Orsay (Modeunternehmen)

Orsay GmbH

RechtsformGmbH
Gründung1975
SitzWillstätt, Deutschland
LeitungSascha Bopp
Mitarbeiterzahl1.247[1]
Umsatz373,15 Mio. EUR[1]
BrancheEinzelhandel
Websitewww.orsay.com
Stand: 31. Dezember 2019

Die Orsay GmbH mit Sitz im baden-württembergischen Willstätt ist ein 1975 gegründetes deutsches Modehandelsunternehmen der französischen Mulliez-Gruppe. Es ist die Hauptgesellschaft der international aktiven Fast-Fashion-Modemarke ORSAY.[1] Die auf Mode für junge Frauen spezialisierte, vertikal organisierte Handelskette umfasst weltweit über 720 Geschäfte und mit über 5000 Angestellten.[2]

Orsay-Geschäft in Brno 2008

Geschichte

Gründung und Wachstum mit junger Fast Fashion

Zur Gründung 1975 existierten in Deutschland 35 Filialen, die erste in Karlsruhe. 1989 wurde die 100. Filiale eröffnet.[3]

Jean-Marc Willer, zunächst Einkäufer und ab 1992 Geschäftsführer, optimierte die Quick Response des Unternehmens und ließ die Kollektionen alle zwei Wochen überarbeiten (Fast Fashion). Ebenfalls 1992 eröffnete das Unternehmen neben seiner Zentrale in Eckartsweier einen weiteren Lager- und Bürostandort in Sand. Bis 1996 stieg die Zahl der Geschäfte auf 180, darunter 15 in Österreich und acht in Frankreich. Verkauft wurden überwiegend Eigenmarken, die von Produzenten aus Europa und Nordafrika stammten.[4][5] 1998 wurde der Orsay-Online-Shop eröffnet.[3] Unter dem Namen O-Spirit wurde im gleichen Jahr eine Kosmetiklinie eingeführt.[6] Das Unternehmen expandierte in zahlreiche europäische Länder (Niederlande, Tschechien, Polen, Schweiz und Luxemburg), die Ware wurde über die Distributionszentren in Eckartsweier und Sand disponiert. Etwa die Hälfte der Designs im Sortiment, das nun vollständig unter der Marke Orsay vertrieben wurde, kam vom Orsay selber.[7]

Die Lager in Willstätt wurden 2001 nochmal erweitert,[8] im Geschäftsjahr 2001/02 erzielte das Unternehmen mit 372 Läden europaweit 520 Mio. Euro Umsatz.[9] Schwerpunkt der Expansion wurde in den nächsten Jahren Mittelosteuropa: In Breslau entstand eine neue Zentrale, die ab 2004 neben den 48 Filialen in Polen auch die Läden in Tschechien und Ungarn belieferte.[10] In Deutschland, dem weiter wichtigstem Markt, wurde das Filialnetz nur noch leicht aus- und umgebaut. Zum Ende des Gaschäftsjahres 2004/05 gab es hier 255 Standorte, zusätzlich noch 16 in Österreich. Außerdem gingen im September 2005 alle 20 polnischen Pimkie-Filialen an Orsay.[11]

Stilwechsel und Verlagerung nach Osteuropa

Ab 2005 positionierte Orsay sich stilistisch um, statt Teenagern sollten nun eher junge Frauen angesprochen werden. Die Entscheidung soll aus dem Mutterkonzern gekommen sein, um die Marken Orsay und Pimkie besser abzugrenzen.[12] Bis 2006 zog sich das Unternehmen aus Benelux, Frankreich, Italien und Dänemark zurück. Gleichzeitig sollte die Expansion in weitere Länder Osteuropas mit Partnern forciert werden.[13] In Deutschland führte die Neuausrichtung zu schrumpfenden Umsätzen. 2007 wurde hier erstmals ein Verlust erwirtschaftet. International blieb das Unternehmen profitabel, erzielte 360 Mio. Euro Umsatz und expandierte weiter nach Osteuropa.[12]

Ende April 2008 beschloss das Unternehmen, in Willstätt 250 Menschen zu entlassen. Die Logistik wurde schrittweise komplett nach Breslau verlagert und der Standort in Eckartsweier ganz aufgegeben. In Willstätt-Sand verblieb nur die Geschäftsführung und ein kleiner Teil des Einkaufs.[14][15] 2010 ersetzte Matthias Klein Willer als Geschäftsführer.[16] In Deutschland ging der Umsatz in den nächsten Jahren weiter zurück, insgesamt stagnierte er. Man fokussierte sich ab 2012 mehr auf Frauen zwischen 30 und 40 Jahren, dazu wurde die Kölner Filiale als erste neu gestaltet. International beschäftigte die Kette zu dieser Zeit 4300 Menschen und umfasste 612 Läden. Davon wurden etwa 50 von Franchisenehmern betrieben.[17]

(c) Daniel Strauch / Orsay GmbH, CC BY-SA 4.0
neu gestalteter Orsay-Shop in Essen 2015

Im Oktober 2014 startete Orsay ein Click-and-Collect-Angebot[18] und eine Shopping-App. Die Umsätze in Deutschland stiegen wieder leicht, international wurden 445 Mio. Euro umgesetzt. 2015 eröffnete die Kette erste Shop-in-shops in zwei Standorten von Modepark Röther. Das Unternehmen siedelte den Einkauf wieder in Willstätt an, die Waren wurden zur einen Hälfte aus Fernost, zur anderen aus der Türkei und Nordafrika bezogen. International expandierte das Unternehmen weiter, etwa mit einem Geschäft in Dubai.[19] Wichtigste Absatzländer waren 2016 Deutschland (40 %) und Polen (etwa 20 %).[20] Das Unternehmen konzentrierte sich auf eine starke Kundenbindung, Omnichannel-Vertrieb und setzte 2018 zum ersten Mal Influencer-Marketing ein, für das es Kim Hnizdo und Jessica Mercedes Kirschner engagierte.[21] Seit 2019 verkauft Orsay auch über Online-Marktplätze. Der Umsatz stieg im gleichen Jahr auf 490 Mio. Euro, davon etwa 22 % online.[22]

Schließungen in der COVID-19-Pandemie

Während der COVID-19-Pandemie veranstaltete Orsay Ende Mai 2020 erstmals Livestream-Shopping.[23] Am 25. Juli 2020 wurde bekannt, dass alle elf Schweizer Filialen ohne Vorankündigung geschlossen werden.[24] Bis Oktober 2020 schloss Orsay in Folge der Pandemie insgesamt 50 Läden. Besonders in Osteuropa befanden sich fast alle Filialen in Einkaufszentren, wo die Frequenzen besonders stark zurückgingen.[22] Zum Jahresanfang 2021 übernahm Sascha Bopp die Unternehmensleitung.[25]

Im Sommer 2021 bekam die deutsche Orsay GmbH einen Kredit des staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds, begab sich aber im 26. November 2021 in ein Schutzschirmverfahren. Seit dem 26. Januar 2022 befindet sie sich in der Insolvenz in Eigenverwaltung[26] und schließt mindestens 79 Filialen, wie im Februar öffentlich wurde. Über 200 Beschäftigte sollen entlassen werden.[27]

Produkte und Vertrieb

Die Handelskette vertreibt Damenoberbekleidung und Accessoires, wie Schuhe und Schmuck.[28] Das Unternehmen beschreibt seinen Stil als jung und feminin, bei niedrigen Preisen.[29] Die Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern verglich 2010 mittels Umfragen und Internetrecherchen bei 77 Modelabels die Standards der Arbeitsbedingungen in Produktionsländern. Orsay wurde dabei in die zweitschlechteste Kategorie „Nachlässige“ von fünf Kategorien eingestuft.[30] Seit 2011 verzichtet Orsay auf die Sandstrahlen-Technik bei der Bekleidungs-Produktion.[31]

Die Produkte werden mittels einer Multichannel-Strategie vertrieben. Sie sind in den Shops des stationären Einzelhandels, im eigenen Online-Shop und auf Online-Marktplätzen verfügbar. Besonders bei Orsay ist die starke Kundenbindung, vor allem durch den sogenannten Orsay Club.[26]

Der Großteil der Orsay-Geschäfte wird in Eigenregie geführt, es gibt aber auch einige Orsay-Geschäfte, die durch Franchisepartner betrieben werden.[32] Orsay-Geschäfte gibt es in Mittel- und Osteuropa sowie in einigen asiatischen Ländern.

Seit 2002 gibt es im polnischen Breslau eine Orsay-Zentrale für Mittel- und Osteuropa.[33] In Bielany Wrocławskie befindet sich heute das Distributionszentrum von Orsay.[2][34]

Villa Filou

Die zweisprachige Kindertagesstätte Villa Filou ist 2005 aus einer Elterninitiative von Mitarbeitern der Firma Orsay entstanden und wird vom Unternehmen unterstützt.[35]

Weblinks

Commons: Orsay (company) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Jahresabschluss zum 31. Dezember 2019 im elektronischen Bundesanzeiger
  2. a b Daten und Fakten. In: orsay.com. Abgerufen am 6. Februar 2022.
  3. a b Geschichte. In: orsay.com. Abgerufen am 9. Februar 2022.
  4. cs: Wo ein Willer ist, ist auch ein Weg. In: Textilwirtschaft (Zeitschrift). Nr. 12, 21. März 1996, S. 104.
  5. cs: Ziel in Deutschland sind 250 Läden. In: Textilwirtschaft (Zeitschrift). Nr. 12, 21. März 1996, S. 16.
  6. la: Orsay kommt mit Kosmetikserie. In: Textilwirtschaft (Zeitschrift). Nr. 48, 26. November 1998, S. 10.
  7. la: Orsay wächst verstärkt außerhalb Deutschlands. In: Textilwirtschaft (Zeitschrift). Nr. 15, 15. April 1999, S. 9.
  8. Ulrike Beer: Orsay steigert Expansionstempo. In: Textilwirtschaft. Nr. 8, 22. Februar 2001, S. 10.
  9. Angela Kreutz: Orsay rückt in Mittelstädte vor. In: Textilwirtschaft. Nr. 13, 28. März 2002, S. 10.
  10. Jörg Nowicki: Orsay plant neue Läden und NoBoys-Shops. In: Textilwirtschaft. Nr. 19, 6. Mai 2004, S. 12.
  11. Jörg Nowicki: Pimkie, Orsay: Neue Märkte, neue Strukturen. Nr. 25, 23. Juni 2005, S. 12.
  12. a b Jörg Nowicki: Die Nachwehen der französischen Revolution. In: Textilwirtschaft. Nr. 9, 26. Februar 2009, S. 24.
  13. Jörg Nowicki: Abschied von der Tussi. In: Textilwirtschaft. Nr. 22, 1. Juni 2006, S. 22.
  14. Rüdiger Klausmann: Willstätt: Orsay entlässt 250 Mitarbeiter. In: Baden Online. 29. April 2008, abgerufen am 6. Februar 2022.
  15. Jörg Nowicki: Von Willstätt nach Wroclaw. In: Textilwirtschaft. Nr. 18, 1. Mai 2008, S. 6.
  16. Bettina Maurer: Mit Orsay in die Offensive. Nr. 38, 23. September 2010, S. 86.
  17. Bettina Maurer: Orsay will die Frauen. In: Textilwirtschaft. Nr. 14, 5. April 2012, S. 24–25.
  18. Jörg Nowicki: Orsay startet mit Click & Collect. (Nicht mehr online verfügbar.) In: TextilWirtschaft. 24. September 2014, archiviert vom Original am 3. Februar 2016; abgerufen am 6. August 2015.
  19. Ulrike Wollenschläger: Orsay: Alles für Julia. In: Textilwirtschaft. Nr. 41, 8. Oktober 2015, S. 26–27.
  20. Christel Wickerath: Mehr Omni, mehr Orsay. In: Textilwirtschaft. Nr. 13, 30. März 2017, S. 28–29.
  21. Christel Wickerath: Ziemlich beste Freundinnen. In: Textilwirtschaft. Nr. 39, 27. September 2018, S. 24–25.
  22. a b Ulrike Wollenschläger: „Online-Retailer mit Stores“. In: Textilwirtschaft. Nr. 44, 29. Oktober 2020, S. 20–23.
  23. Weixin Zha: Shoppen via Livestream: Modehändler Orsay probiert erstmals neuen Kanal aus. In: fashionunited.de. 13. Mai 2020, abgerufen am 9. Februar 2022.
  24. Orsay schliesst sämtliche Filialen. In: BaZ. Abgerufen am 27. Juli 2020.
  25. Von Antritten und Abgängen. In: Textilwirtschaft. Nr. 52, 24. Dezember 2020, S. 4–5.
  26. a b Hagen Seidel, Ulrike Wollenschläger (Mitarbeit): Klarheit bis Ende Februar? In: Textilwirtschaft (Zeitschrift). Nr. 4, 27. Januar 2022, S. 26.
  27. Sebastian Feurer: Folgen der Pandemie: Mode-Riese schließt in Deutschland zahlreiche Filialen. In: chip.de. 24. Februar 2022, abgerufen am 24. Februar 2022.
  28. Orsay.com About Us Facts & Figures. Abgerufen am 6. August 2015.
  29. über uns. In: orsay.com. Abgerufen am 6. Februar 2022.
  30. tagesanzeiger.ch Hippe Label – unfaire Produktion. Abgerufen am 6. August 2015.
  31. Anke Prokasky: Auch Orsay will auf Sandstrahl-Technik verzichten. (Nicht mehr online verfügbar.) In: TextilWirtschaft. 11. Juni 2011, archiviert vom Original am 3. Februar 2016; abgerufen am 6. August 2015.
  32. wer-zu-wem.de Orsay Firmenprofil. Abgerufen am 6. August 2015.
  33. Orsay.com About Us History. Abgerufen am 6. August 2015.
  34. Bernd Maienschein: Orsay nutzt Fördertechnik von AMI im Osteuropa-Zentrallager. In: mm-logistik.de. 24. November 2010, abgerufen am 9. Februar 2022.
  35. »Villa Filou« in Willstätt feiert zehnjähriges Bestehen. In: Baden Online. 27. Juni 2015, abgerufen am 3. Februar 2016.

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(c) Daniel Strauch / Orsay GmbH, CC BY-SA 4.0
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