Operation Sunrise

Als Operation Sunrise wurden die im März 1945 stattfindenden Kapitulationsverhandlungen zwischen deutschen Offizieren und Amerikanern in der Endphase des Zweiten Weltkriegs genannt. Von den Briten erhielten die Verhandlungen den Namen Operation Crossword.

Zweite Seite mit den Unterschriften

Konkret verhandelte der in Bern ansässige OSS-Agent Allen Dulles, nachdem er Ende Februar von den Schweizer Mittelsmännern (u. a. Max Waibel und Max Husmann) kontaktiert worden war, am 8. März 1945 erstmals in Zürich mit SS-Obergruppenführer und Höchstem SS- und Polizeiführer in Italien Karl Wolff über die Teilkapitulation der deutschen Streitkräfte in Norditalien. Wolff hatte als Zeichen des guten Willens zwei Partisanenführer freigelassen; Dulles meldete nach Washington, Wolff sei ernst zu nehmen.[1] Allen Welsh Dulles hatte bereits 1944, zusammen mit Gero von Schulze-Gaevernitz, die Verschwörer des 20. Juli unterstützt.[2][3] Die in Dulles 1967 publiziertem Buch über die Geschehnisse[4] vertretene Behauptung Wolffs,[5] er habe sich für diese Kapitulation eine indirekte Zustimmung Hitlers eingeholt, wird von heutigen Historikern angezweifelt.[6]

Dass die Verhandlungen ohne die Sowjetunion stattfanden, löste einen regen Schriftverkehr zwischen Stalin und US-Präsident Roosevelt aus, da die Sowjetunion befürchtete, dass eine deutsche Teilkapitulation an der Westfront mehr Streitkräfte für die Ostfront frei machen würde.

Insgesamt liefen die Verhandlungen sehr schleppend und es tauchten neue Hürden auf. Am 18. und 19. März hatten Gespräche in Ascona stattgefunden. Wolff wurden von seinem nicht informierten Vorgesetzten Heinrich Himmler die verdächtigen Reisen verboten. Nach dem Tod Roosevelts am 12. April 1945 wurde Dulles vom neuen Präsidenten Truman angewiesen, die Gespräche nicht fortzuführen, was dieser jedoch überging. Auf dem Landgut Dorenbach bei Luzern gingen die Unterhändler bis zum 27. April ein und aus, als Waibel die Bitte erhielt, zwei deutsche Parlamentäre in das alliierte Hauptquartier in Caserta zu bringen.[1]

Die Teilkapitulation wurde auf deutscher Seite am 29. April 1945 von den zwei Emissären Victor von Schweinitz, Oberstleutnant und Generalstabsoffizier der Heeresgruppe C, in Vertretung des Oberbefehlshabers Südwest, Generaloberst Heinrich von Vietinghoff, sowie SS-Sturmbannführer Eugen Wenner, in Vertretung von Karl Wolff, im Schloss von Caserta unterzeichnet.[7] Wenner trat zudem indirekt über Wolff als Vertreter der von den Alliierten offiziell nicht anerkannten Italienischen Sozialrepublik auf, da Rodolfo Graziani Wolff dazu bevollmächtigt hatte. Für die Alliierten unterzeichnete der britische General William Duthie Morgan, Generalstabschef von Feldmarschall Harold Alexander. Als Beobachter für die Sowjetunion in Caserta fungierte der sowjetische Militärattaché in Rom General Aleksey Kislenko.[8]

Deutsche Teilkapitulation in Italien, erste Seite des zweiseitigen Dokuments

Die Kapitulation trat am 2. Mai 1945 um 12:00 Uhr Greenwich Mean Time, also sechs Tage vor der gesamtdeutschen Kapitulation am 8. Mai 1945, für alle dem deutschen Oberbefehlshaber Südwest unterstehenden oder von ihm kontrollierten Streitkräfte in Kraft.

Literatur

  • Sara Randell: Ending the War. Operation Sunrise and Max Husmann, Stämplfi Verlag, Bern 2018
  • Allen Dulles, Gero von Schulze-Gaevernitz: Unternehmen Sunrise. Die geheime Geschichte des Kriegsendes in Italien, Econ Verlag, Düsseldorf/Wien 1967
  • Katherine Schiemann: Der Geheimdienst beendet den Krieg. „Operation Sunrise“ und die deutsche Kapitulation in Italien, in: Jürgen Heideking, Christoph Mauch: Geheimdienstkrieg gegen Deutschland. Subversion, Propaganda und politische Planungen des amerikanischen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3-525-01350-7
  • Kerstin von Lingen: SS und Secret Service. »Verschwörung des Schweigens«: Die Akte Karl Wolff. Schoeningh, Paderborn 2010, ISBN 978-3-506-76744-8 (Rezension, Rezension 2)
  • Shraga Elam: Waibels Sonnenfinsternis, in: „Operation Sunrise“. Atti del convegno internazionale (Locarno, 2 maggio 2005), a cura di Marino Viganò – Dominic M. Pedrazzini (Lugano 2006) [1]

Film

Die Verhandlungen spielen eine Rolle in der auch für das DDR-Fernsehen synchronisierten, sowjetischen, romanbasierten TV-Miniserie Siebzehn Augenblicke des Frühlings (1973).[9][10][11]

Beteiligte in Bozen nach der Kapitulation (vorn-v. l. n. r.): Röttiger, Schulze-Gaevernitz, Vietinghoff, Wolff
Gedenktafel für den "Vermittler zwischen den Kriegsparteien" Max Waibel, Luzern – Allmend Kaserne

Die TV-Doku Operation Sunrise: Die verschwiegene Allianz – Eine Kapitulation und ihr Geheimnis von Bernhard Pfletschinger und Margarita Fotiadis aus dem Jahr 2005 bewertet die Kollaboration von Dulles mit Wolff kritisch und will darin ein Vorzeichen der im (herannahenden) Kalten Krieg häufigeren Zusammenarbeit zwischen ehemaligen, einst überzeugten Nationalsozialisten und dem Westen sehen.[12][13][14][15]

Einzelnachweise

  1. a b «Operation Sunrise» – Geheimdeal mit Nazis und Alliierten. Neue Zürcher Zeitung, 30. März 2020.
  2. A. Dulles: Verschwörung in Deutschland. Zürich 1948.
  3. Allen Welsh Dulles, Gero von Schulze Gaevernitz: Unternehmen „Sunrise“: die geheime Geschichte des Kriegsendes in Italien. Dt. Buch-Gemeinschaft, 1967 (google.de [abgerufen am 13. September 2020]).
  4. Allen Welsh Dulles, Gero von Schulze Gaevernitz: Unternehmen „Sunrise“: die geheime Geschichte des Kriegsendes in Italien. Dt. Buch-Gemeinschaft, 1967 (google.de [abgerufen am 5. Oktober 2020]).
  5. Karl Wolff: Mit Wissen Hitlers: meine Geheimverhandlungen über eine Teilkapitulation in Italien 1945: der persönliche Bericht des „höchsten SS- und Polizeiführers“ sowie „bevollmächtigten General der Deutschen Wehrmacht in Italien“. Druffel & Vowinckel-Verlag, 2008, ISBN 978-3-8061-1169-9 (google.de [abgerufen am 5. Oktober 2020]).
  6. Kerstin von Lingen: Immunitätsversprechen. Wie SS-Obergruppenführer Karl Wolff der Strafverfolgung entging. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift. Band 68, Nr. 2, 1. Dezember 2009, ISSN 2193-2336, S. 379–421, doi:10.1524/mgzs.2009.0013 (degruyter.com [abgerufen am 5. Oktober 2020]).
  7. Video der Unterzeichnung (1945)
  8. Caserta nella storia: 73 anni fa la resa dei tedeschi in Italia. In: casertanews.it. 29. April 2019, abgerufen am 5. November 2019 (italienisch).
  9. Klaus Behling: Fernsehen aus Adlershof: Das Fernsehen der DDR vom Start bis zum Sendeschluss. Edition Berolina, 2016, ISBN 978-3-95841-529-4 (google.de [abgerufen am 10. Oktober 2020]).
  10. "Seventeen Moments of Spring" (starring Stirlitz) by Julian Semyonov - from SovLit.net. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  11. imfernsehen GmbH & Co KG: 17 Augenblicke des Frühlings. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  12. programm ARD de-ARD Play-Out-Center Potsdam, Potsdam Germany: Operation Sunrise. Abgerufen am 11. April 2021.
  13. Margarita Fotiadis, Bernhard Pfletschinger: Die verschwiegene Allianz - Eine Kapitulation und ihr Geheimnis. 29. April 2005, abgerufen am 11. April 2021.
  14. Hannes Schwenger: Guter Nazi - Kerstin von Lingen begibt sich auf die Spuren des SS-Generals und US-Verbündeten Karl Wolff. 2010, abgerufen am 11. April 2021.
  15. Vgl. etwa die Karriere Wernher von Brauns.

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Instrument of Local Surrender of German and other forces under the comand or control of the German Commander-in-Chief Southwest (without signs but simpler in reading, see other versions) (page 1 of 2)
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Gero von Schulze-Gaevernitz visited German headquarters in Bolzano on May 12, 1945, to express his thanks for the officers' cooperation during the surrender of the southern front. Enjoying a relaxed moment in the courtyard of SS headquarters are (left to right) Hans Röttiger, Gaevernitz, Heinrich von Vietinghoff-Scheel, and Karl Wolff; in the background: SS officers Eugen Wenner and Eugen Dollmann. NARA RG 226, Entry 110, Box 1, OSS photos. Photograph by T. S. Ryan.
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