Neues Rathaus (Leipzig)

Südwestansicht des Neuen Rathauses (2011)
Gesamtansicht von Süden (2010)
Neues Rathaus und Stadthaus (re.) vom Burgplatz aus (2008)

Das Neue Rathaus in Leipzig ist seit 1905 der Sitz der Stadtverwaltung. Es befindet sich an der südwestlichen Ecke des Innenstadtrings in Sichtweite des Reichsgerichtsgebäudes, dem Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes. Der 114,7 Meter hohe Rathausturm gilt als höchster in Deutschland und ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Er kann im Rahmen einer Führung bestiegen werden.[1]

Das Gebäudeensemble aus Rathaus (Martin-Luther-Ring 4–6) und dem dazugehörigen Stadthaus (Burgplatz 1) verzeichnet auf einer Nettogrundfläche von ca. 65.870 m² insgesamt 1.708 abgeschlossene Räume.[2] Der seinerzeit größte Rathausneubau im Deutschen Reich ist auch heute noch der größte Profanbau dieser Art weltweit.

Geschichte

Bereits seit den 1870er Jahren gab es erste Überlegungen, der im Alten Rathaus untergebrachten Stadtverwaltung ein neues Domizil zuzuweisen, das der wachsenden Bedeutung des zur Großstadt gewordenen Leipzig gerecht werden sollte. Nachdem mehrere Pläne verworfen worden waren, erwarb die Stadt 1895 vom Königreich Sachsen die Pleißenburg. In deren Turm hatte 1794 die Universität Leipzig eine Sternwarte eröffnet, welche 1861 ins Johannistal verlegt wurde,[3] nachdem sie durch die dichte Bebauung ihrer eigentlichen Bestimmung nicht mehr gerecht werden konnte.

Bei dem Wettbewerb, an dem sich 51 Architekten aus dem gesamten Reichsgebiet beteiligten, war festgelegt, dass die Turm-Silhouette der Pleißenburg als bekanntes Leipziger Wahrzeichen erhalten bleiben sollte. 1897 ging der erste Preis der Ausschreibung, bei der die Teilnehmer ihre Entwürfe anonym abgaben, an den Architekten und Leipziger Stadtbaudirektor Hugo Licht. Mit der bauplastischen Ausgestaltung des neuen Rathauses wurde der Bildhauer Georg Wrba beauftragt.[4]

Die Grundsteinlegung erfolgte am 19. Oktober 1899. Nach knapp sechsjähriger Bauzeit wurde das Neue Rathaus am 7. Oktober 1905 – in Anwesenheit des sächsischen Königs Friedrich August III. – seiner Bestimmung übergeben. Im Jahr 1912 erfolgte jenseits der Lotterstraße die Eröffnung des Stadthauses mit zusätzlichen 300 Räumen. Der ebenfalls unter Leitung Hugo Lichts errichtete Erweiterungsbau ist durch eine zweigeschossige Gebäudebrücke (im Volksmund Beamtenlaufbahn genannt) mit dem Neuen Rathaus verbunden.

Die Zerstörungen durch die Luftangriffe auf Leipzig im Zweiten Weltkrieg am 4. Dezember 1943 wurden bis 1949 beseitigt, Plenarsaal und Ratskeller wurden zügig restauriert.[5]

Architektur

Der im Stil des Historismus entworfene Gebäudekomplex aus hellgrauem, mainfränkischem Muschelkalkstein bildet auf einer Fläche von über 10.000 m² ein unregelmäßiges Fünfeck. Der Turm steht auf dem Sockel des alten Pleißenburgturms. Vom vierten Obergeschoss aus führen 250 Stufen zum oberen Turmgang mit der Aussichtsmöglichkeit.[1] An der Südwestfassade befinden sich die fünf Statuen „Handwerk“, „Gerechtigkeit“, „Buchkunst“, „Wissenschaft“ und „Musik“ der Künstler Arthur Trebst, Johannes Hartmann, Adolf Lehnert, Josef Mágr und Hans Zeissig. Die nachts blau illuminierte Uhr des Rathauses enthält die lateinische Umschrift MORS CERTA, HORA INCERTA (Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss), im Volksmund „Todsicher geht die Uhr falsch“. Die weibliche Giebelfigur über der Uhr symbolisiert die Wahrheit. Der Westgiebel wiederum hat mit der Personifikation „Das Amtsgeheimnis“[6] von Johannes Hartmann zum Thema.

In den Kellergewölben befindet sich der Ratskeller Leipzig, ein aus dem früheren historischen Weinkeller hervorgegangenes Restaurant.[7] Es gibt auch eine öffentliche Kantine.[8]

Das Gebäude verfügt über einen der letzten öffentlich zugänglichen und funktionstüchtigen Paternosteraufzüge Deutschlands.[9]

Goerdeler-Denkmal

An der Südwestspitze des Neuen Rathaus befindet sich ein Denkmal für Carl Friedrich Goerdeler, einen der führenden Kräfte des bürgerlichen Widerstands gegen den Nationalsozialismus und Oberbürgermeister Leipzigs von 1930 bis 1937. Es wurde von den beiden US-amerikanischen Künstlern Jenny Holzer und Michael Glier geschaffen[10] und am 8. September 1999, 55 Jahre nach seiner Verurteilung zum Tode, der Öffentlichkeit übergeben. Das Denkmal besteht aus einem fünf Meter tiefen Glockenschacht mit einem Durchmesser von 2,75 Metern. In diesem hängt eine Bronzeglocke. Rund um den Schacht finden sich in chronologischer Reihenfolge Zitate aus Briefen, Zeitungen und Schriften von Carl Friedrich Goerdeler.

Erwähnung in Film und Literatur

Eine Rolle spielt das Neue Rathaus in dem Roman Herrn Lublins Laden von Samuel Agnon (1888–1970, Literaturnobelpreis 1966). Der Autor lebte von 1915 bis 1924 in Deutschland und war auch in Leipzig.[11] Das Neue Rathaus diente außerdem im Politthriller Der zerrissene Vorhang von Alfred Hitchcock (1966) als Kulisse.

Literatur

  • Peter Leonhardt; Thomas Nabert: Arx Nova Svrrexit. Neues Rathaus Leipzig 1905–1995. Pro Leipzig, Leipzig 1998, ISBN 978-3-9805368-2-0.
  • Hugo Licht: Das neue Rathaus in Leipzig. In: Deutsche Bauzeitung. Jahrgang 39 (1905), urn:nbn:de:kobv:co1-opus-21540, S. 469–474 (Teil 1), urn:nbn:de:kobv:co1-opus-21550, S. 481–483 (Teil 2), urn:nbn:de:kobv:co1-opus-21562, S. 529–534 (Teil 3).
  • Wolfgang Knoppe: Neues Rathaus zu Leipzig. Geschichte und Geschichten eines Traditionsbaus. DZA-Verlag, Altenburg 1995, ISBN 3-9804226-7-4.
  • Wolfgang Hocquél: Leipzig. Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart. Passage-Verlag, Leipzig 2004, ISBN 3-932900-54-5.
  • Mustafa Haikal, Peter Leonhardt: Das Neue Rathaus zu Leipzig, Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2015, ISBN 978-3-86583-893-3.

Weblinks

Commons: Neues Rathaus – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise

  1. a b Turmbesteigung und Führungen im Neuen Rathaus auf leipzig.de
  2. Weltrekord für das größte zu diesem Zweck gebaute Rathaus (nach Anzahl der Zimmer) auf rekord-institut.org
  3. Hans-Joachin Ilgauds und Gisela Münzel, Die Leipziger Universitätssternwarten auf der Pleißenburg und im Johannistal: Astronomische Schulen von Weltruf, hrsg. vom Leipziger Geschichtsverein, Beucha 1995, S. 18. ISBN 3-930076-11-X
  4. Ingrid Leps: Hoch geschätzt und stark umstritten – Vortrag über Georg Wrba im Wurzener Dom. Ausführlicher Bericht in der Leipziger Volkszeitung, Ausgabe Muldental, 23. Mai 2015, S. 30
  5. Die ehemalige Pleißenburg Leipzig damals & heute, Top-Magazin Leipzig, Sommer 2023, S. 138
  6. http://leipzigentdecken.de/neues-rathaus-2/
  7. Geschichte des Ratskellers (Memento desOriginals vom 28. November 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ratskeller-leipzig.de auf der Website des Ratskellers Leipzig; abgerufen am 5. Januar 2010
  8. Kantine Leipzig
  9. Artikel der Leipziger Internetzeitung über die Zukunft des Paternosteraufzuges im Neuen Rathaus. 23. Juni 2020, abgerufen am 23. November 2021.
  10. Beschreibung auf der Seite der Stadt Leipzig
  11. Schmu'el Josef Agnon, Herrn Lublins Laden, Leipzig 1993

Koordinaten: 51° 20′ 9″ N, 12° 22′ 21″ O

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Das Neue Rathaus kurz nach der Fertigstellung, Leipzig nach 1905.
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Die Uhr des Neuen Leipziger Rathauses mit der lateinischen Umschrift MORS CERTA – HORA INCERTA. Die weibliche Giebelfigur stellt die Wahrheit dar.
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Ratsplenarsaal im Neuen Rathaus Laipzig
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Das Neue Rathaus in Leipzig, 2010. Architekt: Hugo Licht
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Stairs in New Townhall Leipzig
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Neues Rathaus Leipzig (Luftaufnahme, koloriertes Glasdiapositiv, um 1910, unbekannter Fotograf), Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inv.-Nr. F/2011/168
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