Oberstes Nationales Tribunal Polens

Angeklagte vor dem Tribunal, Auschwitzprozess, Krakau, 1947

Das Oberste Nationale Tribunal Polens (polnisch: Najwyższy Trybunał Narodowy, NTN) war ein Kriegsverbrechertribunal, das von 1946 bis 1948 bestand. Es sollte über die Hauptverantwortlichen für vom Dritten Reich auf polnischem Gebiet begangene Verbrechen Recht sprechen. Vor ihm wurden sieben Verfahren mit insgesamt 49 Angeklagten durchgeführt.

Gründung

Mit Dekret vom 22. Januar 1946 wurde das Gericht ins Leben gerufen. Urteile des NTN waren hierarchisch dem des Obersten Gerichtshofes gleichgestellt und konnten nicht angefochten werden, wobei das Begnadigungsrecht des polnischen Präsidenten auch für diese Urteile galt.

Das NTN erhielt zwei Aufgaben:

  1. Aburteilung von nach Polen ausgelieferten Kriegsverbrechern
  2. Aburteilung der Verantwortlichen der „September-Katastrophe“ (zielte auf als antikommunistisch geltende Personen, die angeblich die polnische Niederlage im September 1939 mitverursacht hatten; das NTN führte dann aber keinen einzigen Prozess zu diesem Komplex.)[1]

Prozesse

Im Gegensatz zu den zahlreichen politischen Verfahren unter der kommunistischen Vorherrschaft wurden die Verfahren nach herkömmlichen legalen und moralischen Standards vergleichbar mit westlichen Verfahren dieser Periode durchgeführt und setzten die Verfolgung von Kriegsverbrechen um, wie sie in der Moskauer Deklaration beschlossen worden waren.[2] Es zeigte sich schnell, dass das Gericht mit der Vielzahl an Strafverfahren überfordert wäre. Deshalb wurde der erste Staatsanwalt am NTN per Dekret vom 17. Oktober 1946 ermächtigt, Verfahren an Bezirksstaatsanwälte abzugeben. Das NTN führte deshalb nur sieben Prozesse gegen Hauptkriegsverbrecher.[1] Alle anderen Verfahren wurden Bezirksgerichten zugewiesen. Das Gericht bestand aus 3 Richtern und jeweils 4 Geschworenen und verhandelte an unterschiedlichen Orten:

Prozesse im Überblick
AngeklagteFunktionProzessortProzessbeginnProzessendeStrafmaß
Arthur GreiserReichsstatthalter und Gauleiter Wartheland 1939–45Posen21. Juni 19467. Juli 1946Todesurteil
Amon GöthKommandant des KZ Plaszow 1943–44Krakau27. August 19465. September 1946Todesurteil
Ludwig Fischer, Ludwig Leist, Josef Meisinger, Max Daumehochrangige NS-Funktionäre in WarschauWarschau17. Dezember 194624. Februar 1947drei Todesurteile, Leist acht Jahre Haft
Rudolf HößKommandant KZ Auschwitz 1940–43Warschau11. März 194729. März 1947Todesurteil
Arthur Liebehenschel und 39 weitere Angeklagte des Krakauer AuschwitzprozessesKommandant und Angehörige der Lager-SS des KZ Auschwitz-BirkenauKrakau24. November 194716. Dezember 194723 Todesurteile, 17 Haftstrafen, Hans Münch Freispruch
Albert ForsterReichsstatthalter 1939–45 und Gauleiter 1930–45 Danzig-WestpreußenDanzig5. April 194829. April 1948Todesurteil
Josef BühlerStaatssekretär und Stellvertreter des Generalgouverneurs im GeneralgouvernementKrakau17. Juni 19485. Juli 1948Todesurteil

Das Gericht fällte im Prozess gegen Arthur Greiser noch vor dem Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher das erste Urteil wegen Genozid und Verbrechen gegen den Frieden, blieb aber bei der Entwicklung des Völkerstrafrechts wenig beachtet.[3]

Literatur

  • Mark A. Drumbl: Germans are the Lords and Poles are the Servants. The Trial of Arthur Greiser in Poland, 1946. In: Kevin Jon Heller, Gerry J. Simpson (Hrsg.): The Hidden Histories of War Crimes Trials. Oxford University Press 2013, ISBN 978-0-19-967114-4, S. 411–429.
  • Patrycja Grzebyk: The Role of the Polish Supreme National Tribunal in the Developement of Principles of International Criminal Law. In: Historical Origins of International criminal Law. Hrsg.: Morten Bergsmo, Cheah Wui Ling und Li Ping, Torkel Opsahl Publisher, Brüssel 2014, ISBN 978-82-93081-13-5.
  • Andrzej Rzepliński: Prosecution of Nazi Crimes in Poland in 1939-2004. (PDF) Vortrag März 2004.

Einzelnachweise

  1. a b Bogdan Musial: NS-Kriegsverbrecher vor polnischen Gerichten. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 47, Nr. 1, 1999, S. 37 f.
  2. Mark A. Drumbl: „Germans are the Lords and Poles are the Servants“, S. 417 f.
  3. Mark A. Drumbl: Germans are the Lords and Poles are the Servants. S. 424 ff.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Auschwitz Trial 1947 2.tiff
Accused Germans, Auschwitz Trial Kraków - "The Trial of Forty German Butchers of Auschwitz Camp," November 24-26, 1947