Orgelbau Andreas Schmidt

Orgelbau Andreas Schmidt ist ein deutsches Orgelbauunternehmen in Gelnhausen und seit 1969 in Linsengericht (Hessen), dessen Tradition auf die Orgelbauerfamilie Ratzmann zurückgeht.

Firmengeschichte

Georg Franz Ratzmann (1771–1846) ist der Begründer einer Orgelbauerdynastie, die über drei Generationen Orgeln in Thüringen und Hessen baute.[1] Der Sohn Wilhelm August Ratzmann (1812–1880) zog 1839 nach Gelnhausen und eröffnete dort um 1841 eine Werkstatt, die nach seinem Tod von den Söhnen Wilhelm Ratzmann (1846–1911) und Anton August Ratzmann (1852–1928) unter dem Namen „Gebr. Ratzmann“ in dritter Generation fortgeführte wurde. Nach Wilhelms Tod verkaufte die Witwe die Werkstatt an Richard Schmidt.[2]

Richard Schmidt (* 18. April 1889 in Aubstadt; † 1951 Gelnhausen) erlernte nach einer Schreinerlehre den Orgelbau bei Georg Friedrich Steinmeyer. Nach der Gesellenprüfung folgte 1921 die Meisterprüfung. Unter seiner Leitung firmierte die Werkstatt ab 1921 unter dem Namen „W. Ratzmann, Orgelbauanstalt, Inh. Rich. Schmidt“, um einen bewussten Neuanfang zu markieren.[3] Ab 1929 nutzte er die Räume seines Schwiegervaters Franz Haupt, Mühlenbaumeister in Gelnhausen. Die Bebauung eines erworbenen Grundstücks wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhindert.[4]

Sein Sohn Bernhard (* 31. Mai 1930 in Gelnhausen; † 10. Juni 2021 in Gelnhausen) brach 1945 seine Lehre bei Haupt ab, um den Orgelbau im väterlichen Betrieb zu erlernen. Nach Abschluss der Gesellenprüfung begann er ein Maschinenbaustudium in Frankfurt, führte ab 1952 aber den Orgelbaubetrieb unter eigenem Namen fort.[5] 1954 schloss er die Meisterprüfung in Frankfurt ab. Zunächst entstanden kleinere Neubauten mit elektropneumatischer Traktur und Umbauten. Aus Platzgründen erwarb er 1969 ein Baugrundstück im benachbarten Altenhaßlau und ließ dort eine Halle für die neue Werkstatt errichten, in der etwa 60 Orgeln mit mechanischer Traktur gebaut wurden. Noch in der alten Werkstatt entstand 1967 sein größtes Werk, die Hauptorgel der Marienkirche Gelnhausen hinter dem Prospekt von Ratzmann.[6] Hobbymäßig sammelte er Kirchturmuhren aus fünf Jahrhunderten und publizierte seine Erkenntnisse.[7]

Andreas Schmidt (* 1963 in Gelnhausen), Sohn von Bernhard Schmidt, absolvierte die Orgelbaulehre im elterlichen Betrieb. Die sechs Wanderjahre führten ihn unter anderem zu Hubert Sandtner und Gerald Woehl.[5] Seit 1994 leitet er das Traditionsunternehmen. Neben Neubauten restauriert und rekonstruiert er historische Orgeln, unter denen die Werke von der Familie Ratzmann und Oestreich einen besonderen Raum einnehmen.[8]

Werkliste (Auswahl)

Richard Schmidt

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1926SchondraSt. AnnaII/P20Neubau; nicht erhalten
1930KirchhainStadtkirche Kirchhain
II/P25Neubau hinter Prospekt von Johann Andreas Heinemann (1751–1753)
1931Frankfurt am MainDreifaltigkeitskircheII/P10Neubau; 1944 zerstört
1932WeichersbachEv. KircheII/P10Neubau

Bernhard Schmidt

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1956HohensolmsEvangelische KircheII/P13Neubau; 1980 ersetzt[9]
1961HainstadtSt. WendelinusII/P21Neubau
1963GedernEvangelische KircheII/P25Neubau[10]
1964HausenSt. PiusII/P21Neubau
1965RinderbügenEvangelische KircheI/P7Neubau im Gehäuse eines unbekannten Orgelbauers (Zuschreibung Zinck, vor 1736)[11]
1965GedernSt. PetrusII/P22Neubau
1966–1967GelnhausenMarienkirche
III/P37Neubau hinter leicht verändertem Prospekt von Wilhelm August Ratzmann (1876); 2018 ersetzt
1968Bad Soden-SalmünsterSt. Peter und PaulII/P24Neubau
1972Bad BrückenauSt. BartholomäusII/P26Neubau; 2009 ersetzt
1973NiederkleinSt. Blasius und St. Elisabeth
II/P17Neubau
1972Roßdorf (Bruchköbel)Evangelische KircheII/P12Neubau[12]
1974NiedersteinbachSt. WendelinII/P20Neubau
1977Kassel (Biebergemünd)Ev. KircheII/P20Neubau
1977MardorfSt. Hubertus
© Emha/Wikimedia Commons/CC-BY-SA-3.0
II/P24Neubau hinter Prospekt von Friedrich Helbig (1858–1862) und unter Einbeziehung von einigen älteren Registern (teils von Daniel Mütze, 1720)
1978ObertshausenSt. Thomas MorusII/P25Neubau
1980RockenhausenEv. KircheII/P20Neubau im historischen Gehäuse
1982Stockheim (Glauburg)St. Judas Thaddäus
I/P7
1982OrtenbergChristkönigI/P8Neubau[13]
1986GelnhausenPeterskircheII/P24

Andreas Schmidt

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1995GeiselbachSt. Maria MagdalenaII/P16Restaurierung der Orgel von Michael Weise (1948)
1997WenkbachWehrkirche WenkbachI/P8Neubau
1997JohannesbergSt. Johannes EnthauptungII/P20Restaurierung der Orgel von Willibald Siemann (1923)
1998AltenhaßlauMartinskircheII/P20Neubau in historisierendem Gehäuse[14]
1999NeunkirchenSt. Peter und PaulII/P20Restaurierung der Orgel von Martin Joseph Schlimbach (1913)
2000MarbornSt. MarienII/P17Neubau
2001LohrhauptenSt. Matthäus
II/P16Teilrestaurierung der Orgel von G. F. Steinmeyer & Co. (1904)
2004BieberUntere Kirche
II/P14Neubau unter Einbeziehung von 6 Registern der Gebr. Ratzmann (1890) und Gehäuseresten von Peter Schleich (Zuschreibung)
2004SchönstadtMartinskirche
II/P10Restaurierung/Rekonstruktion der Orgel der Gebr. Ratzmann (1898)
2005AufenauZur Schmerzhaften MuttergottesII/P12Restaurierung/Rekonstruktion der Orgel von Wilhelm August Ratzmann (1880)
2006SpielbergEv. KircheI/P10Restaurierung/Rekonstruktion der Orgel von Wilhelm August Ratzmann (1873)
2007OberwesternSt. WendelinII/P15Restaurierung/Rekonstruktion der Orgel von Brindley & Foster (1870er)
2007NiederkalbachSt. LaurentiusII/P18Neubau
2009NiddaLiebfrauenkircheII/P18Neubau
2009KasselAuferstehungskircheIII/P31Restaurierung der Orgel der Gebrüder Euler (1956)
2011PfordtEvangelische KircheI/P10Restaurierung der Orgel von Johann Adam Oestreich (1849)
2013SchlierbachEvangelische KircheI/P12Restaurierung der Orgel von Bernhard Dreymann (1833)
2013FraurombachEvangelische KircheI/P10Restaurierung der Orgel von Johann-Markus Oestreich / Johann Adam Oestreich (1799)
2015UlmbachMariae HimmelfahrtII/P17Restaurierung der Orgel von Adam Joseph Oestreich (1838)
2017AltenhaßlauSt. JohannesII/P19Neubau
2018BieberLaurentiuskirche
II/P10Restaurierung der Orgel der Gebr. Ratzmann (1890)
2019MosbachSt. Johannes BaptistII/P16Restaurierung und Teilrekonstruktion der Orgel von Christian Gerhardt & Söhne (1930)
2021–2022StausebachSt. Mariae Himmelfahrt
I/P13Restaurierung und Teilrekonstruktion der Orgel von Daniel Mütze (1713) auf den Zustand des Umbaus durch Wilhelm Oestreich (1872)

Literatur

  • Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,1). Band 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1: A–L. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7.
  • Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S. 241.
  • Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 7,2). Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 2: L–Z. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1370-6.
  • Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4.
  • Hermann Fischer: 100 Jahre Bund Deutscher Orgelbaumeister: 1891–1991. Hrsg.: Bund Deutscher Orgelbaumeister. Orgelbau-Fachverlag, Lauffen 1991, ISBN 3-921848-18-0, S. 298.
  • Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,2). Band 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2: M–Z. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5.
  • Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 7,1). Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 1: A–K. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fischer: 100 Jahre Bund Deutscher Orgelbaumeister. 1991, S. 274.
  2. Geschichte Ratzmann (Memento vom 25. März 2016 im Internet Archive)
  3. Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4, S. 17.
  4. Geschichte Richard Schmidt (Memento vom 25. März 2016 im Internet Archive)
  5. a b Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S. 241.
  6. Geschichte Bernhard Schmidt (Memento vom 25. März 2016 im Internet Archive)
  7. Bernhard Schmidt: Turmuhrwerke. 2 Bde. Herausgegeben vom Fachkreis Turmuhren, Deutsche Gesellschaft für Chronometrie. Günter, Georgsmarienhütte 2001/2004, ISBN 3-9807704-0-0/ISBN 3-9807704-6-X.
  8. Geschichte Andreas Schmidt (Memento vom 25. März 2016 im Internet Archive)
  9. Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 7,1). Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 1: A–K. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2, S. 446.
  10. Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,1). Band 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1: A–L. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7, S. 352.
  11. Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,2). Band 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2: M–Z. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5, S. 797.
  12. Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4, S. 156.
  13. Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,2). Band 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2: M–Z. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5, S. 767.
  14. Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4, S. 173.

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