Phallus
Als Phallus (latinisierte Form des griechischen φαλλός phallós) bezeichnet man insbesondere in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen den erigierten Penis des Menschen. Der Phallus gilt seit Jahrtausenden als Symbol für Kraft und Fruchtbarkeit.
Kultische Verehrung
Die kultische Verehrung des Phallus ist in allen Teilen der Welt bezeugt. Aus Nordeuropa sind jungsteinzeitliche Felszeichnungen von Figuren mit erigiertem Glied erhalten, die eine kultische Bedeutung des Phallus nahelegen. Menhire werden ebenfalls als Phallussymbole eines Fruchtbarkeitskults gedeutet. Im Jahr 2004 wurde der Phallus von Schelklingen im Alb-Donau-Kreis in Baden-Württemberg gefunden, dessen Alter auf ungefähr 28.000 Jahre geschätzt wurde.[1]
In Ägypten weist vor allem der Fruchtbarkeitsgott Min eine phallische Symbolik auf.
Im antiken Griechenland wird der Phallus vor allem mit Dionysos und Demeter in Verbindung gebracht, so dass er hier eine eindeutige Fruchtbarkeitssymbolik hat. Ebenfalls in Griechenland sowie später im Römischen Reich wurden im Zusammenhang mit dem Kult des Priapos große Statuen mit enormen, erigierten Gliedern aufgestellt. Als Ithyphallus wird die stark vergrößerte Nachahmung des Phallus bezeichnet; hauptsächlich in der griechischen Antike. Sie ist ein Fruchtbarkeitssymbol und schon in den ältesten Kulturen bekannt.[2]
Im Hinduismus ist der Phallus unter dem Namen Linga ein Symbol des Gottes Shiva. Es ist unter Religionswissenschaftlern strittig, ob hier nicht die Symbolik eines prähinduistischen Steinkultes hereinwirkt; die steinerne Lingaform demnach ursprünglich nicht spezifisch als Phallus, sondern allgemein als magischer Ort oder Götterwohnsitz verehrt wurde.
Einige Völker in Südäthiopien (wie Burji, Hamar und Konso) trugen bei bestimmten traditionellen Zeremonien einen phallusartigen hölzernen Gegenstand (Oromo kallacca, auch kallačča) auf der Stirn, der als Überträger kosmischer oder spiritueller Energie fungieren sollte. Durch ethnologische Beschreibungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist dieses Objekt als Phallussymbol in die wissenschaftliche Literatur eingegangen und wird heute auch von seinen Trägern als solches verstanden. In der zugeschriebenen Bedeutung können die mittlerweile zum Christentum bekehrten Völker die kallacca besser an Touristen verkaufen.[3]
Zuweilen hatte der Phallus als Fascinum auch abergläubische Bedeutung als Schutz gegen den „Bösen Blick“ oder auch eine rein sexuelle Symbolik: Im Pompeji des 1. Jahrhunderts war er teilweise ein Wegweiser zu Bordellen.
Gläubige des Shintoismus feiern am Sonntag um den 15. März das Fruchtbarkeitsfest Hōnen-Matsuri in Komaki mit großen Phallussymbolen. Die Shintogötter werden um reiche Ernte, Wohlstand und gesunde Nachkommenschaft gebeten. Ein weiteres Fruchtbarkeitsfest ist das Kanamara-Matsuri in Kawasaki.[4]
Rezeption
Dem Phallus als dialektischem Zeichen (Signifikant) des Körpers kommt in der Psychoanalyse von Jacques Lacans eine besondere Bedeutung zu. Die Dialektik liegt hier in der Einheit des „Erhabenen“ (der Zeugung) und des „Niederen“ (dem Urinieren). Der Phallus bezeichnet hier nicht das Organ, sondern steht als Zeichen für den Ausgleich des Mangels im Symbolischen (vgl. auch Kastration, Kastrationsangst, Penisneid).
Dem Thema Phallus widmet sich das Isländische Phallusmuseum (isl. Hið Íslenzka Reðasafn) in Reykjavík, ebenso der Haesindang Park in Südkorea.
Literatur
- Hans Bonnet: Phallus, in: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Nikol Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-937872-08-6, S. 590–592.
- Hans Herter: Phallos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XIX,2, Stuttgart 1938, Sp. 1681–1748.
Weblinks
- Rolf Nemitz: Lacans Begriffe: der Phallus auf der Seite lacan-entziffern.de
Einzelnachweise
- ↑ Archäologie: Harte Tatsachen aus der Steinzeit, stern.de, 26. Juli 2005, abgerufen am 15. Dezember 2013.
- ↑ Phallus im Lexikon von wissen.de
- ↑ Hermann Amborn: The Phallsification of the Kallačča: or, Why sometimes a Cigar is a Cigar. In: Svein Ege, Harald Aspen u. a. (Hrsg.): Proceedings of the 16th International Conference of Ethiopian Studies. Trondheim 2009 (englisch).
- ↑ Japaner feiern Honen-Fest mit Riesenphallus, ORF.at, 15. März 2015.
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Statue of an ithyphallic Satyr, Silenus, at Athens Archaeological Museum.
From the sanctuary of Zeus Dodona. Second half of the 6th century B.C.
Corinthian workshopUntitled, nicknamed "Priapus with Caduceus", "Priapus-Mercury", or erroneously "Well-endowed Mercury": a character with the beard and giant erect phallus of Priapus is walking away with the caduceus and winged sandals of Mercury (supposedly, the humour was to see Priapus thieving the god of thieves, but both are gods of fertility and abundance). Anonymous fresco in Pompeii, between 89 BC and 79 AD. Museo Archeologico Nazionale (Naples), Italia.
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Phallus set in a small temple (carved of tuff), from Pompeii, c.1-50 AD
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Egyptian limestone stele depicting Qetesh standing on a lion and wearing the headdress of Hathor, flanked by Min (left) and Resheph (right)