Oberwaldbahn

Glauburg-Stockheim – Lauterbach (Hess) Nord
Vulkanradweg am ehemaligen Bahnhof Selters (Hess)
Vulkanradweg am ehemaligen Bahnhof Selters (Hess)
Streckennummer (DB):3745
Kursbuchstrecke (DB):ehem. 515, 193d
Streckenlänge:65 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Maximale Neigung:22 
von Fulda
96,0Lauterbach (Hess) Nord 284 m
nach Gießen
94,2Lauterbach (Hess) Süd
92,9Stabernack (Anst)
91,5Lauterbach-Blitzenrod
90,6Frischborn
88,9Eisenbach (Oberhess)
85,8Rixfeld
82,5Herbstein
78,0Ilbeshausen
74,2Nösberts-Weidmoos
71,2Grebenhain-Crainfeld
Schwarza
70,0Crainfeld Hp
68,1Bermuthshain
65,6Oberwald Anschluss Muna
Rhein-Weser-Wasserscheide (höchster Punkt)
63,6Hartmannshain 575 m
nach Wächtersbach
61,2Alteburg (Hess) (Anst)
55,6Ober Seemen
52,1Sandsteinbrücke
49,5Gedern
45,4Merkenfritz
43,7Hirzenhain (Oberhess)
Nidder
39,0Lißberg
37,7Eckartsborn
Nidder
36,0Ortenberg (Oberhess)
33,8Selters (Hess)
von Gießen
31,0Glauburg-Stockheim 131 m
nach Gelnhausen
nach Bad Vilbel

Quellen: [1]

Als Oberwaldbahn wird heute die ehemalige Vogelsbergbahn zwischen den Bahnhöfen Glauburg-Stockheim an der Bahnstrecke Gießen–Gelnhausen und Lauterbach (Hess) Nord an der Bahnstrecke Gießen–Fulda bezeichnet. Die 65 Kilometer lange Nebenbahn verlief entlang der Nidder und über den Vogelsberg. Im Bahnhof Hartmannshain zweigte die Bahnstrecke Wächtersbach–Hartmannshain ab.

Der ursprüngliche Name Vogelsbergbahn ist heute für die Strecke von Gießen über Lauterbach nach Fulda in Gebrauch, obwohl diese den Vogelsberg nur am Rande streift. Die Bezeichnung Oberwaldbahn bezieht sich auf den Bahnhof Oberwald bei Bermuthshain, der nach dem schrittweisen Abbau der Gleise zwischen Stockheim und Oberwald in den 1970er und frühen 1980er Jahren zum Endpunkt der Reststrecke von Lauterbach aus geworden war.

Verlauf

Die Strecke folgte ab dem damaligen Bahnhof Stockheim (Oberhess) zunächst dem Oberlauf der Nidder, die sie mehrfach überquert. Ab Hirzenhain verließ die Strecke das Tal der Nidder und verlief durch ein enges Nebental.

Östlich von Gedern stieg die Strecke über mehrere Kehren zur Hauptkette des Vogelsbergs an. Südlich der Herchenhainer Höhe kurz nach dem Bahnhof Hartmannshain, mit 575 m der ehemals höchstgelegene Bahnhof in Hessen, erreichte die Strecke ihren höchsten Punkt beim Überwinden der Rhein-Weser-Wasserscheide.

Durch das Tal der Schwarza verlief die Strecke nach Grebenhain. Nach der westlichen Umfahrung des Heerhains wendete sich die Strecke nach Norden und verlief entlang des Eisenbachs und der Lauter nach Lauterbach.

Geschichte

Auf dem Territorium des Großherzogtums Hessen hatte die Oberhessische Eisenbahn-Gesellschaft 1870 die Bahnstrecken Gießen–Fulda (heutige Vogelsbergbahn) und Gießen–Gelnhausen (Lahn-Kinzig-Bahn) fertiggestellt. Zum besseren Anschluss von Wetterau und Vogelsberg erließ die Regierung in Darmstadt 1884 ein Gesetz zum Bau einer staatseigenen Nebenbahn, die eine diagonale Querverbindung zwischen beiden Strecken herstellen sollte. Diese sollte in Stockheim auf die Lahn-Kinzig-Bahn treffen. Einwände gab es in der Stadt Ortenberg, die vergeblich Anspruch erhob auf eine Linienführung in Richtung auf Büdingen statt auf Stockheim zu. In Stockheim selbst mussten umfangreiche Erweiterungen der Gleisanlagen durchgeführt werden; auch ein weiterer Bahnsteig wurde gebaut. Die Umgestaltung zum Knotenbahnhof verlangte weitere Baumaßnahmen. Das Dienstgebäude wurde 1895 durch einen Anbau erweitert, neue Diensträume entstanden, zwei Stellwerke wurden errichtet, der Gleisbereich erhielt drei Gleise für den Personenverkehr und zwei für den Güterverkehr. Damit die Reisenden ihre Züge sicher erreichen konnten, wurde eine Unterführung vom Bahnsteig 1 zum Bahnsteig 2 gebaut. Ein neuer Lokschuppen sowie eine Reparaturwerkstatt entstanden. Die Fahrplangestaltung wurde so geregelt, dass die meisten Züge in Stockheim als Zugbündel zusammentrafen. Die Zentralität des Ortes wurde so erheblich aufgewertet. So siedelte sich in der Folgezeit ein Stützpunkt der Deutschen Milchwerke in Bahnhofsnähe an, was das Aufkommen im Stückgutverkehr in Stockheim erhöhte.[2]

Einen Bedeutungsgewinn erfuhr am anderen, dem nördlichen Ende der Oberwaldbahn, der Bahnhof Lauterbach (Hess) Nord (diese Bezeichnung existiert seit dem 15. April 1911). Von hieraus fuhren die Züge der Oberwaldbahn stets direkt vor dem Empfangsgebäude von Gleis 1 aus ab.[3] Hier waren die Gleisanlagen überirdisch zu überqueren. Eine Erweiterung des Bahnhofsgebäudes erfolgte bis 1911. Es erhielt eine repräsentative Umgestaltung zum aufwändig gepflasterten Bahnhofsvorplatz hin. Eigner[4] weist nach, dass die Gleisanlagen seit 1902 erheblich erweitert wurden und einschließlich verschiedener Neben- und Ladegleise um die Mitte des 20. Jahrhunderts 18 Gleise umfasste. Eine Holzverladerampe mit Zufahrtsstraße wurde angelegt. Lokschuppen, Schlosserei, Dienstwohnungen und 2 Stellwerke belegen die Aufwertung dieses Bahnhofs nach Einweihung der Oberwaldbahn, zumal in unmittelbarer Bahnhofsnähe ein Gewerbegebiet entstand; eine Großmolkerei ließ sich ein eigenes Anschlussgleis legen. Der ca. 1 km lange Fußweg vom Nordbahnhof bis ins Geschäftszentrum der historischen Altstadt Lauterbachs war durch ein Spalier gründerzeitlicher Repräsentativ-Wohngebäude der Bahnhofstraße zurückzulegen. Nahe dem Bahnhof Lauterbach (Hess) Süd der Oberwaldbahn, der eine günstigere Lage zum Stadtzentrum und zu den Schulen aufwies als der Nordbahnhof, entstanden in den 1910er und 1920er Jahren von Gärten umgebene Wohnungsbauten im Stile der damaligen Zeit: neben privaten Repräsentativbauten auch Arbeiter-Wohnhäuser für Beschäftigte in den nördlich des Schienenstrangs angesiedelten Industrie- und Handwerksbetrieben.[5]

Für Planung und Trassierung der Bahnstrecke stellte die Durchquerung des Vogelsberges eine topographische Herausforderung dar. Die Bahn wurde in mehreren Abschnitten geplant und gebaut, so dass bis zur Fertigstellung der Gesamtstrecke rund zwanzig Jahre vergingen. Zunächst wurde nur der 18,5 Kilometer lange, noch relativ ebene Streckenabschnitt von Stockheim nach Gedern gebaut und bereits am 1. Oktober 1888 eingeweiht. Im ersten Betriebsjahr wurden etwa 50.000 Personen und mehr als 10.000 Tonnen Fracht befördert, hauptsächlich Holz.

Mehr als zwölf Jahre später wurde der 21,7 Kilometer lange nördliche Streckenabschnitt von Lauterbach nach Grebenhain nach zweijähriger Bauzeit am 31. Januar 1901 eröffnet. Der 24,8 Kilometer lange, höchstgelegene Streckenabschnitt mit der Querung der Rhein-Weser-Wasserscheide wurde schließlich am 1. April 1906 dem Verkehr übergeben. Betrieben wurde die Bahn von der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft, die 1920 Teil der neugegründeten Deutschen Reichsbahn wurde.

Mit dem Weiterbau der von Wächtersbach kommenden Strecke über Birstein hinaus wurde der Bahnhof Hartmannshain am 23. Dezember 1934 zum Anschlussbahnhof. Nahe dem drei Kilometer nordöstlich davon gelegenen Bahnhof Oberwald bestand von 1936 bis 1945 die Luftmunitionsanstalt Hartmannshain (Muna), die über ein eigenes Anschlussgleis verfügte. Die Teilstrecke zwischen Birstein und Hartmannshain wurde bereits Ende der 1950er Jahre stillgelegt und abgebaut.

Die damalige Vogelsbergbahn wurde in den 1960er Jahren aufgrund des zunehmenden Individualverkehrs und parallel angebotener Bahnbusverbindungen ebenfalls zunehmend unrentabel. Ab der Mitte der 1970er Jahre legte die Deutsche Bundesbahn die Strecke daher schrittweise still. Als erstes wurde der Personenverkehr am 28. September 1975 auf der Gesamtstrecke eingestellt. Nur gelegentliche Sonderfahrten mit Passagieren fanden danach noch statt, so zum Beispiel einen Schienenbusfahrt mit Fotohalten entlang der Strecke am 13. August 1988 von Lauterbach (Hess) Nord bis Grebenhain-Crainfeld.[6] Auch der Gesamtverkehr zwischen Ober-Seemen und Oberwald wurde 1975 eingestellt und dieser Streckenabschnitt im Anschluss daran abgebaut.

Am 1. Juni 1984 erfolgte die Einstellung des Güterverkehrs zwischen Stockheim und Gedern, nachdem dies zwischen Gedern und Ober-Seemen schon zum 23. Mai 1982 der Fall gewesen war. Im Anschluss daran wurde der gesamte verbliebene Südteil der alten Vogelsbergbahn bis zum Bahnhof Stockheim zurückgebaut. Der Nordteil der ehemaligen Gesamtstrecke, zwischen Lauterbach Nord und Oberwald, hielt sich dagegen noch ein Jahrzehnt länger, da das 1966 auf dem Gelände der ehemaligen Muna angesiedelte Verpackungsmittelunternehmen Stabernack den Gleisanschluss der Muna zum Bahnhof Oberwald weiterhin nutzte. Erst nach der Verlagerung der Transporte dieser Firma auf die Straße wurde der Bahnhof Oberwald am 31. März 1991 mit dem Teilstück bis Grebenhain geschlossen.

Am 29. Mai 1994 wurde die Strecke von Grebenhain bis Lauterbach Süd stillgelegt, der letzte Abschnitt bis zum Bahnhof Lauterbach (Hess) Nord folgte am 31. Mai 2001. Bereits im Frühjahr 1997 war das Gleis zwischen dem Bahnhof Oberwald und der Anschlussstelle Stabernack im Südwesten von Lauterbach demontiert worden, Anfang 2005 geschah dies auch bis zum ehemaligen Bahnhof Lauterbach Süd, nur innerhalb zweier Bahnübergänge waren die Schienen mitsamt den Straßensignale noch vorhanden und wurden im Zuge einer Straßensanierung inzwischen ebenfalls abgebaut. Abgesehen von der teils gut erkennbaren Trasse stehen noch die beiden Formsignale an der Bahnhofseinfahrt von Lauterbach Nord.

Auf dem größten Teil der ehemaligen Bahntrasse wurde in den Jahren 2000 bis 2003[7] der Vulkanradweg gebaut, der die teilweise noch erkennbare damalige Strecke von Süden kommend in Lauterbach kurz vor der Dirlammer Straße verlässt. Der Vulkanradweg ist Teil des BahnRadweg Hessen, der auf ehemaligen Bahntrassen rund 250 km durch den Vogelsberg und die Rhön führt.

Literatur

  • Friedrich Müller: Erst durch die Bahn wurde einst der Hohe Vogelsberg erschlossen, in: Heimat im Bild. Nr. 1–3, 1981. Beilage zu: Gießener Anzeiger, Kreis-Anzeiger, Lauterbacher Anzeiger.
  • Jürgen Röhrig, Stefan Klöppel: 150 Jahre Oberhessische Eisenbahnen. ArGe Drehscheibe e. V., Köln 2020, ISBN 978-3-929082-38-8, S. 201–227.
  • Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Eisenbahn in Hessen. Eisenbahnenbauten- und strecken 1839–1939, 1. Auflage. Theiss Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1917-6, Bd. 2.2, S. 664ff (Strecke 049).

Weblinks

Commons: Oberwaldbahn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eisenbahnatlas Deutschland. 9. Auflage. Schweers+Wall, Aachen 2014, ISBN 978-3-89494-145-1.
  2. Adolf Kaiser: Der Bahnhof Stockheim (Oberhessen) vom regionalen Knotenpunkt bis zum Modellbahnhof. Selbstverlag, Glauburg-Stockheim September 2010, S. 3–7.
  3. Wilfried Kohlmeier, Ernst Bäppler: Bilder von der Vogelsbergbahn. 2. Auflage. Eigenverlag der Autoren, Wehrheim/Taunus und Aschaffenburg März 2016, S. Bildunterschrift 1–3.
  4. Carsten Eigner: Bitte einsteigen. Eisenbahnknotenpunkt Lauterbacher Nordbahnhof. In: VRM Mediengruppe (Hrsg.): Lauterbacher Anzeiger, 5. September 2020. 2020, S. 24–25.
  5. Carsten Eigner: Nebenbahn Lauterbach-Gedern-Stockheim (Vogelsbergbahn). In: ArGe Drehscheibe e. V. (Hrsg.): Jürgen Röhrig, Stefan Klöppel. 1. Auflage. 150 Jahre Oberhessische Eisenbahnen. AG Drehscheibe e. V., Köln 2020, ISBN 978-3-929082-38-8, S. 201–227.
  6. "Vogelsberg-Expreß" geht auf die Fahrt. In: Zeitungsnotiz (Hrsg.): Lauterbacher Anzeiger. Brühlscher Verlag, Gießen 30. Juli 1988.
  7. Vulkanradweg im Vogelsberg: Historische Bahntrasse. Abgerufen am 15. Februar 2015.

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Der ehemalige Bahnhof Selters (Oberwaldbahn) am Vulkanradweg (ein Radweg im Vogelsberg)