Netzwerk Fertiprotekt

FertiPROTEKT
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Zweck:Beratung zu und die Durchführung von fertilitätserhaltenden Maßnahmen
Vorsitz:Ariane Germeyer
Gründungsdatum:10. November 2015
Sitz:Marburg
Website:fertiprotekt.com

Das Netzwerk Fertiprotekt (Eigenschreibweise FertiPROTEKT) ist eine 2006 in Deutschland von Michael von Wolff und Markus Montag zusammen mit deutschen universitären reproduktionsmedizinischen Zentren in Heidelberg gegründete Kooperation von universitären Zentren, Kliniken und Praxen.[1] Das Netzwerk ist inzwischen auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausgeweitet worden und vereint derzeit circa 150 Einrichtungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Seit dem 10. November 2015 ist es ein eingetragener Verein.[2]

Ziele

Ziel des Netzwerks ist, Frauen und Männern vor und nach einer Chemo- oder Strahlentherapie sowie anderen fertilitätsdestruierenden Therapien die Möglichkeit zu bieten, sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit beraten und gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz ihrer Fruchtbarkeit durchführen zu lassen. Dabei ist die Beratung zu und die Durchführung von fertilitätserhaltenden Maßnahmen entsprechend dem Kodex des Netzwerks nicht profitorientiert. Im Fokus stehen dabei Krebserkrankungen, aber auch rheumatische Erkrankungen, Endometriose, genetische und metabolische Erkrankungen sowie geschlechtsangleichende Therapien.

Hintergründe

Durch die heute deutlich besseren Heilungschancen bei Krebserkrankungen kommt der Lebensqualität nach einer überstandenen Behandlung der Erkrankung zunehmende Bedeutung zu. Dabei nehmen die Ängste um den Erhalt der Fruchtbarkeit bei jungen Männern und Frauen einen wichtigen Raum ein. Die häufigsten Krebsarten, die im Alter unter 40 Jahren diagnostiziert werden, sind Brustkrebs, Hodgkin-Lymphome, Non-Hodgkin-Lymphome, Sarkome und Leukämien. Eines der größten Probleme bei Frauen und Männern, die sich einer Chemotherapie oder Strahlentherapie unterziehen mussten, ist die vorzeitige ovarielle Erschöpfung (prämature ovarielle Insuffizienz) bzw. die Störung der Spermienbildung durch eine dauerhafte Schädigung des Hodengewebes und die damit verbundene Infertilität.[3] Aufgrund der Fortschritte in der Reproduktionsmedizin stehen inzwischen eine Vielzahl von fertilitätsprotektiven, also die Fruchtbarkeit schützende Methoden zur Verfügung.[3] Zu den Techniken gehören die Gabe von GnRH-Agonisten, die ovarielle Stimulation mit der Kryokonservierung von fertilisierten oder unfertilisierten Oozyten, die Kryokonservierung von Ovargewebe[4] und bei Männern die Kryokonservierung von Spermien und Hodengewebe. Auch eine Verlagerung der Eierstöcke aus dem kleinen Becken (Ovartransposition) zum Schutz vor Schädigungen durch eine Strahlentherapie ist möglich.[4]

Aktivitäten

Das Netzwerk FertiPROTEKT hat internationale Pionierarbeit in mehreren Bereichen geleistet:

  • Es wurden nationale, flächendeckende Versorgungsstrukturen im Bereich der Fertilitätsprotektion geschaffen, die für andere Länder als Vorbild gelten.[5]
  • Behandlungsempfehlungen wurden erarbeitet, die eine einheitliche und wissenschaftliche Vorgehensweise ermöglichen.[3][4][6]
  • Es wurde die sogenannte Lutealphasenstimulation eingeführt, die den Beginn einer Hormonstimulation zur Gewinnung von Eizellen zu jedem Zeitpunkt des Menstruationszyklus erlaubt. Damit wird die Durchführung einer Eizellgewinnung zeitlich deutlich verkürzt und eine Chemotherapie kann früher gestartet werden.[7] Basierend auf der Lutealphasenstimulation wurde die Doppelstimulation (DuoStim) und die die Progestin primed ovarian stimulation (PPOS) entwickelt.
  • Die Kombination einer Entnahme von Eierstockgewebe zur Kryokonservierung, direkt gefolgt von einer Hormonstimulation zur Gewinnung von Eizellen wurde erstmals durch Zentren des Netzwerks durchgeführt. Diese Technik erlaubt eine deutliche Erhöhung der Geburtenchance.[8]
  • Die erste Geburt nach einer Transplantation von Ovargewebe, welches nach der Entnahme per Übernacht-Transport in eine zentrale Kryobank transportiert wurde, wurde vom Netzwerk erzielt. Dadurch wurde bewiesen, dass entnommenes Eierstockgewebe in spezialisierten Zentren zentral aufbereitet und gelagert werden kann.[9][10]
  • Es wurde 2016 ein Praxisratgeber zur Indikation und Durchführung fertilitätsprotektiver Maßnahmen bei onkologischen und nicht-onkologischen Erkrankungen publiziert. 2020 erschien die erweiterte 2. Auflage[6], die auch in englischer Sprache 2020 im Springer-Verlag publiziert wurde.[11]

Auch haben Mitglieder von FertiPROTEKT wesentlich an der Einführung der Kostenübernahme fertilitätsprotektiver Maßnahmen in Deutschland und der Schweiz (2019) beigetragen. Arbeitstagungen des Netzwerks werden jährlich durchgeführt. Die beteiligten Zentren sind verpflichtet, regelmäßig an diesen Jahrestagungen teilzunehmen.

Probleme

Einige Maßnahmen, wie die Kryokonservierung von Oozyten und Ovargewebe bei Frauen und von Spermien und Hodengewebe bei Männern vor Chemotherapien sind etabliert. Die Transplantation von Ovargewebe ist noch nicht vollständig etabliert[12], bei Kindern ist die Kryokonservierung von Ovargewebe[6] und von Hodengewebe[13] noch experimentell.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Frank Nawroth, Michael von Wolff: FertiPROTEKT Netzwerk e. V. – das interdisziplinäre Netzwerk für fertilitätsprotektive Maßnahmen. Der Gynäkologe 51 (2018), S. 951–958, doi:10.1007/s00129-018-4279-4, online
  2. Vereinsregister-Nummer VerR 22720 beim Amtsgericht 20355 Hamburg.
  3. a b c Andreas Schüring, Tanja Fehm, Karolin Behringer, Maren Goeckenjan, Pauline Wimberger, Melanie Henes, Jörg Henes, Martin Fey, Michael von Wolff: Practical recommendations for fertility preservation in women by the FertiPROTEKT network. Part I: Indications for fertility preservation. Arch Gynecol Obstet 297(1) 2018, S. 241-255, doi:10.1007/s00404-017-4594-3 PMID 29177593
  4. a b c Michael von Wolff, Ariane Germeyer, Jana Liebenthron, Matthias Korell, Frank Nawroth: Practical recommendations for fertility preservation in women by the FertiPROTEKT network. Part II: fertility preservation techniques. Arch Gynecol Obstet 297(1) 2018, S. 257-267, doi:10.1007/s00404-017-4595-2, PMID 29181578
  5. Michael von Wolff, Claus Yding Andersen, Theresa K. Woodruff, Frank Nawroth: FertiPROTEKT, Oncofertility Consortium and the Danish Fertility-Preservation Networks – What Can We Learn From Their Experiences? Clin Med Insights Reprod Health 2019, doi:10.1177/1179558119845865, PMID 31068758
  6. a b c Michael von Wolff, Frank Nawroth (Hrsg.): Indikation und Durchführung fertilitätsprotektiver Maßnahmen bei onkologischen und nicht-onkologischen Erkrankungen. 2. Auflage, Schmidt & Klaunig, Kiel, 2020.
  7. Michael von Wolff, Christian J. Thaler, Torsten Frambach, Cosima Zeeb, Barbara Lawrenz, Roxana M. Popovici, Thomas Strowitzki: Ovarian stimulation to cryopreserve fertilized oocytes in cancer patients can be started in the luteal phase. Fertil Steril. 92 (2009), S. 1360–5, doi:10.1016/j.fertnstert.2008.08.011.
  8. Cosima Huober-Zeeb, Barbara Lawrenz, Roxana M. Popovici, Thomas Strowitzki, Ariane Germeyer, Petra Stute, Michael von Wolff: Improving fertility preservation in cancer, ovarian tissue cryobanking followed by ovarian stimulation can be efficiently combined. Fertil Steril. 95 (2011), S. 342–4, doi:10.1016/j.fertnstert.2010.07.1074.
  9. Ralf Dittrich, Laura Lotz, Gudrun Keck, Inge Hoffmann, Andreas Mueller, Matthias W. Beckmann, Hans van der Ven, Markus Montag: Live birth after ovarian tissue autotransplantation following overnight transportation before cryopreservation. Fertil Steril. 97 (2012), S. 387–90, doi:10.1016/j.fertnstert.2011.11.047.
  10. Andreas Müller, Katja Keller, Jennifer Wacker, Ralf Dittrich, Gudrun Keck, Markus Montag, Hans van der Ven, David Wachter, Matthias W. Beckmann, Wolfgang Distler: Retransplantation von kryokonserviertem Ovarialgewebe: Erste Geburt in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 109 (2012), S. 8–13, doi:10.3238/arztebl.2012.0008.
  11. Michael von Wolff, Frank Nawroth (Hrsg.): Fertility Preservation in Oncological and Non-Oncological Diseases. A Practical Guide. 1. Auflage, Springer 2020, ISBN 978-3-030-47567-3, doi:10.1007/978-3-030-47568-0
  12. Marie-Madeleine Dolmans, Michael von Wolff, Catherine Poirot, Cesar Diaz-Garcia, Luciana Cacciottola, Nicolas Boissel, Jana Liebenthron, Antonio Pellicer, Jacques Donnez, Claus Yding Andersen: Transplantation of cryopreserved ovarian tissue in a series of 285 women: a review of five leading European centers. Fertil Steril 115(5) 2021, S. 1102-1115, doi:10.1016/j.fertnstert.2021.03.008, PMID 33933173
  13. Ellen Goossens, Kirsi Jahnukainen, Rod T. Mitchell, Ans M. M. van Pelt, Guido Pennings, Nathalie Rives, Jonathan Poels, Christine Wyns, Sheila Lane, Kenny A Rodriguez-Wallberg, Aurélie Rives, Hanna Valli-Pulaski, Sarah Steimer, Sabine Kliesch, Aude Braye, María M. Andrés, Jose V Medrano, Liliana Ramos, Stine Gry Kristensen, Claus Yding Andersen, Ragnar Bjarnason, Kyle E. Orwig, Nina Neuhaus, Jan-Bernd Stukenborg: Fertility preservation in boys: recent developments and new insights. Hum Reprod Open 3 (2020), doi:10.1093/hropen/hoaa016, PMID 32529047

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