Polarring-Galaxie

Die 600 Millionen Lichtjahre entfernte Polarring-Galaxie Hoags Objekt

Eine Polarring-Galaxie ist ein seltener Galaxientyp, der durch die Verschmelzung zweier Galaxien entsteht.

Einordnung

Polarring-Galaxien zählen – wie Gezeitenarm-Galaxien, andere wechselwirkende Galaxien und Zwerggalaxien – zu den Sonderformen von Galaxien bezüglich der Gestalt. Sie bestehen aus einem zentralen länglichen Objekt und einem Ring oder einer Scheibe von Sternen, die sich senkrecht zu diesem Objekt erstrecken, also ‚über den Pol‘ der von der Seite gesehenen Scheibe des zentralen Objekts verlaufen. Die zentralen Objekte sind meist linsenförmig vom Typ S0 in der Hubble-Sequenz, aber auch elliptische oder Spiralgalaxien kommen als Zentralobjekte vor. Auch die Rotationsachsen des zentralen Objektes und der Ringstruktur stehen nahezu senkrecht aufeinander. Anders geartete Galaxienformen mit Ringstrukturen sind Ringgalaxien und manche Balkenspiralgalaxien, im Einzelfall kann die Unterscheidung manchmal schwierig sein.

Bis heute wurden nur etwa 100 Polarring-Galaxien entdeckt. Es gibt Untertypen mit einem großen eher kugelförmigen zentralen Objekt. Sie werden Saturn-Typ genannt. Eine gegensätzliche Variante wird Floppy-Typ oder Sombrero-Typ genannt (siehe Bild NGC 4650A). Bei dieser Ausprägung ist der Ring verhältnismäßig größer und schwerer.

Nach heutigen Erkenntnissen besitzt auch die Milchstraße einen kleinen, aus Gaswolken bestehenden und zu ihrer Rotationsebene senkrecht orientierten Ring. Allerdings ist die Masse dieses Rings sehr gering und genügt damit nicht den Kriterien für eine Einordnung als Polarring-Galaxie.

Entstehung

Bei der Entstehung einer Galaxie aus Gas in einem einzigen Kollapsvorgang würde sich eine Gasscheibe mit einer bevorzugten Drehrichtung herausbilden, am Kollaps teilnehmende Gaswolken mit anderem Umlaufsinn würden durch Zusammenstöße dem allgemeinen Drehsinn angeglichen. Eine Entstehung in einem Zug von Polarring-Galaxien mit ihrer zueinander senkrechten Rotation von Ring und Zentralgalaxie ist daher unwahrscheinlich.

Polarring-Galaxien werden deshalb als Resultat einer nachträglichen Verschmelzung zweier Galaxien gesehen. In der heutigen Kosmologie nimmt man an, dass Galaxien 'hierarchisch' aus kleineren Einheiten entstehen und immer wieder verschmelzen. Je nach Eigenschaften der beiden verschmelzenden Galaxien und ihrer relativen Bahn können sich dabei Endprodukte sehr verschiedener Eigenschaften bilden, unter günstigen Bedingungen kann sich aber bei einer Verschmelzung das Gas einer kleineren Galaxie statt völlig von der größeren aufgenommen zu werden in eine stabile Bahn senkrecht zur Scheibe der massereicheren Zentralgalaxie setzen und so eine Polarring-Galaxie bilden.

Bekannte Polarring-Galaxien

NGC 4650A

NGC 4650A – Eine Polarring-Galaxie des Untertyps Floppy/Sombrero

Eine der am besten untersuchten Polarring-Galaxien ist NGC 4650A in 150 Millionen Lichtjahren Entfernung. Diese Galaxie wird oft als Prototyp der Klasse angesehen. Der zentrale Teil enthält ältere gelbliche Sterne, fast senkrecht dazu rotiert ein wesentlich größerer Ring (eigentlich eher eine weite Scheibe als ein dünner Ring) mit jüngeren blauen Sternen.

Hoags Objekt

Die 600 Millionen Lichtjahre entfernte Polarring-Galaxie Hoags Objekt im Sternbild Schlange wurde 1950 von dem Astronomen Art Hoag entdeckt. Sie hat einen stabilen und gut ausgeprägten Ring mit vielen heißen Sternen. Der Radius des Ringes beträgt etwa 120.000 Lichtjahre. Das Zentrum enthält viele ältere Sterne und hat eine Kugelform.

Nach der Entdeckung dieser damals unbekannten Art von Galaxie vermutete der Entdecker eine optische Täuschung durch eine Gravitationslinse als Erklärung für ihre ungewöhnliche Gestalt. Da für das zentrale Objekt und den Ring später die gleiche Rotverschiebung gemessen wurde, kommt diese Erklärung nicht mehr in Frage. Außerdem zeigten sich bald durch bessere Teleskope die Ballungen im Ring, welche nicht durch eine Gravitationslinse entstehen konnten.

Bis heute ist noch nicht eindeutig geklärt, ob Hoags Objekt eine aus ungewöhnlicher Richtung gesehene Polarring-Galaxie ist. Frühere Theorien schlugen auch eine Entwicklung aus einer instabilen Balkenspiralgalaxie vor. Die Kugelform des Zentrums sprach allerdings dagegen, da Balkenspiralen flache Zentren haben. Da es sich um ein stabiles Gebilde handelt, vermutet man heute auch hier einen Zusammenstoß von Galaxien. Da dieser sich vermutlich schon vor zwei oder drei Milliarden Jahren ereignet hat, ist er nur noch schwer nachzuweisen.

Polarring-Galaxien und Dunkle Materie

Eines der ersten Anzeichen für die Existenz Dunkler Materie waren die Rotationskurven von Spiralgalaxien. Die hohen Umlaufgeschwindigkeiten bei großer Entfernung vom Kern sind allein durch die sichtbare Materie nicht erklärbar. Aus den Rotationskurven in der Scheibe einer Galaxie kann man aber nicht entnehmen, wie der Halo dunkler Materie senkrecht zur Ebene der Galaxie verteilt ist. Polarring-Galaxien ermöglichen im Prinzip eine Messung dieser Verteilung, da die senkrecht zur Galaxie umlaufende Materie des Rings die notwendigen ‚Testteilchen‘ zur Verfügung stellt. In der Praxis ist aber die Analyse dieser Messungen schwierig, so dass noch kein klares Bild entstanden ist, wie rund, abgeplattet oder elongiert dieser dunkle Halo ist.

Quellen

Weblinks

Auf dieser Seite verwendete Medien

NGC 4650A I HST2002.jpg
A Hubble Space Telescope (HST) image of NGC 4650A. Space Telescope Science Institute astronomers are giving the public chances to decide where to aim NASA's Hubble Space Telescope. Guided by 8,000 Internet voters, Hubble has already been used to take a close-up, multi-color picture of the most popular object from a list of candidates, the extraordinary "polar-ring" galaxy NGC 4650A.

Located about 130 million light-years away, NGC 4650A is one of only 100 known polar-ring galaxies. Their unusual disk-ring structure is not yet understood fully. One possibility is that polar rings are the remnants of colossal collisions between two galaxies sometime in the distant past, probably at least 1 billion years ago. What is left of one galaxy has become the rotating inner disk of old red stars in the center. Meanwhile, another smaller galaxy which ventured too close was probably severely damaged or destroyed.

The bright bluish clumps, which are especially prominent in the outer parts of the ring, are regions containing luminous young stars, examples of stellar rebirth from the remnants of an ancient galactic disaster. The polar ring appears to be highly distorted. No regular spiral pattern stands out in the main part of the ring, and the presence of young stars below the main ring on one side and above on the other shows that the ring is warped and does not lie in one plane. Determining the typical ages of the stars in the polar ring is an initial goal of our Polar Ring Science Team that can provide a clue to the evolution of this unusual galaxy. The HST exposures were acquired by the Hubble Heritage Team, consisting of Keith Noll, Howard Bond, Carol Christian, Jayanne English, Lisa Frattare, Forrest Hamilton, Anne Kinney and Zolt Levay, and guest collaborators Jay Gallagher (University of Wisconsin-Madison), Lynn Matthews (National Radio Astronomy Observatory-Charlottesville), and Linda Sparke (University of Wisconsin-Madison).
Hoag's object.jpg
A nearly perfect ring of hot, blue stars pinwheels about the yellow nucleus of an unusual ring galaxy known as Hoag's Object. This image from NASA's Hubble Space Telescope captures a face-on view of the galaxy's ring of stars, revealing more detail than any existing photo of this object. The image may help astronomers unravel clues on how such strange objects form.

The entire galaxy is about 120,000 light-years wide, which is slightly larger than our Milky Way Galaxy. The blue ring, which is dominated by clusters of young, massive stars, contrasts sharply with the yellow nucleus of mostly older stars. What appears to be a "gap" separating the two stellar populations may actually contain some star clusters that are almost too faint to see. Curiously, an object that bears an uncanny resemblance to Hoag's Object can be seen in the gap at the one o'clock position. The object is probably a background ring galaxy.

Ring-shaped galaxies can form in several different ways. One possible scenario is through a collision with another galaxy. Sometimes the second galaxy speeds through the first, leaving a "splash" of star formation. But in Hoag's Object there is no sign of the second galaxy, which leads to the suspicion that the blue ring of stars may be the shredded remains of a galaxy that passed nearby. Some astronomers estimate that the encounter occurred about 2 to 3 billion years ago.

This unusual galaxy was discovered in 1950 by astronomer Art Hoag. Hoag thought the smoke-ring-like object resembled a planetary nebula, the glowing remains of a Sun-like star. But he quickly discounted that possibility, suggesting that the mysterious object was most likely a galaxy. Observations in the 1970s confirmed this prediction, though many of the details of Hoag's galaxy remain a mystery.

The galaxy is 600 million light-years away in the constellation Serpens. The Wide Field and Planetary Camera 2 took this image on July 9, 2001.