum sich das berühmteste Dioskuren-Heiligtum befand.[5]

Die Redensart wie Kastor und Pollux zur Bezeichnung eines unverbrüchlichen Freundespaars hat sich bis heute gehalten.[6]

Rezeption

Literatur

Weblinks

Commons: Dioskuren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bei Homer, siehe auch Georg Curtius: Grundzüge der griechischen Etymologie. 248, S. 226.
  2. Apollonios von Rhodos, Argonautika 2,163
  3. vgl. Homer, Odyssee 11,298–304
  4. Bernhard Woytek: The Denarius Coinage of the Roman Republic. In: William E. Metcalf (Hrsg.): The Oxford Handbook of Greek and Roman Coinage. Oxford University Press, Oxford/New York 2012, S. 315‒334, hier S. 325.
  5. Wilhelm Hollstein: Die Dioskuren und die Einführung des Denars. In: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte. Band 58, 2008, S. 41–63, besonders S. 51–55.
  6. Melanie Ho: „Hunger Games“-Casting: Sie sind Castor & Pollux. In: Promiflash, 25. September 2013, abgerufen am 30. Mai 2017.
  7. Harald Schulze: Es war nicht alles Gold, was glänzt. Olympia 1972: Gerhard Marcks gestaltet die Siegermedaillen. In: researchgate.net. August 2022, abgerufen am 24. November 2023.
  8. God of War Ascension (PS5) - Pollux and Castor Boss Fight (4K 60FPS). In: YouTube. Abgerufen am 24. November 2023.

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Marmorfragmente der Dioskuren mit ihren Pferden, die im Becken der Juturna-Quelle gefunden wurden. Die Skulpturen wurden gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. angefertigt und sind zur Zeit im Tempel des Romulus auf dem Forum Romanum ausgestellt.
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Roma, piazza del Campidoglio: i Dioscuri del Campidoglio all'alba. Le statue sono antico-romane (età tardoimperiale) e furono qui trasferite nel 1585.
Joseph Nollekens (1737 - 1823) Castor and Pollux front (V&A 2007) 867402916.jpg
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Joseph Nollekens (1737 - 1823) Castor and Pollux front, Victoria & Albert Museum. Castor and Pollux is a copy of an antique Roman statue. Apparently lots of sculptors made copies of it; this one is by Joseph Nollekens and is currently in the British Galleries in the V&A.
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Erhaltenes Marmorfragment, ausgestellt im Tempel des Romulus. Die Pferdefigur ist Teil einer Gruppe von Statuen, die zu den Dioskuren gehört. Das Exemplar wurde zusammen mit anderen Fragmenten im Becken der Juturna-Quelle gefunden und gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. angefertigt.
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Peter Lenk, Hölderlin im Kreisverkehr
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Siegermedaille in Gold (Goldmedaille) von den Olympischen Spielen 1972 in München. Erstmals seit 1928 wurde die Rückseite der Siegermedaillen neu gestaltet, verschiedene Künstler reichten Entwürfe ein. Das OK wählte den Vorschlag von Gerhard Marcks, einem der letzten lebenden Meister des Bauhauses. Als Motiv hatte er die Schulzpatrone der Kampfspiele und der Freundschaft, Castor und Pollux gewählt, die er als nackte Jünglinge darstellte.

Erstmals bei Olympischen Spielen ersetzte eine Kette das bisher übliche Seidenband. 90 cm lang wurden Ankerglieder aus 7,5 mm dickem Messing-Material aneinandergefügt und über eine Öse an die Medaille angeschraubt. Sie wurden je nach dem Farbton der Medaille bronziert, versilbert oder vergoldet.

Zum ersten Mal wurden auf dem Medaillenrand der Wettbewerb, der volle Name des Siegers und seine Nationalität eingeprägt, insgesamt wurden 1109 Medaillen hergestellt.